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Katalonien
Umstrittenes Streben nach Unabhängigkeit

Der katalanische Ministerpräsident Mas will durch ein Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erwirken. Spaniens Regierungschef Rajoy jedoch ist strikt dagegen. Und auch nicht alle Katalonier sind Separatisten.

Von Hans-Günter Kellner | 30.07.2014
    Ein Felsen im Meer vor der Küste Kataloniens, auf der eine katalanische Flagge im Wind weht.
    Die katalanische Flagge, die auf einem Felsen im Meer vor der Küste Kataloniens weht. (picture alliance / dpa / Alexei Danichev)
    Humoristen haben es derzeit leicht in Spanien. Xavier Sala i Martin, im Hauptberuf eigentlich Wirtschaftsprofessor, zeigt ein Foto von Spaniens Ex-König Juan Carlos bei der Elefantenjagd und rechnet die Kosten der medizinischen Eingriffe beim Monarchen vor. Xavier Sala i Martin plaudert über verurteilte spanische Wirtschaftsbosse oder auch über den Zusammenbruch der spanischen Banken. Das alles blühe den Katalanen, wenn sie sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens entscheiden, sagt der Humorist:
    Das Programm, bei dem katalanische Finanzskandale unerwähnt bleiben, hat großen Erfolg. Spanien hat derzeit einen schlechten Ruf. Und das nicht nur bei Separatisten.
    Forderungen für Katalonien
    "Spanien ist derzeit ein Desaster. Bei einem Brainstorming zum Wort Spanien fallen einem doch in erster Linie der Finanzskandal der Volkspartei, die Krise, Entlassungen oder Korruption ein."
    Das sagt Josep Ramón Bosch. Der Unternehmer ist Vorsitzender der Vereinigung "Katalanische Zivilgesellschaft", die sich gegen eine Unabhängigkeit ausspricht. Stattdessen hat die Vereinigung vor Kurzem bei einem Treffen mit Regierungschef Mariano Rajoy verlangt, Spanien müsse den Katalanen ein attraktives Projekt anbieten:
    "Spaniens Regierung muss sich bewegen. Bei der Finanzierung der Regionen und in der Sprachen-Frage. Rajoy hat sich unsere Vorschläge wohlwollend angehört. Wir haben ihm auch gesagt, dass wir einen positiven Diskurs über Spanien benötigen, der die Katalanen erreicht."
    Geplantes Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens
    Auch ein Umbau des Senats zu einer echten Regionalkammer und eine Reform der Verfassung steht auf der Forderungsliste der "Katalanischen Zivilgesellschaft". Themen, über die Rajoy bei seinem Treffen mit dem katalanischen Regierungschef Artur Mas wohl aber höchstens inoffiziell sprechen wird. Offiziell werde Artur Mas nicht vom geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens am 9. November abrücken - und Rajoy werde das Vorhaben ablehnen - mit der Begründung, dass dies einen Verfassungsbruch bedeuten würde. José Rosiñol, stellvertretender Vorsitzer des neuen Vereins, fasst zusammen:
    "Der Zug ist längst in Richtung 9. November abgefahren. Daran wird Mas festhalten. Und das Verfassungsgericht wird das für illegal erklären. Die Frage ist, was passiert danach? Geht es dann in Richtung einseitige Unabhängigkeitserklärung? Oder wird die Zentralregierung eine Alternative anbieten, die Mas es erlaubt, sich von dieser Entwicklung abzukoppeln? Das wird ab dem 9. November verhandelt werden. Dann wird man sehen, ob die Partei von Mas wirklich im Separatismus aufgehen möchte oder zum gewohnten gemäßigten Nationalismus zurückfindet."
    Propaganda für die Unabhängigkeit
    Rund 400 Mitglieder hat der Verein, sein Manifest gegen die Unabhängigkeit haben rund 16.000 Katalanen unterschrieben. Demgegenüber stehen Umfragen der katalanischen Regierung. Ihnen zufolge befürworten viereinhalb Millionen Katalanen die Unabhängigkeit. Für Josep Bosch eine Folge der offiziellen Propaganda:
    "Wir schätzen, dass in Katalonien rund 35.000 Menschen ausschließlich für den Unabhängigkeitsprozess arbeiten. Die Regionalregierung gibt dafür rund 100.000 Euro aus. Das reicht vom außenpolitischen Dienst Diplocat bis hin zu Organisationen wie dem Zentrum für ethnische Minderheiten. Diese Organisationen machen einen ohrenbetäubenden Lärm und erwecken den Eindruck, wirklich alle wären Separatisten."
    Regeneration Spaniens
    Der Unternehmer mag sich eine Trennung seiner Heimat von Spanien nicht vorstellen. Dem Geschichtsbild der Separatisten, nachdem Katalonien seit 1714 von einem feindseligen Spanien beherrscht wird, setzt er ein anderes entgegen: Schon im Römischen Reich sei Katalonien Teil des "Hispania Citerior" gewesen, Karl der Große habe schlicht von der „spanischen Mark" gesprochen. Seine politischen Wurzeln sieht Josep Bosch beim sogenannten Katalanismus. Dieser habe zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwar immer wieder die Autonomie Katalonien betont. Aber:
    "Der Katalanismus, in dessen Folge ich mich sehe, war auch eine Bewegung zur Regeneration Spaniens. Sie wollten aus Spanien eine moderne, europäische Industrienation machen. Katalonien war lange Zeit der industrielle Motor Spaniens, wir Katalanen waren angesehen. Warum soll jetzt nicht wieder die Regeneration Spaniens von Katalonien ausgehen?"