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Kasachstan-Lobbyismus
"Dementi von Schröder ist relativ schwach"

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) habe gegen hohe Geldzahlungen Lobbyarbeit für Kasachstans Staatschef Nursultan Nasarbajew übernommen, sagte "Spiegel"-Autor Jörg Schmitt im DLF. In der Titelgeschichte des Magazins erhebt Schmitt auch gegen den früheren Innenminister Otto Schily (SPD) den Vorwurf der bezahlten Lobbyarbeit.

Jörg Schmitt im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Bundeskanzler Gerhard Schröder pafft eine dicke Zigarre; Aufnahme vom Dezember 1998 in der in der Wiener Hofburg.
    Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder soll Lobbyarbeit für Kasachstan betrieben haben. (picture-alliance / dpa)
    Vier mal im Jahr haben sich sogenannte Elder Statesmen unter der Leitung des ehemaligen österreichischen Kanzlers Alfred Gusenbauer (SPÖ) getroffen, um für Kasachstan den Weg in die EU zu ebnen, sagte Schmitt.
    Lobbyarbeit dieser Art sei nicht verboten, betonte Schmitt. Jedoch stelle sich die Frage, "wenn man Geld nimmt für diese Lobbyarbeit, ob man als ehemaliger Politiker - demokratischer Politiker - solch eine Aufgabe übernimmt. "
    300.000 Euro Honorar pro Jahr
    Die Geldzahlungen beliefen sich um die 300.000 Euro pro Jahr, Gusenbauer habe als Organisator 400.000 Euro pro Jahr erhalten, sagte Schmitt. Auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler habe ein Angebot bekommen, dieses aber nach seiner Arbeitsaufnahme bei den Vereinten Nationen nicht mehr angenommen.
    Schily und Schröder dementieren Vorwürfe
    Sowohl Schily als auch Schröder dementieren die Vorwürfe des Nachrichtenmagazins. Die Geschichte basiert auf einem "Datenkonvolut von 700.000 Dokumente, das durch ein Datenleck bei einer Wiener Kanzlei aufgetaucht ist", sagte Schmitt. Die Dementis von Altkanzler Schröder seien relativ schwach, ergänzte er. "Schröder war durchaus bereit, an diesem Beraterkreis teilzunehmen, das belegen Mails", so Schmitt weiter.

    Das Interview können Sie hier in voller Länge nachlesen.
    Dirk-Oliver Heckmann: "Die Verführung", so lautet der Titel des aktuellen "Spiegel", darunter die Schlagzeile "Das Kasachstan-Komplott. Wie sich deutsche Politiker von den Millionen eines Diktators und seiner Diener locken ließen". Das Cover ziert drei Fotos, die an Fahndungsbilder erinnern, darauf niemand geringeres als Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Ex-Innenminister Otto Schily und Bundespräsident a.D. Horst Köhler. Die Veröffentlichung hat teils wütende Dementis ausgelöst, die Opposition fordert Aufklärung, und am Telefon können wir jetzt sprechen mit Jörg Schmitt. Er ist einer der fünf "Spiegel"-Autoren, die diese Geschichte geschrieben haben. Guten Morgen, Herr Schmitt!
    Jörg Schmitt: Guten Morgen.
    Heckmann: "Kasachstan-Connection" - die soll ja aus zwei Teilen bestanden haben, in deren Zentrum ein Wiener Rechtsanwalt stehen soll, Rechtsanwalt Gabriel Lansky, und auf der einen Seite soll stehen ein Team namens "Team Operette". Verbunden sind dort hochmögende Politiker ganz offensichtlich. Wer soll daran beteiligt gewesen sein und was ist überhaupt ihre Aufgabe gewesen?
    Schmitt: Wir haben das "Team Operette" genannt, weil es ein Team ist aus Elder Statesman, anerkannten Politikern wie dem ehemaligen österreichischen Kanzler Gusenbauer, dem ehemaligen spanischen Außenminister Orilla, dem Herrn Kwasniewski aus Polen und auch dem italienischen ehemaligen EU-Kommissar Prodi, also lauter Elder-Statesman-Leute, die einen guten Ruf haben da draußen, und offensichtlich versuchte man, vonseiten Kasachstans sich mit diesen Elder Statesman zu schmücken. Die trafen sich viermal im Jahr zu Gesprächen in Astana oder in Wien und haben über die hohe Politik philosophiert und darüber, wie man Kasachstan sozusagen den Weg nach Europa öffnen kann, wie man ein so wichtiges diktatorisches System schmücken und mit Lorbeeren umgeben kann.
