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Karrierepause

Das Sabbatjahr findet immer mehr Anhänger. Das belegen aktuelle Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). So haben sich im Jahr 2009 rund 16 Prozent der Arbeitnehmer eine berufliche Auszeit gegönnt.

Von Melanie Last | 21.03.2011
    Vier Monate auf etwas mehr als zwei Quadratmetern rollender Wohnfläche. Bernd Wichura ist mit seinem Defender von Greifswald – Vorpommern – bis an den südlichsten Zipfel gefahren: nach Kapstadt, Südafrika.

    "Man ist ja auf der Suche nach einer Herausforderung. In den Flieger zu steigen und runterzufliegen: Kann jeder machen, ist völlig in Ordnung. Aber für mich war es einfach diese Reise an sich. Der Weg als Ziel."

    Bernd Wichura ist Software-Entwickler. Jede freie Minute nach der Arbeit hat er genutzt, um den Geländewagen umzubauen und gemütlich für die lange Reise einzurichten. Bett, Kühlschrank, Anbauwand, Laptop – alles was ein Zuhause eben braucht. Oben auf dem Dachgepäckträger: Ersatzreifen und Benzinkanister – so ist der 34-Jährige Ende August in Greifswald losgefahren.

    "Nach Griechenland, über die griechischen Inseln, ums Mittelmeer herum, die Türkei, Syrien, Jordanien, nach Ägypten runter am Nil entlang und dann immer auf der Ostseite von Afrika: Sudan, Äthiopien, Kenia, Tansania, Mosambik und dann Südafrika."
    Macht 23.000 Kilometer. Ein lang gehegter Reise-Traum, den sich der studierte Mathematiker nach fünf Jahren im Beruf endlich erfüllt hat.

    "Ich hab mir nicht die Firma danach ausgesucht, aber ich war froh in einer Firma zu sein, in der es die Möglichkeit überhaupt gibt und dass mein Chef das unterstützt hat und mir das bewilligt hat."

    Denn kündigen wollte der Software-Entwickler für sein Sabbatjahr nicht. Mit seinem Arbeitgeber, einem Tele-Kommunikationsunternehmen, hat er eine klare Regelung getroffen und ein spezielles Gehaltskonto eingerichtet, erklärt sein Chef Nils Fischbeck.

    "Wenn man jetzt zum Beispiel sagt, man nimmt von einem Zweijahresvertrag sechs Monate Auszeit, dann sind das 25 Prozent. Das heißt, man würde 25 Prozent eigentlich fehlen. Stattdessen sagt man also jetzt, man zahlt 25 Prozent weniger Gehalt, aber dann über die gesamte Laufzeit. Also über zwei Jahre kriegt man 25 Prozent weniger Gehalt."

    Dafür bekommt Bernd Wichura aber auch Geld während seiner Reise. Laufende Kosten, die zu Hause weiter anfallen, können so mühelos bezahlt werden. Von der Regelung profitiert auch die Firma: Sie behält einen viel gefragten Software-Entwickler.

    "Es ist ganz nötig, dass man Leute hat, die eingearbeitet sind, die sich in dem Metier auskennen. Und da ist es umso besser, wenn die, die im Fach sind, die das können, was wir brauchen, dann tatsächlich auch motiviert da sind."

    Ansparen lässt sich – wie in diesem Fall – Geld. Aber auch Zeit in Form von Urlaubstagen. Wie das Sabbatjahr dann genutzt wird, liegt ganz beim Arbeitnehmer. Die einen nehmen sich die berufliche Auszeit, um wie Bernd Wichura einen Kontinent zu bereisen. Andere pflegen im Sabbatjahr zu Hause einen Angehörigen.

    Der Hamburger Feuerwehrmann Jakob Leonhardt arbeitet freiwillig. In Kapstadt legt der Beamte Nachschichten bei einem südafrikanischen Rettungsdienst ein.

    "Ich frag mich schon manchmal, muss ich das machen? Ist es das wert? Weil es schon manchmal gefährlich ist. Wenn ich die letzte Nachtschicht nehme, wo dann eine Schießerei war. Die sprechen ja teilweise nur Afrikaans und mein Kollege spricht mit denen Afrikaans und ich fasse die ganze Situation dann erst im Nachhinein."

    Für seine Zusatzausbildung zum internationalen Rettungsassistenten braucht er aber genau diese Erfahrungen im Ausland. Zurück in Hamburg will der 30-Jährige dann seine Abschlussarbeit darüber schreiben. Während ihm noch ein paar Monate vom Sabbatjahr bleiben, muss der Greifswalder Bernd Wichura in wenigen Tagen wieder ins Büro. Auf seiner Reise durch die Wüste hat er eins ganz sicher gelernt.

    "Wie man Probleme löst, dass man im Job nachher hartnäckig dran bleibt. Hier musste ich unterwegs sehr viele Probleme lösen. Zum Beispiel an der Grenze, dass die da sagen: Heute kommst du hier nicht durch. Ich muss aber heute hier durch. Da wird man sehr hartnäckig. Als Methode: die Leute immer nerven. Andere Leute über das eigene Problem aufmerksam machen und die praktisch auf die Seite ziehen. Und ganz wichtig: Den Leuten schon eine Lösung vorzeigen, einen fertigen Weg, den sie nur noch abschreiten müssen. Das hat sehr oft funktioniert."