Freitag, 26. April 2024

Archiv

Kampf gegen Ebola
Von Antikörper bis Quarantäne

Der Kampf gegen Ebola ist wie ein Wettlauf. Und im Moment hat das Virus die Nase vorn: die Infektionszahlen steigen an, Gesundheitssysteme kollabieren, die lokale Wirtschaft bricht zusammen. Und Ebola breitet sich immer weiter aus. Doch mit welchen Maßnahmen lässt sich das Virus jetzt noch eindämmen?

Von Marieke Degen | 07.09.2014
    Helfer in Schutzanzügen legen einen Toten in einem Leichensack in ein vorbereitetes Grab.
    Ebola-Toter wird von Menschen in Schutzanzügen beerdigt. (dpa / Ahmed Jallanzo)
    Der Zeitplan der <abbr title="Weltgesundheitsorganisation">WHO</abbr> steht:
    "Unser Ziel ist, den Ebola-Ausbruch innerhalb von acht bis neun Monaten zu stoppen",
    sagt Bruce Aylward von der WHO. Die Experten haben dafür eine Roadmap erstellt - eine Art Fahrplan, mit dem die internationale Hilfe koordiniert werden soll. Labors und Behandlungszentren sollen besser ausgestattet, die Menschen vor Ort besser versorgt werden - sogar eine Luftbrücke ist geplant. 13.000 Helfer werden dafür gebraucht, und 400 Millionen Euro für die ersten sechs Monate. Damit, sagt die WHO, könne man einen Ausbruch mit 20.000 Fällen stemmen.
    Aylward: "Was nicht heißt, dass wir 20.000 Fälle erwarten oder gar akzeptieren würden. Aber wir müssen auf so solche Zahlen vorbereitet sein.
    Doch wie lässt sich das Virus noch unter Kontrolle bringen?
    Erstens: Infektionsschutz
    Ebola ist ansteckend. Aber nicht – wie etwa die Grippe – über die Luft, sondern nur über Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel. Und: Menschen sind erst dann ansteckend, wenn die Krankheit bei ihnen ausgebrochen ist, vorher nicht. All das sind eigentlich gute Voraussetzungen, um das Virus einzudämmen, sagt Jeremy Farrar, Epidemiologe und Direktor des britischen Wellcome Trust.
    "Die wichtigsten Maßnahmen sind immer noch der klassische Infektionsschutz: Die Infizierten identifizieren, isolieren und so gut wie möglich versorgen. Die Quarantäne ist absolut essenziell, um weitere Ansteckungen zu verhindern – genauso wie sichere Begräbnisse, weil auch die Leichen noch infektiös sind. Das sind die grundlegenden Maßnahmen, die getroffen werden müssen. Aber das ist gerade in diesem Ausbruch sehr schwierig."
    Es gibt zu viele Infektionsherde, an zu vielen Stellen. Und nicht nur die Kranken, auch deren Kontaktpersonen müssen beobachtet werden – was nicht immer gelingt. Beispiel Nigeria: Dort gab es bislang einen kleineren Ausbruch in der Hauptstadt Lagos, der eigentlich unter Kontrolle war. Doch ein Mann, der in Lagos unter Beobachtung stand, ist nach Port Harcourt geflohen, eine andere Stadt in Nigeria. Dort hat er einen weiteren Ausbruch ausgelöst. Die WHO Roadmap sieht daher vor, in Zukunft auch ganze Dörfer oder Gemeinden unter Quarantäne zu stellen – wie das genau aussehen soll, ist offen.
    Jeremy Farrar: "Ich denke, dass es immer noch möglich ist, den Ausbruch mit Infektionsschutzmaßnahmen unter Kontrolle zu bringen. Allerdings nur mit einem enormen Aufwand. Und wir nähern uns dem Punkt, an dem sich das Zeitfenster dafür schließt. Wenn eine Epidemie – ganz egal welche – erst einmal das Stadium erreicht hat, in dem die Infektionszahlen exponentiell ansteigen, dann ist es sehr schwer, sie zu kontrollieren. Fast unmöglich."
    Deshalb plant die WHO jetzt auch den Einsatz von noch nicht zugelassenen Impfstoffen und Medikamenten – zusätzlich zu den Kontrollmaßnahmen.
    Zweitens: Blutseren und Medikamente
