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Katar
Der Christen-Komplex

Der Wüstenstaat Katar erkennt die drei abrahamitischen Religionen an, also auch das Christentum. Die Kirchen wurden ins Industriegebiet der Hauptstadt Doha ausgelagert, abgetrennt durch eine Mauer. Die Gottesdienste sind gut besucht, aber man fühle sich wie im Gefängnis, klagen Geistliche.

Von Marion Sendker | 27.02.2018
    Ein Blick auf den bunten Altar der christlichen Kirche vor Doha
    Außerhalb von Doha stehen mehr als ein Dutzend Kirchen und ein paar Kapellen. Von außen wirken die Kirchen unscheinbar, innen zeigen sie Mut zur Farbe. (Deutschlandradio / Marion Sendker)
    Wer in Doha in eine Kirche will, muss raus aus der Stadt. Am Rande des Industriegebiets und neben dem einzigen großen Alkoholgeschäft in Doha, stehen seit 2005 christliche Kirchen. Alles was haram ist, also im islamischen Sinne unrein ist, wurde ausgelagert, raunt man in der Stadt. Fast 40 Kilometer von der schillernden Hauptstadt des Landes entfernt, zeigen nur wenige Straßenschilder den Weg zum "religiösen Komplex". Der Name für das viereckige Areal ist so karg wie die Wüstenumgebung selbst. Hier hat die Regierung den Christen des Landes einen Parkplatz hingesetzt und eine Mauer gebaut: Dahinter durften sie ihre Kirchen errichten.
    "Ich komme immer hierher. Jedes Wochenende zwei oder drei Mal, manchmal auch nur einmal."
    Sagt Jamal, ein Christ aus Indien. Er fährt meistens eine Stunde mit dem Auto, um von seiner Arbeit hierher zu kommen. Der Weg zur Kirche ist für viele Christen teuer und mühsam. Zeit ist schließlich Geld - das gilt vor allem in Katar, wo die Christen Immigranten und Arbeiter, vor allem aus Indien oder von den Philippinen, sind und das Geld zu ihren Familien schicken, die dringend auf die Unterstützung angewiesen sind. So wie Amy. Die 26-jährige Philippinin lebt seit einigen Monaten in Doha und fährt jede Woche zum Gottesdienst.
    "Für mich ist der Weg Teil meiner Hingabe. Die Entfernung ist Teil des Weges, Teil der religiösen Praxis. Und das ist okay, es stört mich nicht."
    Im Schnitt gibt es täglich 16 Gottesdienste in 14 verschiedenen Sprachen - von frühmorgens bis spätabends. Mittlerweile stehen dort mehr als ein Dutzend Kirchen und ein paar Kapellen. Bald soll auch ein maronitisches Gotteshaus gebaut werden. Dafür stehen an den Kircheneingängen kleine Spendendosen. Eine andere Einkommensquelle gibt es nicht. Der italienische Pater Vincenzo ist vor ein paar Monaten nach Doha gezogen und staunt noch immer über die Massen an Gläubigen, die kommen: Es sind jeden Tag ein paar Tausend.
    "Wir sind hier zehn Priester und jeder hat eine andere Sprache - so können wir die Menschen, die aus aller Welt herkommen, unterstützen. Es ist für sie gut, denn sonst gibt es keine andere Möglichkeit. Es gibt hier ja keine christliche Kommunikation, kein christliches Fernsehen und so weiter. Es gibt nur diese Kirchen. Und wenn die Menschen religiöse Begleitung möchten, dann müssen sie herkommen."
    "Es geht nicht um Religion, sondern um Sicherheit"
    Das katarische Recht basiert auf der Scharia und erkennt nur die drei abrahamitischen Religionen an - den Islam, das Judentum und das Christentum. Vom Islam aber zu konvertieren ist rechtlich mit Apostasie, also dem Abfall vom Glauben, gleichgesetzt. Darauf steht die Todesstrafe. Auch Evangelisierung ist verboten: Wer missioniert, muss ins Gefängnis. Es ist außerdem nicht erlaubt, religiöses Informationsmaterial zu verbreiteen oder Kreuze oder andere religiöse Symbole zu tragen. Deswegen findet man an den Kirchen in Doha auch keine großen religiösen Symbole. Die Gebäude sind schlicht und sandfarben - und damit ist die Kirchenstadt in der kargen Wüstenlandschaft so unsichtbar wie der christliche Glaube für die Öffentlichkeit. In Doha zu leben, ist für Pater Vincenzo ein Opfer - den religiösen Komplex nennt er ein "Gefängnis in der Wüste".
