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Keine Gelben Engel
ADAC räumt weitere Manipulationen ein

Der Skandal um gefälschte Zahlen beim ADAC-Autopreis "Gelber Engel" hat größere Dimensionen als bislang angenommen. Ex-Kommunikationschef Michael Ramstetter schönte nach eigener Aussage nicht nur 2014, sondern auch die Jahre zuvor die Umfrageergebnisse.

Von Michael Braun | 20.01.2014
    Eine Kamera steht bei der Preisverleihung des ADAC vor einem Logo mit dem "Gelben Engel".
    Der ADAC übt sich in Schadensbegrenzung. Der Kommunikationschef des Clubs sei allein verantwortlich, heißt es. (dpa / picture-alliance / Tobias Hase)
    Natürlich kriegt’s der Club jetzt dicke: Bundesverbraucherminister Heiko Maas sagte heute, das Vertrauen der Autofahrer in den ADAC habe gelitten. Wer mit seinen Bewertungen Einfluss auf das Kaufverhalten ausübe, habe eine besondere Verantwortung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Und auch für die Märkte. Denn auch Autoanalysten schauten namens ihrer Kunden, der Anleger, auf die Pannenstatistik des ADAC, Jürgen Pieper etwa, Autoanalyst vom Bankhaus Metzler:
    "Ich habe mir den ADAC mit seinen verschiedensten Statistiken auch immer wieder angeschaut. Es ist eine der wichtigsten Institutionen in Deutschland, die mit dem Auto ganz allgemein zu tun haben. Und insbesondere die Pannenstatistik ist etwas immer gewesen, worauf man sich verlassen hatte, worauf man sich gestützt hat und die auch stark beachtet worden ist."
    Deshalb übt sich der ADAC nun in Schadensbegrenzung. Der Kommunikationschef des Clubs sei allein verantwortlich, er habe einen "unverzeihlichen Fehler", den Geschäftsführung und Präsidium nicht für möglich gehalten hätten. So am Nachmittag ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair:
    "Wir haben hier ganz klar einen Hauptverantwortlichen für diese Geschichte, der das auch sehr spät, sehr, sehr zu spät und viel zu spät eingestanden hat. Wir werden ganz besonders transparent sein, wenn der ADAC mit Zahlenmaterial, mit Tests, mit Auswertungen nach außen geht. Wir entschuldigen uns für das Bild, das wir in der Öffentlichkeit abgegeben haben."
    Die Autoindustrie will die Zusammenarbeit mit dem ADAC nicht aufkündigen. Von BMW hieß es, der Konzern erwarte und begrüße die angekündigte "lückenlose Aufklärung". Ein VW-Sprecher sagte, der Club solle die Möglichkeit bekommen, die Sache "rückhaltlos aufzuklären". Die Industrie weiß, was sie mit dem ADAC verlieren würde – einen oft hilfreichen Mitstreiter in der Lobbyarbeit. Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Bergisch Gladbach:
    "Der ADAC gilt als großes Sprachrohr der Autofahrer, wenn man so will, als Autofahrerlobby, und hat auch in der Vergangenheit diese Rolle, ja, nicht nur ausgefüllt, sondern eben auch als sehr wichtig erachtet. Entsprechend hat man Politiker auf bestimmte Aussagen festgenagelt."
    Die Macht dazu hat er nicht nur den gut 18 Millionen Mitgliedern zu verdanken. Der Club kann sich die Ausübung von Macht auch wirtschaftlich leisten.
    Er betreibt eine Autovermietung, Reisebüros, Versicherungen, bietet Kreditkarten, Sparpläne und Autokredite an – da wirkt der Club wie eine Bank. Der ADAC macht vor, was Kundenbindung ist, hat etwa mit Mineralölgesellschaften Rabatte für seine Mitglieder ausgehandelt. Für nahezu jede Dienstleistung gibt es Tochterunternehmen: 31 waren es 2012, die in der Bilanz der "ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH" zusammengefasst wurden. Deren Umsatzerlöse betrugen zuletzt gut eine Milliarde Euro, knapp so viel wie etwa der Brillenkonzern Fielmann. Und sie erzielte eine Umsatzrendite von gut acht Prozent – ein stolzes Ergebnis.
    Damit nicht genug. Denn der Verein nimmt zusätzlich jährlich etwa eine Milliarde Euro an Beiträgen ein. Ein Drittel davon gibt er für Pannenhilfe, Luftrettung und die Notrufzentralen aus. Damit hat er seinen Ruf aufgebaut. Der hat jetzt gelitten.