    Heckmann: Das alleine ist doch noch nicht verboten.
    Schmitt: Das alleine ist nicht verboten. Die Frage ist, wenn man dafür Geld nimmt und für diese Art der Lobbyarbeit sich fürstlich entlohnen lässt, ob man sich tatsächlich als ehemaliger Politiker in die Fänge eines solchen Machthabers begibt und ob man tatsächlich Lobbyarbeit für so ein Land leisten will. Das ist eine demokratische Frage, ob man als demokratischer Politiker und Elder Statesman tatsächlich eine solche Aufgabe übernehmen will.
    Heckmann: Und eine besondere Rolle soll dabei gespielt haben Bundespräsident a.D. Horst Köhler?
    Schmitt: Der war auch mit dabei, jawohl.
    Horst Köhler zeigte Interesse an Angebot
    Heckmann: Wie hat der sich denn geriert in dieser Angelegenheit nach Ihren Recherchen?
    Schmitt: Horst Köhler hat sich geziert. Er ist angesprochen worden im Jahr 2011, nachdem Gerhard Schröder letztlich final abgesagt hat. Er war dann auch im Mai 2012 bei einem Treffen dabei in Astana dieses internationalen Beraterkreises. Man hat ihm immer wieder versucht, Verträge vorzulegen. Er hat die offensichtlich immer wieder versucht abzulehnen, nachdem er vorher offensichtlich dem Herrn Gusenbauer, der den Kreis organisiert hat, eine mündliche Zusage gegeben hat. Köhler hat - und das macht die Sache für uns mit einem sehr großen Geschmäckle verbunden - immer wieder versucht, die Sache zu camouflieren. Er wollte auf keinen Fall, dass das an seine Büroadresse geschickt wird, der Vertrag. Er wollte den Vertrag nicht ausdrücklich mit dem Staatsfonds Kasachstans, der sonst die Verträge abschließt, sondern mit der Kanzlei Gusenbauer. Er wollte ausdrücklich bestimmte Vertragsbestandteile nicht haben, die sonst da sind. Er wollte nur als Special Guest auftauchen, er wollte keine öffentlichen Auftritte haben im Zuge des Beraterkreises. Aber das Geld, das wollte er offensichtlich gerne nehmen. Es gibt eine E-Mail, die darauf hindeutet, dass Köhler eigentlich, obwohl er erst in der zweiten Hälfte 2012 angefangen hat oder anfangen sollte, tatsächlich das Geld nehmen wollte für das ganze Jahr. Das wären 300.000 gewesen. Letztlich ist der Vertrag nicht zustande gekommen und Köhler hat kein Geld bekommen, weil er im Juni einen Job bei der UNO bekommen hat.
    Heckmann: Und Sie haben bei Ihren Recherchen den Eindruck gewonnen, dass es den beteiligten Politikern oder Ex-Politikern vor allem um die Geldzahlungen ging? Es könnte ja auch sein, dass es ihnen darum ging, in der Tat eine Brücke zu bauen und eine demokratische Entwicklung Kasachstans sicherzustellen.
    Schmitt: Na ja. Ich sage mal, eine Aufwandsentschädigung von 300.000 beziehungsweise bei Gusenbauer als Organisator von 400.000 Euro im Jahr, das ist ja nun was, ich sage mal, so was kann man ja auch pro Bono machen. Offensichtlich - und das geht aus den E-Mails hervor - spielte das Thema Geld bei allen Beteiligten immer wieder eine Rolle.
    Heckmann: Das ist jetzt die eine Seite. Sie haben es genannt "Team Operette", dieser Kreis hochmögender Politiker, die da in diesen Beirat eingetreten sind oder überlegt hatten, in ihn einzutreten, und dann kurz vorher wieder abgesprungen sind. Auf der anderen Seite ein anderes Team, Sie nennen es "Team Operation". Dort vertreten sind ehemalige Strafverfolger gewesen und aber auch Politiker, die international Druck machen sollten zur Festnahme des ehemaligen Schwiegersohns von Nasarbajew, dem Diktator von Kasachstan, nämlich Herrn Alijew.
