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Kann Guttenberg noch Vorbild sein?

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen findet, dass die Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministers zu Guttenberg durch die Plagiatsaffäre weiterhin angeschlagen ist, auch wenn dieser sich gestern im Bundestag reumütig gezeigt habe.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Peter Kapern | 24.02.2011
    Peter Kapern: Großes parlamentarisches Kino gestern im Bundestag: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde wegen seiner Dissertations-Collage in den Schwitzkasten genommen. "Lügner", "Täuscher", "Betrüger" und "Hochstapler", das waren nur einige der Etiketten, die ihm angeheftet wurden. Aber es gab auch tapfere Verteidiger, die sich mannhaft in die Schusslinie warfen, zum Beispiel CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

    O-Ton Alexander Dobrindt: "Erkennen Sie an, dass er sich aufrichtig entschuldigt hat, erkennen Sie an, dass er selbst gehandelt hat und den Doktortitel abgelegt hat, und erkennen Sie endlich, dass Sie sich verrannt haben, und geben Sie doch einfach zu, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern dass es Ihnen hier um eine schäbige Kampagne gegen den Bundesminister geht. Dann wären wir viel näher bei der Wahrheit als bei all dem, was wir von Ihnen hier gehört haben, meine Damen und Herren."

    Kapern: Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU, gestern im Bundestag. – Am Telefon bei uns nun die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt von den Grünen. Guten Morgen!

    Katrin Göring-Eckardt: Schönen guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Frau Göring-Eckardt, schließen wir doch gleich da an. Geständnis und Entschuldigung, das ist es, was Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gestern geliefert hat. Reicht das nicht?

    Göring-Eckardt: Ja das reicht deswegen nicht, weil wir ja in einer Situation sind, wo Karl-Theodor zu Guttenberg immer noch so tut, als ob das ein kleiner Fehler, der irgendwie nebenbei passiert ist, gewesen wäre, was er mit seiner Doktorarbeit gemacht hat. Er redet auch immer von seinen Fehlern. Er gibt übrigens auch nur die Fehler zu, die ihm nachgewiesen worden sind, sei es …

    Kapern: Aber er redet auch von gravierenden Fehlern.

    Göring-Eckardt: Richtig, aber wenn er über diese Fehler redet, wie sie zu Stande gekommen sind, dann wird wieder von Überlastung geredet et cetera. Und ich glaube, die Frage, wie das eigentlich ist mit dem Diebstahl geistigen Eigentums, die ist ihm entweder nicht bewusst oder er redet darüber nicht. Also, ich sage mal so: Wenn jemand 100 Bleistifte gestohlen hätte, dann würde die Nation auch verlangen, dass man sagt, das ist ein Dieb. Und in dem Fall hat er ja mehr als 100 Mal geistiges Eigentum von anderen Menschen gestohlen und als seines ausgegeben, und ich glaube, dass an diesem Punkt noch nicht deutlich geworden ist, ihm nicht deutlich geworden ist, dass es mehr ist als irgendwie ein kleines Kavaliersdelikt.

    Kapern: Sind Nachsicht und Verzeihung keine politischen Kategorien?

    Göring-Eckardt: Das sind politische Kategorien, absolut, aber ich glaube, …

    Kapern: Warum werden sie dann jetzt nicht angewendet?

    Göring-Eckardt: Sie werden auch angewendet. Es wird auch natürlich respektiert, dass er das gemacht hat. Aber die Frage des Vertrauens, die steht natürlich nach wie vor. Und was bedeutet das für jemanden, der in einem Ministerium tätig ist, das ja nun wirklich höchstsensibel ist, wo es um militärische Fragen geht, wo es um Fragen geht, die mit Krieg und Frieden zu tun haben?

    Wie kann man jemandem vertrauen, der quasi erst zum Jagen getragen werden muss, der noch vor einer Woche erklärt, alle Vorwürfe wären völlig abstrus, der dann sagt, da sind ein paar kleine Fehler gewesen, dann sagt, jetzt habe ich die Arbeit gelesen und jetzt stelle ich fest, da ist vielleicht was. Ganz davon abgesehen, dass er den wissenschaftlichen Dienst offensichtlich ja nicht nur vier Mal, sondern darüber hinaus missbraucht hat, das muss auch den Deutschen Bundestag natürlich noch weiter beschäftigen.

    Kapern: Das tut ja der Ältestenrat heute Nachmittag. Der berät genau über diese Frage. Da geht es darum, dass zu Guttenberg Texte, die dieser wissenschaftliche Dienst erarbeitet hat, in seiner Dissertation eingebaut hat. Sie haben das gesagt. Sechs solcher Texte sollen es sein. Bundestagspräsident Lammert hat ja schon klipp und klar gesagt, dass er das nicht hätte tun dürfen. Was gibt es da jetzt noch zu diskutieren?

    Göring-Eckardt: Ja. Die Frage ist ja, was bedeutet das, wie viele Texte sind es tatsächlich, wie wird damit umgegangen, wie gehen wir auch in Zukunft damit um. Es gibt ja zwei Dinge, die man tun muss: Das eine ist, man muss die Quellen angeben, und das andere ist, man muss um Genehmigung bitten, diese Texte anders zu verwenden.

