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Kampf gegen IS
"Ein UNO-Mandat wird es nicht geben"

Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, erwartet, dass Russland und China ein mögliches UNO-Mandat gegen die IS verhindern werden. Bodentruppen seien in der Region sicherlich notwendig, doch sollten Europäer und Amerikaner sehr zurückhaltend sein, sagte der General a. D. im DLF.

Klaus Naumann im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Klaus Naumann, General a.D. und früherer Generalinspekteur der Bundeswehr (Foto vom 11.10.2010)
    Zunächst seien die Nationen aus der Region gefordert, schließlich ginge es auch um ihre Sicherheit, so der General a.D. Klaus Naumann. (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Christine Heuer: Seit gestern wird in Deutschland sehr konkret über deutsche Bodentruppen gegen den Islamischen Staat debattiert. Die Grünen hatten ein UN-Mandat angemahnt und sich im Falle, dass es dazu kommt, für eine deutsche Beteiligung am Einsatz gegen die Islamisten in Syrien ausgesprochen. Die Bundesregierung lehnt diese Gedankenspiele rundheraus ab. Mein Kollege Jürgen Liminski hat darüber gestern Abend mit General a.D. Klaus Naumann gesprochen, dem früheren Vorsitzenden im NATO-Militärausschuss.
    Jürgen Liminski: Deutsche Bodentruppen in Syrien - dabei handelt es sich ja um eine höchst hypothetische Diskussion. Aber wenn es denn ein Mandat der UNO gäbe, was stünde einem Einsatz deutscher Bodentruppen noch im Weg?
    Klaus Naumann: Ein Mandat wird es nicht geben, weil Russland und China in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich alles, was Syrien anbelangt, mit Veto bedacht haben. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass sich das ändert. Sollte das Wunder geschehen, dann wäre meine Ansicht schon, dass im Grunde genommen die Nationen in der Region zunächst einmal gefordert sind, mit Bodentruppen dort zu kämpfen. Es geht um ihre Sicherheit, es geht um ihr Gebiet, und ich meine, wir sind gut beraten, hier sehr vorsichtig, sehr zurückhaltend zu sein, auch um in der arabischen Welt nicht den Eindruck zu erwecken, dass immer wieder von außen versucht wird, Arabern etwas aufzuzwingen.
    Liminski: Wäre Deutschland denn überhaupt militärisch in der Lage, ein Korps oder Truppenverbände in Syrien einzusetzen?
    Naumann: Ein Korps, weil Sie das gerade erwähnen, ganz gewiss nicht. Deutschland wäre vermutlich in der Lage, im bescheidenen Umfang, sagen wir mal, in der Stärke eines Bataillons sich zu beteiligen, mit ausreichender Vorbereitungszeit und sicherlich unter Rückgriff auf Kräfte, die an sich für Afghanistan vorgesehen sind und die auch Kampferfahrung haben. Aber es ist eine rein hypothetische Frage und ich glaube nicht, dass irgendjemand in Berlin an einen Kampfeinsatz der Bundeswehr im Irak oder in Syrien denkt, und ich halte das auch für richtig.
    "Unsere Einflussmöglichkeiten sind doch begrenzt"
    Liminski: Wenn wir schon keine Bodentruppen einsetzen, so könnten wir doch vielleicht mehr Druck auf die Türken, auf Ankara ausüben, damit dort in der Region etwas geschieht und den Kurden geholfen wird.
    Naumann: Es ist sicher, zu überlegen und zu prüfen, ob man die Türkei nicht in sehr deutlicher Weise auf ihre Verantwortung als NATO-Mitglied, das ja auch für die Sicherheit in der Peripherie mit Verantwortung trägt, hinweisen sollte. Wenn man allerdings Druck ausübt, dann muss man überlegen, welche Druckmittel man in der Hand hat. Hier, meine ich, sind Deutschlands Möglichkeiten relativ eingeschränkt. Die wären besser, wenn wir eine klare Position hätten zu der Frage der Mitgliedschaft der Türkei in der EU, aber die haben wir nicht. Da ist die Regierung gespalten und von daher gesehen, sind unsere Einflussmöglichkeiten doch begrenzt.
    "Verhalten der Türken ist für mich schwer verständlich"
    Liminski: Kommen wir zum realen Geschehen. Das Verhalten Ankaras ist zumindest ambivalent. Könnte es nicht wenigstens die Flughäfen freigeben, damit die USA von dort mit Kampfhubschraubern Einsätze gegen diese mobilen IS-Einheiten fliegen können?
    Naumann: Ich würde das für dringend geboten halten, und wenn ich unseren türkischen Verbündeten noch irgendeinen Rat geben könnte, dann ist mein Votum, sie sollten den Vereinigten Staaten von Amerika diese Möglichkeit geben, dass vor allem der Flugplatz Incirlik genutzt wird. Das Verhalten der Türken ist für mich schwer verständlich.
    "Europäer oder Amerikaner sollten sehr zurückhaltend sein"
    Liminski: Die Lage in der Region ist komplex. Wer kann denn die Islamisten überhaupt aufhalten? Sie sprachen eben von Bodentruppen der betroffenen Staaten.
    Naumann: Die Bodentruppen, die sicherlich notwendig sind - denn allein aus der Luft kann man in einer Situation, in der bereits Kräfte im Häuserkampf stehen, die Situation nicht bereinigen -, aber das müssen die Menschen aus der Region machen. Und dazu könnte natürlich Saudi-Arabien tätig werden. Dazu könnte auch Kuwait tätig werden und natürlich die Türkei, die sicherlich in der Lage wäre, dort zu handeln. Aber Europäer oder Amerikaner sollten sehr zurückhaltend sein, sich in diese Sache hineinziehen zu lassen.
    Heuer: Der NATO-General a. D. Klaus Naumann im Gespräch mit meinem Kollegen Jürgen Liminski.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.