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Kampf gegen Terrormiliz IS
SPD-Politiker Hellmich: "Mehr als Symbolpolitik"

Die Bundesregierung will Frankreich im Kampf gegen den IS unter anderem mit Aufklärungs-Tornados unterstützen. "Das ist keine Symbolpolitik“, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wolfgang Hellmich (SPD), im DLF. Er verweist darauf, dass sich Deutschland auch anderweitig gegen den IS engagiert, etwa bei der Ausbildung von kurdischen Peschmerga-Kämpfern.

Wolfgang Hellmich im Gespräch mit Sandra Schulz | 27.11.2015
    Die Kennung auf einem Tornado der Bundeswehr mit den Zahlen 44 und 65
    Die Kennung auf einem Tornado der Bundeswehr (picture alliance / dpa / Thomas Muncke)
    "Der IS ist militärisch zu bekämpfen", sagte der SPD-Politiker Wolfgang Hellmich im Deutschlandfunk. Das sehe man beim Einsatz der Peschmerga. Hellmich erläuterte weiter, dass sich die IS-Terroristen zum Beispiel nicht so frei mit Konvois durch die Länder bewegen könnten, weil sie immer mit Luftangriffen rechnen müssten.
    Der Verteidigungspolitiker räumte aber auch ein, dass sich der islamistische Terror weltweit nicht allein militärisch besiegen lässt: "Hier müssen viele weitere Elemente dazukommen."
    Die Bundesregierung will zudem den Einsatz der Bundeswehr in Mali ausweiten und die Anzahl der dort stationierten Soldaten deutlich erhöhen. Dieser Einsatz habe eine andere Qualität als der in Syrien, weil er auch am Boden stattfinde, so Hellmich. Er versprach aber: "Wir werden alles dafür tun, dass die Soldaten auch entsprechend geschützt werden."

