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"Kein zündender Funke im Wahlkampf"

Die Medienanstalten können nicht mangelnde Gedankenarmut und mangelnde Kontroverse im Wahlkampf mit Sondersendungen ersetzen, so der Medienberater Michael Spreng. Wahlsendungen hätten in erster Linie die Funktion, Anhänger zu bestärken und zu mobilisieren, an der Wahl teilzunehmen.

Michael Spreng im Gespräch mit Friedbert Meurer | 12.09.2013
    Friedbert Meurer: Viele sagen, das ist der langweiligste Wahlkampf für eine Bundestagswahl, den es jemals überhaupt gegeben hat. Sie schwärmen dann von 1972 oder 1976, den großen Schlachten um die Ostpolitik. Politik gilt heute eher als langweilig: Die Bürger wenden sich ab und geben den Politikern die Schuld daran, was vermutlich etwas kurz gegriffen ist. Noch steht aber nicht fest, wie hoch oder niedrig überhaupt die Wahlbeteiligung in zehn Tagen wirklich sein wird. Die Fernsehanstalten behandeln die Wahl als ganz großes Thema, zum Beispiel gestern Abend in der ARD.

    Michael Spreng ist Politikberater, war Chef der "Bild am Sonntag", hat Edmund Stoiber im Wahlkampf beraten und vieles mehr. Jetzt betreibt er einen Blog mit dem doppeldeutigen Namen "Sprengsatz". Guten Tag, Herr Spreng!

    Michael Spreng: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Dutzende von Wahlsendungen im Fernsehen, auch bei uns im Radio. Wird der langweilige Wahlkampf dank der Medien doch noch lebendig?

    Spreng: Ich befürchte nicht, weil diese Wahlsendungen sind alle sehr verdienstvoll, um das Interesse zu wecken, um Leute zu mobilisieren, zur Wahl zu gehen. Aber dadurch wird der Wahlkampf ja nicht spannender. Wenn die großen kontroversen Themen fehlen, wenn die Kanzlerin sich auch der Kontroverse verweigert, dann entsteht kein zündender Funke im Wahlkampf, und deswegen können auch die ganzen Sondersendungen nur ein Abbild des bisherigen Wahlkampfs sein.

    Meurer: Würden Sie sagen, die Sender können sich das Geld sparen für ihre Sendungen?

    Spreng: Nein! Ich meine, es ist ja auch eine gewisse staatsbürgerliche Pflicht, die Wahl so attraktiv wie möglich zu machen, dass die Wahlbeteiligung möglichst hoch ist. Aber die Sender können nicht mangelnde Gedankenarmut und mangelnde Kontroverse im Wahlkampf ersetzen.

    Meurer: Eine Polarisierung gibt es nun mal in Deutschland nicht, das können die Fernsehanstalten auch nicht herbeizaubern. Aber man kann die Frage stellen: Beeinflussen solche Sendungen die Wahlentscheidung und das Wahlergebnis?

    Spreng: Ich glaube schon. Es ist ja immer die Rede von den Last-minute-Wählern, die sich sehr spät erst entscheiden. Aber ich glaube, dass die meisten Wähler doch jetzt schon festgelegt sind, auch wenn sie es vielleicht noch nicht so deutlich sagen wollen. Die Wahlsendungen haben in erster Linie die Funktion, Anhänger zu bestärken und zu motivieren, auch zur Wahl zu gehen, insgesamt zu mobilisieren, an der Wahl teilzunehmen. Aber dass jetzt ein Wechsel zwischen den Lagern noch entsteht, das glaube ich nicht. Im Augenblick geht es mehr darum, dass innerhalb der Lager sich noch die Gewichte verschieben.

    Meurer: Und das kann ja ziemlich entscheidend sein, ob es wieder Schwarz-Gelb gibt beispielsweise.

    Spreng: Ja.

    Meurer: Wer hat für Sie vor den Kameras die bessere Figur gemacht bisher, Angela Merkel oder Peer Steinbrück?

    Spreng: Sagen wir so: jeder auf seine Weise. Angela Merkel mehr in dem Stil als Präsidialkanzlerin, Königin von Deutschland, die mit ruhiger Hand verspricht, es geht so ruhig für die Wähler weiter, und Peer Steinbrück, der seit dem Duell durchaus mehr ankreist und etwas Belebung in den Wahlkampf gebracht hat. Aber der Herausforderer muss halt deutlich besser sein. Gleich gut oder gleich schlecht reicht nicht für einen Herausforderer in einer Lage, wo es keine Wechselstimmung gibt.

    Meurer: Herr Spreng, hätten Sie als Berater der Kanzlerin auch Valium als Hauptwahlkampfmittel empfohlen?

    Spreng: Ja gut, als Wähler finde ich es furchtbar natürlich, aber als Berater könnte ich das verstehen, denn Frau Merkel ist ja mit dieser Art der sogenannten asymmetrischen Demobilisierung, deren Ziel es ist, die gegnerischen Wähler von der Wahl fernzuhalten, war sie ja auch 2009 erfolgreich, wenn auch auf niedrigem Niveau, und sie wiederholt dieses Rezept. Der Pferdefuß der Geschichte, die Achillesferse ist, dass es am Ende passieren kann, dass auch die eigenen Wähler nicht ausreichend mobilisiert werden. Deswegen hat ja jetzt die CDU/CSU noch das Thema Rot-Rot-Grün erfunden in der Schlussphase, um die eigenen Anhänger doch noch zu mobilisieren.

    Meurer: Thema die Grünen, picken wir die noch zum Schluss des Gesprächs ganz kurz heraus. Die Umfragen sagen, die Grünen werden Probleme haben, überhaupt an die zehn Prozent zu kommen – Stand heute. Ihre Antwort lautet darauf, die Grünen sind selbst schuld, weil sie sich an die SPD so gekettet haben. Warum glauben Sie das?

    Spreng: Ja, das ist einer der Gründe. Die Grünen haben sich keinen Spielraum verschafft. Es gibt ja durchaus auch einen wertkonservativen Teil der Grünen und Schnittmengen zur CDU, das ist völlig ausgeblendet. Es geht nur noch um Rot-Grün, sie machen gemeinsame Pressekonferenzen. Also sie werden entweder mit der SPD gemeinsam siegen, oder mit ihr gemeinsam verlieren. Sie haben sich den Spielraum selbst verengt, das ist einer der Gründe. Die anderen Gründe sind natürlich, dass sie auf einem falschen Spielfeld spielen, nämlich auf dem Spielfeld Steuererhöhungen und Mindestlohn und andere Themen. Das können aber SPD und Linkspartei besser.

    Meurer: Zehn Tage noch bis zur Bundestagswahl, die Fernsehsender, die Medien berichten natürlich, und über all das habe ich gesprochen mit dem Politikberater Michael Spreng. Danke und auf Wiederhören!

    Spreng: Ich danke auch.


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