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Katalonien
"Die Separatisten wollen die Abtrennung von Spanien"

Der Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer werde in Spanien vermutlich zu einer weiteren Polarisierung der Debatte über die Unabhängigkeit Kataloniens führen, sagte der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Spanien, Wilhelm Hofmeister, im Dlf. Darüber könne auch die Regierung Sanchez stürzen.

Wilhelm Hofmeister im Gespräch mit Philipp May | 12.02.2019
    Katalanen demonstrieren für die Unabhängigkeit in Barcelona (11.3.2018).
    Katalanen demonstrieren für die Unabhängigkeit in Barcelona. (AFP / Pau Barrena)
    Philipp May: Es war ein Thema, das Ende 2017 die internationalen Schlagzeilen beherrschte. Katalonien, die reiche Provinz mit der Hauptstadt Barcelona, sagt sich von Spanien los. Zuvor hatten die Separatisten, angeführt von Regionalpräsident Carles Puigdemont, ein von der Madrider Zentralregierung verbotenes Referendum abgehalten. Am Ende wird die Regionalregierung vom damaligen konservativen Regierungschef Rajoy entmachtet und führende Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung verhaftet.
    Hauptinitiator Puigdemont allerdings kann sich rechtzeitig ins EU-Ausland, nach Brüssel absetzen. Ab heute wird jetzt den zwölf verhafteten Separatisten der Prozess gemacht. Neun von ihnen drohen lange Haftstraften von 25 Jahren, denn der Vorwurf Rebellion wiegt schwer. Aber er ist auch umstritten, denn die Separatisten haben nie öffentlich zu Gewalt aufgerufen. So gleicht das Gerichtsgebäude heute in Madrid einer Festung. Spaniens Medien sprechen von einem Jahrhundertprozess. Am Telefon ist jetzt Wilhelm Hofmeister, Leiter des Madrider Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Guten Morgen, Herr Hofmeister!
    Wilhelm Hofmeister: Guten Morgen, Herr May!
    May: Ist das ein politischer Prozess, der da heute beginnt?
    Hofmeister: Es ist der Prozess um ein politisches Thema, das Spanien und Katalonien vor allem seit vielen Jahren bewegt und der versucht, die Ereignisse von 2017 juristisch aufzuarbeiten. Es ist kein politischer Prozess, sondern es geht um konkrete Anschuldigungen der Separatisten, der damaligen Angehörigen der Regionalregierung Katalonien, weil sie gegen verschiedene Bestimmungen der Verfassung und andere Gesetze verstoßen haben.
    "Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung haben Recht gebrochen"
    May: Also haben die Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung Recht gebrochen?
    Hofmeister: Sie haben Recht gebrochen, das bestreitet in Spanien im Grunde genommen niemand, selbst die Unabhängigkeitsbefürworter bestreiten das nicht.
    May: Aber wie sonst sollen Menschen einer Volksgruppe denn ihren Willen zur Unabhängigkeit demonstrieren, als gewaltlos über Parlamente und Abstimmung?
    Hofmeister: Die Frage ist, ob dieses Unabhängigkeitsbegehren, dem niemand in Spanien widerspricht, solange es politisch und im Rahmen der Gesetze vorgetragen wird, eben gewaltlos und im Rahmen der Gesetze befördert wird, oder ob man zur Förderung der Unabhängigkeit Recht und Gesetze nicht achtet. Und das haben die Unabhängigkeitsbefürworter gemacht.
    In Spanien kann jeder für die Unabhängigkeit Kataloniens oder anderer Regionen eintreten. Aber er muss Recht und Gesetz achten, das ist genauso wie in Deutschland.
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    Wilhelm Hofmeister, Direktor der Konrad-Adenauer Stiftung in Madrid. (Oliver Neuroth, ARD Madrid)
    May: Wie sehr wird denn das Urteil beziehungsweise der gesamte Prozess die Stimmung auf beiden Seiten beeinflussen?
    Hofmeister: Das wird wahrscheinlich zu neuen Polarisierungen und zu neuen Auseinandersetzungen zwischen den Separatisten und den anderen politischen Gruppierungen in Spanien führen. Die Gesamtgemengelage ist sehr gezeichnet durch verschiedene Spaltungen und Konflikte in Spanien.
    Es stehen nicht nur die Unabhängigkeitsbefürworter und Unabhängigkeitsgegner gegeneinander, sondern auch die politischen Lager überkreuzen sich. Und das macht das Ganze - das macht es sehr schwierig, eine politische Lösung für Katalonien zu finden.
    "Sanchez hängt im Parlament von den Separatisten ab"
    May: Jetzt hat es mittlerweile, wie wir wissen, einen Regierungswechsel gegeben, der Sozialist Pedro Sanchez hat Rajoy letztes Jahr über ein Misstrauensvotum gestürzt – mithilfe der katalanischen Separatisten im spanischen Parlament. Wie sehr hat das die politische Situation verändert?
    Hofmeister: Pedro Sanchez, der neue Ministerpräsident, hat zunächst versucht, das Problem politisch anzugehen, das heißt, er hat den Katalanen einen Dialog angeboten, er hat mit ihnen gesprochen. Aber die Separatisten rücken nicht ab von ihren extremen Forderungen. Sie wollen ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen, das von der spanischen Verfassung nicht vorgesehen ist. Dazu müsste es eine Verfassungsänderung geben. Die ist nicht absehbar. Und die haben andere Aktionen gestartet, um ihr Vorhaben voran zu bringen.