    Schmitt: Ja. Das war ein illustrer Kreis, dem wie gesagt auch Otto Schily angehört hat. Die Herrn reden sich heute alle damit raus, dass sie reine anwaltschaftliche Tätigkeit vollbracht haben, aber auch da kann man ja mal fragen, wie es denn mit der Anwaltsehre aussieht. Otto Schily ist ein intelligenter Mensch. So zumindest habe ich ihn kennengelernt. Dass der nicht die Frage sich stellt, wo eigentlich das Geld für all diese Berater (und da waren ja einige unterwegs) herkommt, dass das tatsächlich zwei Witwen der angeblich von Alijew ermordeten Banker aufgebracht haben, also Millionenbeträge, ist eigentlich wenig glaubhaft, zumal heute man weiß, dass diese Organisation, diese angebliche Opferorganisation aus Sicht österreichischer Sicherheitskreise eindeutig eine Tarnorganisation des kasachischen Geheimdienstes war.
    Schily wollte "Spiegel" instrumentalisieren
    Heckmann: Man muss dazu sagen, dass Herr Alijew lange Zeit Teil des Nasarbajew-Clans gewesen ist. Da liegt es ja auch nicht unbedingt fern, dass die Ermittlungsbehörden sich für ihn interessieren, oder?
    Schmitt: Das auf keinen Fall. Wir haben auch in unserer Geschichte in keiner Weise für Herrn Alijew Position bezogen. Das war ein Kampf, ich sage mal, zwischen zwei Menschen, mit denen man sich eigentlich im Westen überhaupt nicht gerne einlässt, weil man auch ganz schlecht irgendwie sagen kann, wer da wirklich im Recht war und was tatsächlich geheimdienstlich dort passiert ist und welche Taten auch vom Geheimdienst vielleicht vollbracht worden sind und welche Alijew wirklich zur Last gelegt werden konnten. Diese ganze Geschichte im Hintergrund ist ein riesiges Thema Information in Desinformation, wie ich es selten erlebt habe.
    Heckmann: Otto Schily weist es zurück. Sie aber behaupten, er habe versucht, auch den "Spiegel" zu instrumentalisieren. Auf welche Weise?
    Schmitt: Na ja. Er hat versucht, bei einem früheren "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo vorstellig zu werden. So zumindest legt das der interne Mail-Verkehr zwischen Schily und der Kanzlei Lansky nahe. Er hat versucht, zu überlegen, er hat gesagt, er stelle sich an die Speerspitze oder der "Spiegel" soll die Speerspitze einer Berichterstattung sein, die dann in Deutschland die Jagd auf Alijew eröffnen sollte. Es gab hier ein kleines Verfahren in Sachen Geldwäsche in Krefeld und das wollte man ordentlich aufpumpen, und wenn man ihm zumindest schon in Österreich nicht habhaft werden konnte, sollte er zumindest hier in Haft gehen.
    Heckmann: Auf welche Belege insgesamt stützen sich überhaupt Ihre Behauptungen?
    Schmitt: Wir stützen uns im Prinzip auf ein riesiges Daten-Konvolut von mehr als 700.000 Dokumenten, die durch ein Datenleck in der Kanzlei Lansky letztlich bei uns gelandet sind und die wir über Wochen ausgewertet haben.
    Heckmann: Gerhard Schröder dementiert deutlich. Ganz kurz zum Schluss noch. Wie glaubhaft sind diese Dementis, die jetzt auch von anderen Seiten kommen?
    Schmitt: Na ja. Ich meine, was man schwarz auf weiß besitzt. Die Dementis von Schröder halte ich für relativ schwach, weil er hat bereits einmal dementiert gegenüber uns und hat gesagt vor zwei Jahren, im Jahr 2012, er sei nie für Kasachstan tätig gewesen. Er musste dann seine Position räumen und sagte, ja, er war bei Treffen als Special Guest zumindest Zugange. Nach den Dokumenten, die wir kennen und die wir gesehen haben, die aus seiner Feder stammen, aus seiner Mail-Adresse stammen, geht eindeutig hervor, dass er durchaus bereit war, an diesem Beraterkreis teilzunehmen. Wenn er seinem Freund Gusenbauer schreibt, ich freue mich auf die Arbeit, oder wenn er schreibt, gerne bin ich bereit, zu den von Ihnen besprochenen Bedingungen Mitglied im internationalen Beraterkreis zu werden, so denke ich ist das relativ eindeutig.
    Heckmann: Jörg Schmitt ist einer von fünf "Spiegel"-Autoren, die die aktuelle Titelgeschichte des "Spiegel" geschrieben haben mit dem Titel "Die Verführung. Das Kasachstan-Komplott". Herr Schmitt, danke Ihnen für Ihre Erläuterungen.
    Schmitt: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.