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Vor 25 Jahren gestorben
Die französische Schauspielerin Maria Casarès

Ihre Rolle im Film „Kinder des Olymp“ machte Maria Casarès 1945 weltberühmt. Mit dem verheirateten Albert Camus lebte sie eine intellektuelle „amour fou“. Der Briefwechsel sorgte nach ihrem Tod am 22. November 1996 für Furore.

Von Christoph Vormweg | 22.11.2021
Die französische Schauspielerin Maria Casarés
Die französische Schauspielerin Maria Casarés (dpa / picture alliance / Everett Collection )
Ihre Film-Rollen machen Maria Casarès weltberühmt: so 1945 als unglücklich Verliebte in Marcel Carnés "Die Kinder des Olymp" oder 1950 als Prinzessin in Jean Cocteaus "Orpheus". Doch ihre Heimat bleibt das Theater. Am Film-Set, klagt sie, zerbrösele der Zusammenhang der Film-Geschichte genauso wie die eigene Rolle. Im Theater dagegen gehe man auf seine Rolle zu, man lebe sie. Unvergleichlich sei die Euphorie nach einer gelungenen Aufführung, die Maria Casarès so beschreibt:
"Hinterher fühlt man sich wie nach einem wohltuenden Bad im Ozean. Wenn man in den Wellen geschwommen ist, kommt man müde, erschöpft und restlos glücklich zurück."

Der Atlantik prägt die Kindheit

Der Atlantik prägt die Kindheit von Maria Casarès. 1922 kommt sie in Galizien zur Welt, in La Coruña. Ihr Vater, ein Rechtsanwalt, wird 1936 Premierminister der jungen spanischen Republik. "Das Einzige, was mich mit dem Theater zusammenbringen konnte, war meine Lust, Gedichte aufzusagen. Nicht für andere. Ich kletterte auf Bäume und rezitierte Gedichte, die ich gelernt hatte. Ich brüllte sie einfach so über Dächer und Bäume hinaus."

Mit der Mutter nach Paris ins Exil

Nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkiegs 1936 schickt der Vater seine 13-jährige Tochter mit ihrer Mutter nach Paris ins Exil. 1942, als 20-Jährige, wird Maria Casarès, wie sie sagt, im Pariser "Théâtre des Mathurins" neu geboren – in einer fremden Sprache, die für sie zur großen Bereicherung wird. "Ich weiß nicht genau, was das ist: die Tragödie. Ich glaube, es ist ein Lebensgefühl, eine Art, das Dasein zu erfassen. Und wir, die Spanier, haben dieses Gespür."

Stets mit großem Lampenfieber

Maria Casarès, die vor ihren Auftritten stets unter großem Lampenfieber leidet, lernt bei Paul Claudel die - wie er es nennt - "Selbstmeisterung" auf der Bühne. Der berühmte Dramatiker bringt ihr bei, wie der Text in eine szenische Theatersprache übersetzt wird. Von Anfang an besticht die Casarès durch ihre atemberaubende Bühnenpräsenz. Sogar junge Skandal-Dramatiker wie der homosexuelle Ex-Häftling Jean Genet engagieren sie. In einem Interview mit dem NDR betont sie: "Ich wäre außerstande, einen Text aufzusagen, den ich nicht liebe."
Der Schriftsteller Albert Camus im Jahr 1957
Der Schriftsteller Albert Camus im Jahr 1957 (picture-alliance/United Archives/)

Liebschaft mit Albert Camus

Mit 21 nimmt Maria Casarès im von der Wehrmacht besetzten Paris an einer Privatlesung teil. Der 30-jährige, aus Algerien stammende Schriftsteller und Philosoph Albert Camus zitiert aus seinem neuen Theaterstück. Es sind Vertrautheit und Liebe auf den ersten Blick. Während der Proben beginnt ihre „amour fou“. Nach der Befreiung von Paris 1944 trifft jedoch Camus' Ehefrau aus Algier ein. Maria Casarès zieht sich zurück – bis zu ihrer zufälligen Wiederbegegnung 1948 auf dem Boulevard Saint-Germain.
"Wir haben uns wiedererkannt", schreibt sie an Camus. "Wir haben uns einander hingegeben, wir haben eine glühende Liebe aus reinem Kristall geschaffen. Ist Dir unser Glück bewusst, und das, was uns gegeben ist?"

Das Theater als Reise

Ihre Liebe im Verborgenen dauert bis zu Albert Camus' Unfalltod 1960 an. Danach versucht Maria Casarès ihr Versprechen, für den Fall, dass er früher stürbe, einzulösen: weiter so intensiv wie möglich zu leben. Das Theater bleibt ihre Heimat. Sie spielt die großen Bühnenklassiker von Shakespeare bis Calderón, von Kleist bis Marivaux, von Pirandello bis Brecht. Sogar ihren spanischen Akzent legt sie ab.
"Letztendlich ist das Theater für mich eine Art auf Reisen zu gehen.“ Auf Reisen durch die imaginären Welten der großen Dichter. Bis zu ihrem Tod am 22. November 1996 steht Maria Casarès auf der Bühne. Sie liebt den Kontakt zum Publikum, der an jedem Abend anders ist. Ihr Briefwechsel mit Albert Camus - in der deutschen Übersetzung über 1500 Seiten lang - erscheint postum. In Paris wird er als literarische Sensation gefeiert.