    Hier geht es um Urheberrecht, und diese Frage des Urheberrechts beschäftigt uns ja in vielen anderen Fragen, ob es ums Internet geht, ob es um die Frage kultureller Güter geht, und auch da muss man natürlich all diejenigen fragen, die da gestern auch in der Debatte gesessen haben, Frau Schavan als Wissenschaftsministerin, auch Frau von der Leyen als Familienministerin ehemals, jetzt Arbeitsministerin, wie geht man eigentlich mit solchen Dingen um.

    Was würde eigentlich Frau von der Leyen ihren Kindern zu dem Vorbild Karl-Theodor zu Guttenberg sagen? Was sagt eigentlich Frau Schavan den Studierenden in der Republik? Was sagt Karl-Theodor zu Guttenberg eigentlich denen an der Bundeswehruniversität, die alle auch mit rechtlichen, mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen müssten? Und ich glaube, da ist noch ein weiterer Punkt. Man kann nicht sagen, ich bin Minister und ich kann dann bleiben was ich bin, nachdem ich gesagt habe, da habe ich ein paar Fehler gemacht, weil ich in der Zeit so viele Dinge aufeinander getan habe, aber bei allen anderen hätte das echte Konsequenzen.

    Kapern: Aber, Frau Göring-Eckardt, das klingt so, als würde im Ältestenrat heute noch mal eine Generalaussprache geführt in Sachen zu Guttenberg oder eine allgemeine Diskussion geführt werden über das Urheberrecht in Deutschland. Ist das alles, was da heute ansteht?

    Göring-Eckardt: Nein. Im Ältestenrat werden wir über die Frage des wissenschaftlichen Dienstes zu beraten haben. Da werden wir zu beraten haben darüber, ob diese inzwischen sechs Gutachten und Übersetzungsleistungen tatsächlich verwendet worden sind.

    Kapern: Und wenn ja, welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es dann?

    Göring-Eckardt: Auch darüber wird zu beraten sein. Im Moment ist es so, dass solches Ausmaß noch nie stattgefunden hat. Jedenfalls wissen wir davon nichts. Normalerweise bekommt man einen Brief und wird darauf aufmerksam gemacht, dass man zum Beispiel das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes nicht einfach so presseöffentlich verwenden kann. Das ist schon einige Male passiert. Deswegen müssen wir heute genau darüber beraten.

    Kapern: Was hat denn, noch mal nachgefragt, der Ältestenrat da an Sanktionen im Arsenal?

    Göring-Eckardt: Der Ältestenrat muss darüber beraten, welche Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen. Wie gesagt, bisher hat es in einem solchen Ausmaß solche Vorfälle noch nicht gegeben …

    Kapern: Gibt es Geldstrafen oder Ausschluss von Sitzungen?

    Göring-Eckardt: … und bisher hat es auch keine Sanktionen in so einem Fall gegeben. Deswegen müssen wir heute darüber beraten.

    Kapern: Schauen wir noch mal kurz auf die Debatte von gestern. Die war ja schon brutal scharf. Macht da die Opposition eigentlich Jagd auf einen Reumütigen? Und wie weit kann die Opposition diese Strategie treiben, um nicht in diesen Verdacht zu geraten?

    Göring-Eckardt: Also die Reumütigkeit von Karl-Theodor zu Guttenberg, die halte ich jetzt irgendwie nicht für wahnsinnig überzeugend, weil er immer nur das zugibt, was auch sowieso schon rausgekommen ist. Und die Frage, ob die Opposition jetzt überdreht oder nicht überdreht, die steht für meine Begriffe nicht, sondern das was geschieht, ist doch die Frage zu stellen, wie viel Vertrauen kann man in diesen Minister haben, wie viel Vertrauen kann man in einen Minister haben, der in einem so sensiblen Amt arbeitet, und deswegen ist gestern auch die Frage gestellt worden, ich finde zurecht: Kann er Minister in dieser Position bleiben?

    Und der Eindruck, dass er das vor allen Dingen deswegen bleibt, weil es auch anderen ganz gut ins Konzept passt, den einen, dass sie einen ein bisschen angeschlagenen CSU-ler haben, den anderen, dass sie sowieso keinen Ersatz haben, den dritten, dass gerade Wahlkämpfe sind, das muss zumindest diskutiert werden dürfen.

    Kapern: Sie haben gerade die Frage aufgeworfen, ob Karl-Theodor zu Guttenberg im Amt bleiben kann. Kann er?

    Göring-Eckardt: Ehrlich gesagt, ich glaube, dass das, was inzwischen schon herausgekommen ist, dass große Teile dieser Arbeit nicht auf seinen eigenen Erkenntnissen beruhen, ich glaube, dass das Abweisen davon, das deutliche Abweisen davon, dass es irgendetwas mit seiner Glaubwürdigkeit als Minister zu tun hat, das spricht nicht dafür. Da müsste er sich tatsächlich anders verhalten, anders verhalten haben.

    Kapern: Katrin Göring-Eckardt war das heute Morgen im Deutschlandfunk, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Ich sage danke nach Berlin und auf Wiederhören!

    Göring-Eckardt: Ich danke Ihnen auch! Auf Wiederhören!