    Das Interview in voller Länge
    Sandra Schulz: Mit SPD-Politiker Wolfgang Hellmich. Guten Morgen.
    Wolfgang Hellmich: Guten Morgen.
    Schulz: Eine der Fragen will ich gleich an Sie weiterreichen. Wir sprechen über Aufklärungstornados, Luftbetankung und eine Fregatte. Und über einen Kampfeinsatz?
    Hellmich: Nein. Wir reden über verstärkte Überwachung durch Satellitenfähigkeiten. Wir reden auch über einen personellen Einsatz in den Stäben, die diesen Einsatz dort zu koordinieren haben. Wir reden nicht über den Einsatz von Bundeswehrsoldatinnen und Soldaten am Boden in Syrien.
    Schulz: Aber Kampfeinsätze müssen ja nicht unbedingt am Boden stattfinden.
    Hellmich: Ja. Kampfeinsätze werden auch zum Beispiel in dem Moment stattfinden, wo es um die Frage der Luftbeteiligung geht. Sicher. Aber im Moment nach meinem Kenntnisstand ist da nicht geplant, dass Bundeswehrtornados mit Bomben in den Kampf eingreifen, sondern es geht um Aufklärung.
    Schulz: Es gibt aber viele Experten, die sagen, es macht eigentlich streng genommen keinen Unterschied, ob die Flugzeuge Bomben abwerfen oder nur die Flugzeuge unterstützen, die Bomben abwerfen.
    Hellmich: Das ist richtig. Deshalb sind wir bei der Unterstützung, bei der Lieferung von Daten zur zielgenauen Erfassung und zur Vorbereitung von Angriffen Bestandteile dieser Angriffe, weil wir die entsprechenden Daten dazu liefern. Aber deshalb ist es auch klar und deutlich, dass man bei dieser Frage der Begrifflichkeiten klar sagen muss, um was es denn im Inhalt geht, weil manchmal es sehr durcheinander geht bei der Nutzung der Begrifflichkeiten und sich jeder was anderes darunter vorstellt.
    Schulz: Aber, Herr Hellmich, warum sind sie dann nicht so klar? Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass Sie auch sagen, es macht eigentlich keinen Unterschied. Warum sprechen Sie dann nicht ganz ehrlich von einem Kampfeinsatz?
    Hellmich: Man kann auch den Begriff Kampfeinsatz nehmen. Den kann man nehmen.
    Schulz: Okay.
    Hellmich: Aber er bezeichnet nicht exakt, um was es denn da geht. Ich würde es gerne inhaltlich sagen, damit man sich ein Bild machen kann, um welche Dimensionen, um welche Fähigkeiten es geht, um nicht so schwammige unklare Begriffe zu nehmen.
    Tornados sollen zur Erstellung eines Lagebilds beitragen
    Schulz: Was sollen die Tornados denn genau aufklären?
    Hellmich: Die Bodenlage.
    Schulz: Und das ist nötig?
    Hellmich: Das was sich am Boden tut. Ja, weil man ein Lagebild herstellen will, das sich zusammensetzt aus Optik, aus Radar- oder Satellitentechnologie. Dann können die Flugzeuge am Boden sehr genau selektieren, um was es denn geht, und auch ein genaues Lagebild herstellen. Es geht um das Wirken im Zusammenhang.
    Schulz: Und auch da gibt es Stimmen von Experten, die sagen, diese Aufklärung, die nicht begleitet ist von Bodentruppen, die ist eigentlich nur Symbolpolitik.
    Hellmich: Nein. Das sehen wir ja jetzt schon nicht. [..., unverständlich, Anm. d. Red.] Wir unterstützen auf der anderen Seite ja genauso gut die Peschmerga über die Ausbildung, die im Laufe der letzten Wochen ja auch aufgrund von Ausrüstung und Ausbildung auch deutlich gemacht haben, dass sie wenn auch kleine aber Geländegewinne gegenüber dem IS gemacht haben. Es gibt auf der anderen Seite genau diese Bodentruppen und wir sind im Umfeld ja auch sehr darum bemüht, dass wir eine stabile Koalition gegen den IS hinbekommen. Ein Teil dieses Gesamtansatzes ist das, was da passiert. Es muss aber in der Tat noch wesentlich mehr passieren. Das wissen wir aber auch. Es ist schlicht eine Erfahrung: Das ist alleine nicht zu leisten.
    Hellmich: Auch Nachbarländer setzen verstärkt auf Bekämpfung des IS
    Schulz: Was macht Sie da so zuversichtlich, dass das auch passieren wird, nachdem Syrien jetzt ja schon seit Jahren im Krieg steckt und der IS davon profitiert hat?
    Hellmich: Zuversichtlich machen mich die Signale aus auch benachbarten Ländern, die da sagen, wir müssen unsere Linie ändern, wir müssen uns verändern und müssen uns gegen den IS richten. Es gibt da ja mit Blick zum Beispiel auf die Wiener Konferenz deutliche Hinweise, dass auch die Nachbarländer sagen und die beteiligten Kräfte sagen, eine Veränderung der Linie heißt, die Bekämpfung des IS ganz oben auf die Tagesordnung setzen und nicht nur zum Nebenziel von anderen Zielen zu machen.
    Schulz: Ist der IS denn militärisch zu bekämpfen?
    Hellmich: Ja, er ist militärisch zu bekämpfen. Das sehen wir ja beim Einsatz der Peschmerga. Wir sehen auch, dass die bisherigen Luftschläge dazu geführt haben, dass der IS sich nicht so frei in den Ländern mit Konvois und bewaffneten Konvois bewegen kann wie bisher. Er muss damit rechnen, angegriffen zu werden. Das ist durchaus die Möglichkeit aus der Luft, die wir haben, den IS auch entscheidend zu schwächen.
    Schulz: Ich bin über diese Einschätzung von Ihnen jetzt relativ überrascht, weil es die Verteidigungsministerin von der Leyen ja anders sieht, weil viele Experten einhellig der Meinung sind, dass die Lehren aus Afghanistan und auch dem Irak sind, dass der islamistische Terror eben nicht militärisch letztendlich zu bekämpfen ist.
    Hellmich: Das ist etwas anderes. Wir haben über den IS in Syrien gesprochen und nicht über den islamistischen Terror insgesamt. Das ist etwas anderes. Wenn ich mir die Anschläge ansehe in Frankreich, in Bamako, in Tunesien, dann müssen natürlich viele Elemente mit dazukommen, um den islamistischen Terror weltweit intensiv und wirksam bekämpfen zu können. Es ist nicht allein nur Syrien.
    Schulz: Wird Europa dadurch sicherer?
    Hellmich: Ich gehe davon aus, dass Europa dadurch sicherer wird, weil es insgesamt die Bekämpfung des islamistischen Terrors angeht. Wie gesagt, es sind noch viele Elemente mehr. Es ist nicht allein der Einsatz in Syrien.
    Bundeswehrpräsenz in Mali soll aufgestockt werden
    Schulz: Der Deutschlandfunk heute im Gespräch mit Wolfgang Hellmich, dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses. - Ich möchte mit Ihnen noch auf die Entscheidung von vorgestern schauen, auf die Entscheidung, das Kontingent für Mali auf bis zu 650 Soldaten aufzustocken und die Soldaten auch in den gefährlichen Norden des Landes zu schicken. Ist das der eigentlich gefährlichere Einsatz?
    Hellmich: Er findet auch am Boden statt. Es ist eine anderer. Vom Inhalt her und von der Qualität ist es ein anderer Einsatz. Es geht im Kern um die Überwachung des Nordens von Mali, und diese Überwachung geschieht auch von oben aus mit Drohnen. Ein solcher Einsatz muss auch geschützt werden. Das heißt, wir brauchen geschützte Fahrzeuge und andere Schutzmaßnahmen, die am Boden zur Unterstützung der eigenen Truppen sorgen. Wir brauchen die entsprechenden Einrichtungen, um die Rettungsketten für den Fall, dass etwas passieren sollte, in die nächsten Krankenhäuser organisieren zu können. Das ist vom Einsatz, auch von der Struktur natürlich ein anderer als der, über den wir in Syrien sprechen.
    Schulz: Das heißt, wir werden uns auch vor dem Hintergrund, dass es zuletzt einen Anschlag gegeben hat in der Hauptstadt Bamako, dass dort auch schon Blauhelm-Soldaten gestorben sind, wir werden uns wieder auf Nachrichten über getötete oder gefallene Bundeswehrsoldaten von dort einstellen müssen?
    Hellmich: Das will ich nicht hoffen! Genau das will ich nicht hoffen, dass wir uns auf Nachrichten einstellen müssen. Deshalb werden wir alles dafür tun, dass die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten in dem von den Niederländern ja eingerichteten Feldlager auch entsprechend geschützt werden. Wir haben ja nicht im Blick und im Ziel, dass Soldatinnen und Soldaten aus dem Feldlager heraus in den Einsatz außerhalb gehen, sondern wir haben vor Augen, dass sie dieses Feldlager schützen müssen. Das war eine Erfahrung aus Afghanistan, die man da durchaus mitnehmen kann und mitnehmen muss. Wenn es um Sprengfallen geht, wissen wir, wie wir sie detektieren müssen und wie wir uns dagegen schützen müssen. Deshalb gehe ich davon aus, dass das gut geht.
    Schulz: Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wolfgang Hellmich von der SPD, heute hier in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.
    Hellmich: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.