    "Wir können nicht rausgehen. Wenn wir zum Beispiel ein religiöses Treffen draußen abhalten wollen - dann geht das nicht. Wir dürfen auch nichts mit den Muslimen und den muslimischen Gemeinschaften machen. Es ist ihnen verboten, hineinzukommen."
    Ein Schild an einer Glastür in der Kirche vor Doha weist auf einen "Angels Room", einen Raum der Engel hin. Nur Frauen und ihren Kindern sei der Zutritt gestattet.
    Im Inneren des "Religiösen Komplexes" gibt es Zutrittsbeschränkungen (Deutschlandradio / Marion Sendker)
    Jeder, der rein will, muss sich durchsuchen lassen: Die erste Kontrolle findet schon vor dem Parkplatz statt. Am Eingang in das Areal stehen dann Metalldetektoren und Polizisten. Es ist wie am Flughafen, so Pater Vincenzo. Aber nicht jeder darf rein: Pater Vincenzo weiß zum Beispiel von einem Christen, der aufgrund seines muslimischen Namens abgewiesen wurde. Erst als er seine Taufurkunde vorzeigen konnte, durfte er eintreten. Bischof Camillo Ballin, der in Bahrain lebt, aber für die gesamte arabische Halbinsel zuständig ist, kann das nicht glauben.
    Er sagt: "Es ist nicht wie in Mekka verboten, es ist nicht so, dass ein Muslim nicht rein dürfte. Man hat aber Angst, dass die Moslems nur rein möchten, um Probleme zu verursachen. Das ist es. Aber nicht weil sie Muslime sind. Es geht nicht um Religion, sondern um Sicherheit."
    Muslime gehen eben nicht in Kirchen, fügt er hinzu. Die staatlich organisierten Sicherheitskontrollen am Eingang seien nichts Unübliches - auch in Rom und in anderen Städten würden Kirchen bewacht und Eintretende durchsucht, so der Bischof.
    "Die Maßnahme dient dazu, Christen vor terroristischen Angriffen zu schützen - nicht um Christen zu kontrollieren."
    Die Gläubigen sind vorsichtig
    Die katarische Verfassung garantiert den Menschen Religionsfreiheit - solange die Ausübung sich im Rahmen der öffentlichen Ordnung und des Anstandes verhält, heißt es. Die Christen in Doha nehmen das in Kauf. Etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, bemerkt Amy. Wie viele ist sie dankbar, überhaupt einen Ort für das Gebet zu haben.
    "Es ist schon so, als wären wir öffentlich ausgeschlossen. Aber wir wissen sehr zu schätzen, dass man uns diesen religiösen Komplex gegeben hat, wo wir unsere Messen feiern können und unseren Glauben leben dürfen."
    Die Gläubigen sind vorsichtig und halten sich an die Regeln, denn das religiöse Leben wird vom Staat beobachtet. Der Kontakt zur Regierung sei gut, sagt Bischof Ballin, er ist jedoch auf religiöse Themen allein beschränkt. Aus jeglichen politischen Angelegenheiten halten sich die Christen raus.
    Ballin sagt: "Unsere Aufgabe ist es, Christen heranzubilden und ein ernstes christliches Leben aufzubauen. Das ist es. Auf diese Art und Weise können wir eine bessere Gesellschaft bewirken. Wenn die Christen besser ausgebildet sind, sind sie auch bessere Bürger, bessere Arbeiter, bessere Angestellte."
    Für die Zukunft hofft Bischof Ballin, dass die Christen in Katar umziehen können: Denn der weite Weg zu den Kirchen ist für viele ein unüberwindbares Hindernis. Er hat deswegen vor einem Jahr ganz offiziell bei der Regierung um ein neues Grundstück gebeten. Bisher hat er auf sein Gesuch aber noch keine Antwort bekommen.