    Im Moment hat die WHO einen klaren Favoriten: das Rekonvaleszenz-Serum. Das ist praktisch das Blut von überlebenden Ebola-Patienten, mit dem Kranke behandelt werden können. Experten gehen davon aus, dass die Seren wirksam sein könnten. Und sie haben zwei große Vorteile: Sie können in Afrika selbst hergestellt und sofort eingesetzt werden, erklärt Oyewale Tomori, ein Virologe aus Nigeria.
    "In Nigeria sind bislang acht Menschen an Ebola gestorben, aber fünf haben überlebt. Und wir sind schon dabei, ihr Blutserum für den zukünftigen Einsatz einzulagern. Und das passiert in anderen Ländern auch."
    Dann gibt es noch um die zehn Wirkstoff-Kandidaten, die jetzt im Ausbruch erforscht werden sollen. Darunter auch der schon bekannte Antikörpercocktail Zmapp. Wann die Studien in den Behandlungszentren beginnen, hängt aber davon ab, wann die Wirkstoffe verfügbar sind – und wie viel davon. Die Zmapp-Antikörper beispielsweise werden sehr aufwändig in speziellen Tabakpflanzen produziert. Im Moment sind alle Zmapp-Dosen aufgebraucht. Es wird Wochen dauern, bis die nächsten Dosen fertig sind.
    "Wir wissen nicht, welchen Effekt die Medikamente haben, wenn wir sie nicht ausprobieren. Sie könnten einen enormen Einfluss haben",
    sagt Jeremy Farrar vom Wellcome Trust. Bestenfalls könnten die Seren und Medikamente Leben retten. Aber: gerade am Anfang werden sie vielleicht nicht für alle Patienten reichen.
    Drittens: Impfstoffe
    Farrar: "Mit einem Impfstoff ließe sich die Ausbreitung von Ebola bekämpfen, weil die Menschen immun wären. Es wäre wundervoll, einen Impfstoff zu haben."
    In Westafrika könnte frühestens Ende 2014 ein Impfstoff eingesetzt werden. Es gibt dafür zwei Kandidaten, die im Moment zum ersten Mal an Menschen getestet werden - zuerst in den USA und in Großbritannien, später auch in Afrika, unter anderem in Mali. An diesen ersten Sicherheitsstudien sind auch die US-amerikanischen National Institutes of Health beteiligt.
    "Die Sicherheit des Impfstoffs steht an oberster Stelle. Schließlich ist der Impfstoff für gesunde Menschen gedacht, um sie vor einer Infektion zu schützen. Bei einem neuen Impfstoff muss man mit allem rechnen - es wäre unverantwortlich, eine Vakzine einzusetzen, die nicht auf ihre Sicherheit hin überprüft worden ist",
    sagt Anthony Fauci von den NIH. Im November werden die ersten Daten vorliegen. Wenn die Impfstoffe sicher sind und bei den Probanden eine Immunantwort ausgelöst haben, würden Pharmafirmen dann15.000 bis 20.000 Impfdosen herstellen. Dann müsste entschieden werden, wie der Impfstoff verteilt wird.
    Fauci: "Der Impfstoff soll – zumindest am Anfang – für die Menschen zur Verfügung stehen, die einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind: Ärzte und Pfleger, Labormitarbeiter und andere Hilfskräfte. Aber natürlich auch für die Menschen in den betroffenen Regionen."
    Und was passiert, wenn der Ausbruch nicht unter Kontrolle gebracht werden kann? Was, wenn die Infektionszahlen weiter in die Höhe schießen, wenn die Hilfe nicht rechtzeitig aufgestockt werden kann, wenn Impfstoffe und Medikamente viel länger brauchen als erwartet? Jeremy Farrar:
    "Wenn sich immer mehr Menschen infizieren, dann hat das Ebola-Virus – das ja eigentlich aus dem Tierreich kommt – immer mehr Möglichkeiten, sich an den Menschen anzupassen. Und wir laufen Gefahr, dass es ein menschliches Virus wird, genau wie HIV und viele andere Viren, die auch vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind. Meine Sorge ist die: Wenn wir den Ausbruch nicht unter Kontrolle bringen, dann könnte Ebola endemisch werden, und regelmäßig Ausbrüche beim Menschen verursachen."