Donnerstag, 18. April 2024

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Kauflaune der Deutschen
Vom Volk der Sparer zum Volk der Konsumenten

Brexit, Handelskonflikt, Italien: Trotz wirtschaftlicher Risiken bleiben die deutschen Verbraucher gelassen und geben ihr Geld aus. Denn: Der Arbeitsmarkt brummt, die Jobaussichten sind gut. Und Sparen ist aufgrund der Nullzinspolitik der EZB auch keine Option.

Eva Bahner im Wirtschaftsgespräch mit Dirk Müller | 26.10.2018
    Menschenmenge in einer Kölner Fußgängerzone
    Shoppen statt Sparen - die Kauflaune der Deutschen bleibt ungetrübt (imago stock&people)
    Dirk Müller: Die Konjunkturaussichten weltweit und auch für Deutschland haben sich eingetrübt, viele Wirtschaftsforscher haben ihre optimistischen Prognosen vom Jahresanfang inzwischen etwas nach unten korrigiert, und auch in den Vorstandsetagen großer Unternehmen ist man vorsichtiger geworden – Frage an Eva Bahner aus der Wirtschaftsredaktion, wie sieht es bei den deutschen Verbrauchern aus?
    Eva Bahner: Die bleiben erstaunlich gelassen uns sind weiter bereit, Geld auszugeben. Die Kauflaune der Deutschen ist ungebrochen. Das Barometer der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg verharrt auf sehr hohem Niveau. Nach den Zahlen der GfK, ist die Anschaffungsneigung sogar nochmals gestiegen, also die Bereitschaft, auch größere Anschaffungen zu tätigen, sich ein neues Auto zu kaufen oder ein teures Sofa.
    Allein die Konjunkturerwartungen der Deutschen sind nicht mehr ganz so hoch und auch die Einkommenserwartung hat sich etwas abgesenkt im Vergleich zum letzten Monat, die Konsumenten gehen aber nach wie vor davon aus, sagte mir Konjunkturforscher Rolf Bürkl von der GfK, dass die Deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr noch auf einem soliden Wachstumspfad bleiben wird und dementsprechend wird Geld ausgegeben – und Bürkl erwartet auch nicht, dass sich das in den kommenden Monaten spürbar ändert. Und das GfK-Konsumklima deckt sich in etwa auch mit den Erwartungen des Einzelhandelsverbands.
    Sparen lohnt sich kaum
    Müller: Woher nehmen die deutschen Konsumenten denn die Zuversicht, dass es gut weiter geht?
    Bahner: Das habe ich den Konsumforscher Bürkl auch gefragt und er erklärt sich diese Zuversicht mit den unverändert guten Rahmenbedingungen in Deutschland, sprich der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt. Entscheidend für das Konsumverhalten ist die Frage: Wie sicher ist mein Job? Und da fühlen sich die Deutschen offenbar sehr sicher, die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Zahl der offenen Stellen nach wie vor hoch, und auch die Chancen seien gut, durch Tarifabschlüsse noch mehr rausholen zu können, dass am Ende real mehr übrig bleibt – trotz der Inflationsrate, die ja inzwischen bei über 2 Prozent liegt. Dazu kommt – auch das ist wichtig: Sparen ist keine Alternative in Zeiten der Nullzinsen, die ja mindestens bis in den nächsten Sommer hinein bei nahe null bleiben werden, das hat die EZB gestern bestätigt. Da haben sich die Deutschen in den Jahren nach der Finanzkrise grundlegend gewandelt von einem Volk der Sparer und zu einem Volk der Konsumenten. Die Sparneigung, das zeigen die GfK-Zahlen ist im Oktober nochmal nach unten gegangen, die Anschaffungsneigung gestiegen, vor allem weil die Angst vor Arbeitsverlust derzeit gering ist.
    Konsum stützt die deutsche Wirtschaft
    Müller: Was bedeutet die gute Verbraucherstimmung denn nun für das Wirtschaftswachstum insgesamt?
    Bahner: Die deutschen Konsumenten stützen nicht nur den Einzelhandel, sondern die Konjunktur insgesamt, die gute Verbraucherstimmung wirke schon jetzt stabilisierend, sagt der Konsumforscher Bürkl, der private Konsum, dazu gehören auch Ausgaben für Reisen, für Wellness, für die Gesundheit, macht inzwischen über 55 Prozent aus am Bruttoinlandsprodukt. Und dieser konstant bleibende private Konsum gleicht inzwischen auch starke Schwankungen aus bei den Investitionen der Unternehmen aus, die ja doch empfindlicher reagieren auf drohende Risiken, auf den bevorstehenden Brexit oder auch den Handelskonflikt zwischen den USA und China. Die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft hat einen merklichen Dämpfer erhalten, vor allem im Maschinenbau, in der Metallindustrie und in der Autoindustrie. Und da könnten die Konsumenten das Ende der Hochkonjunktur merklich abfedern.