    Das Problem für Sanchez ist, dass er im Parlament abhängt von den Separatisten. Morgen soll über den Haushaltsentwurf der Regierung entschieden werden. Die Separatisten haben unterdessen angekündigt, dass sie ihn nicht unterstützen. Das würde bedeuten, dass Sanchez sehr wahrscheinlich in absehbarer Zeit Neuwahlen durchführen muss. Die Separatisten machen ihre Zustimmung zum Haushalt abhängig von einer Entscheidung, dass sie das Recht auf Selbstbestimmung erhalten. Das kann die Regierung nicht bewilligen, auch die Sozialisten, die große Mehrheit der Anhänger und Mitglieder der Sozialistischen Partei sind dagegen, Sanchez ist dagegen, das geht nicht.
    Und verschiedene andere Forderungen der Separatisten können von der Regierung nicht erfüllt werden. Und deswegen werden sehr wahrscheinlich die Separatisten, sofern sie nicht im letzten Moment einlenken, morgen den Haushalt ablehnen und Sanchez dadurch stürzen.
    Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (24.11.2018).
    Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (AP / Paul White)
    "Die Separatisten wollen die Spaltung, die Abtrennung von Spanien"
    May: Hat Sanchez denn bisher zu viele Konzessionen schon gemacht gegenüber den Separatisten?
    Hofmeister: Konkrete Konzessionen eigentlich nicht, denn es gab bisher Gespräche, es gab einige neue Investitionen in Katalonien. Und der neue Staatshaushalt stellt viele zusätzliche Investitionen in Katalonien in Aussicht und weitere soziale Leistungen, von denen auch Katalonien profitieren würde.
    Aber die Separatisten geben sich mit all diesen Leistungen und auch mit einigen Erweiterungen der ja ohnehin breiten Autonomie nicht zufrieden, sondern sie wollen die Spaltung, die Abtrennung von Spanien. Und das ist etwas, was keine spanische Regierung gewähren wird.
    May: Wie steht denn die spanische Bevölkerung mehrheitlich zum Konflikt? Möchte die Härte oder doch eher Ausgleich mit Katalonien?
    Hofmeister: Ich glaube, die Mehrheit der Spanier will keine Härte, aber sie lehnen die Unabhängigkeit ab. Das heißt, die Sozialisten und natürlich auch alle anderen Parteien sind gegen die Unabhängigkeit und werden den Katalanen keine Konzessionen machen.
    Deswegen stehen die Oppositionsparteien ja momentan auch besser da als die Regierung. Und selbst innerhalb der sozialistischen Partei gibt es viele Landesgruppierungen, die strikt gegen eine Unabhängigkeit und strikt auch gegen weitere Konzessionen an Katalonien sind.
    Eine Wahlveranstaltung der rechtsextremen Partei Vox im Oktober 2018 in Madrid
    Eine Wahlveranstaltung der rechtsextremen Partei "Vox" im Oktober 2018 in Madrid. (picture alliance/AP Photo/Manu Fernandez)
    May: Sie haben die Oppositionsparteien angesprochen. Der neue Chef der konservativen Volkspartei, Pablo Casado, hat am Wochenende Massendemonstrationen veranstaltet, und zwar gemeinsam mit dem Chef der ultrarechten Partei Vox. Sie sind ja Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU. Welches Gefühl löst das bei Ihnen aus?
    Hofmeister: Das ist ein Gefühl, das auch viele andere Leute in Spanien teilen. Das ist ein sehr gewagtes Spiel meines Erachtens der Volkspartei, die Rechtspopulisten mit ins Boot zu nehmen. Das wird sie nur aufwerten. Allerdings hat sich jetzt in Andalusien gezeigt bei den Regionalwahlen, dass es am Ende auf die Stimmen der Rechtspopulisten ankommt, wenn man eine Regierung unabhängig von den Sozialisten bilden will.
    In Andalusien hatten die Sozialisten abgewirtschaftet und es gab im Grunde genommen keine andere Möglichkeit, eine Regierung zu bilden als durch ein Zusammengehen der Zentrumspartei Ciudadanos, der Volkspartei und der Rechtspartei, der Rechtspopulisten, und die haben auch auf nationaler Ebene in den Umfragen eine Mehrheit. Eine andere Konstellation wäre eine lagerübergreifende Koalition. Aber leider ist der Ton in Spanien so vergiftet zwischen den beiden Lagern, dass das nur sehr schwer möglich ist.
    May: Herr Hofmeister, wir haben noch Zeit für eine Frage. Lange hieß es, Spanien sei im Gegensatz zu anderen Ländern Europas nicht so empfänglich für ultrarechte Parteien. Werden wir da gerade eines Besseren belehrt?
    Hofmeister: Ja, leider Gottes. Es sieht so aus, dass also Vox sich in den Umfragen stabilisiert. Vox wird auch durch den Prozess jetzt zusätzlich an Zustimmung gewinnen, weil die einer der Nebenkläger sind.
    Sie sind der einzige Partei-Nebenkläger und sind an dem Prozess unmittelbar beteiligt und werden sozusagen aus dem Gerichtssaal heraus mit ihren radikalen Positionen Wahlpropaganda in den nächsten Monaten machen.
    May: In Madrid beginnt heute der Prozess gegen zwölf führende Köpfe der katalanischen Separatistenbewegung. Ihnen droht wegen Rebellion bis zu 25 Jahre Haft. Einschätzungen waren das von Wilhelm Hofmeister, Leiter des Madrider Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Herr Hofmeister, vielen Dank!
    Hofmeister: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.