
Wer Bäume mag, muss sich einmal mehr Sorgen machen um die geliebten Gewächse: Denn im März, April und Mai hat es in weiten Landesteilen Deutschlands viel zu wenig geregnet - 58 mm Regen, nur rund ein Drittel der üblichen Regenmenge in einem Frühjahr in Deutschland. Diese Trockenheit schadet der Natur – und damit auch Bäumen.
Was also ist zu tun, um die Auswirkungen von Trockenheit auf Bäume zumindest zu mildern? An dieser Stelle kommt ausgerechnet eine Instanz ins Spiel, die eher einen schlechten Ruf hat, wenn es um Nachhaltigkeit und Klima geht: Künstliche Intelligenz.
Bäume wässern - und dabei Wasser sparen
Das überrascht umso mehr, als dass gerade der Wasserverbrauch von KI-Software gewaltig ist. Das Wasser wird vor allem zum Kühlen der gigantischen Rechenzentren gebraucht, was vor allem in wasserarmen Gegenden und für die Umwelt ein Problem darstellt. Doch es gibt Projekte, die zeigen, dass KI und Engagement für Natur und Gemeinwohl durchaus einher gehen können.
Beim Projekt Quantified Trees geht es darum, eine Bewässerungsvorhersage für Stadtbäume zu entwickeln, damit diese gezielt und möglichst wassersparend in Dürrezeiten gegossen werden können.
Dazu wurden etwa 100 internetverbundenen Sensoren an Berliner Bäumen angebracht. Sie erfassten die sogenannte Bodenwasserspannung, also den Trockenheitsgrad der Erde, dazu Informationen über den jeweiligen Baum. Zusätzlich wurden Wetterdaten wie Regenfälle oder Luftfeuchtigkeit berücksichtigt. Auf dieser Grundlage konnte dann genau ermittelt werden, wann ein Baum gegossen werden muss und wieviel Wasser er braucht – Informationen, die das Grünflächenamt über ein Dashboard abrufen konnte. Deren Mitarbeiter wussten daher, wann sie mit dem ganz großen oder eben etwas kleineren Kanister losziehen mussten. So konnten bei einzelnen Bäumen etwa 150 Liter Wasser beim Gießen eingespart werden – eine beachtliche Menge in einer Zeit, in der Wasser knapper wird.

Gleich mitentwickelt wurde die App Baumblick. Über sie können Baumliebhaber und andere Interessierte erfahren, wie es den Stadtbäumen geht – und ob die ausreichend mit Wasser versorgt sind. Dadurch, so der Gedanke der Entwickler, entsteht auch der pädagogische Effekt, dass Bürger und Bürgerinnen etwas über die Bäume in ihrer Umgebung und deren Bedürfnisse lernen.
Open Source: zugänglich für alle, die damit arbeiten wollen
Quantified Trees basiert auf einem Open Source Code - ist also frei zugänglich. Das KI-Modell nutzt bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich offene Daten. So lässt sich das Projekt problemlos auch für andere Kommunen umsetzen. Essen, Osnabrück und Frankfurt haben bereits Interesse gezeigt.
Das Projekt endete 2024 allerdings, es gab keine Anschlussförderung. Die Gründe, laut dem Abschlussbericht: die „restriktiven regulatorischen Rahmenbedingungen in der Informations- und Kommunikationstechnik des Landes Berlin und die damit zusammenhängenden Prüf und Freigabeverfahren.“
Pflanzenschnitt oder Müll-Erkennung
Doch die Möglichkeiten für gemeinwohlorientierte KI enden damit natürlich nicht. Weitere Modelle zeigen, wie vielfältig deren Einsatzmöglichkeiten sind. Da gibt es das Projekt Big Eye von der DB AG. Aus Videos entlang von Bahnstrecken erkennt eine Künstliche Intelligenz, wann Grünflächen entlang der Gleise zurückgeschnitten werden müssen, damit die Schienen nicht überwuchert werden. Was nach überordentlichem Gärtnern klingt, soll aber vor allem Unkrautvernichtungsmittel einsparen, wie auch Einsätze mit LKW und schweren Geräten minimieren - und daher umweltfreundlich wirken.
Eine App der Hochschule Wolfsburg soll es dagegen erleichtern, Müll zu trennen und zu entsorgen. Studierende trainieren sie mit Fotos von Objekten wie Zigaretten, Kochtöpfen oder Autobatterien – während die App Hinweise zu Entsorgungsstellen, Reparaturcafés oder Second Hand Shops erarbeitet.
Gemeinwohlorientierte KI - ein Begriff, viele Aspekte
Die Beispiele zeigen, dass sich Künstliche Intelligenz gut für Ziele einsetzen lässt, die für viele Menschen einer Gemeinschaft oder eines Staates von Vorteil sind - anstelle den Gewinn von wenigen großen Akteuren zu mehren.
Doch bislang sind es nur einzelne Projekte, die KI und Umweltschutz zusammenbringen - von denen viele nach einer Projektphase wieder eingestellt wurden, weil die Förderung ausblieb.
Tatsächlich wird KI bislang aber eher profitorientiert eingesetzt. So könnte beispielsweise OpenAI, das Unternehmen hinter dem wohl bekanntesten Chatbot ChatGPT, in diesem Jahr einen Umsatz von rund 12,7 Milliarden Dollar erzielen.
Um dagegen als gemeinwohlorientiert zu gelten, müsste Künstliche Intelligenz verschiedene Kriterien erfüllen: faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung für die Menschen, die an KI-Produkten arbeiten oder KI trainieren beispielsweise. Oder transparente Produktions- und Lieferketten, damit umwelt- und menschenrechtsschädigende Praktiken ausgeschlossen werden.
Dazu kommen Datenschutz, die Möglichkeit von allgemeiner Teilhabe, die Nutzung von erneuerbaren Energien sowie ein generell möglichst nachhaltiger Umgang mit Energie und Wasser – ein besonders wichtiger Punkt, da der Energie- und Wasserverbrauch gerade von KI so enorm ist.
Public AI braucht nachhaltige Finanzierung
Damit sich gemeinwohlorientierte KI durchsetzen kann, braucht es die richtige Infrastruktur: Daten zum Trainieren, Fördergelder, Entwicklerinnen und Entwickler, die dafür bezahlt werden. Diese Rahmenbedingungen bereitzustellen, sei auch Aufgabe der Politik, sagt beispielsweise Theresa Züger, die das AI & Society Labs am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft leitet. „Wir brauchen im Grunde ein ganzes Ökosystem“, sagt sie und meint: Finanzierungsstrukturen und einen langen politischen Atem, um gemeinwohlorientierte KI-Projekte aufzubauen und auch zu erhalten.
Rahmenbedingungen - Aufgabe für die Politik
Für die NGO AlgorithmWatch zählt vor allem, dass die Politik die richtigen Regelungen vorgibt. Sie hat eine Agenda für eine gemeinwohlorientierte KI erarbeitet, die gerecht und nachhaltig für Mensch und Umwelt sein soll. Für die Policy & Advocacy Managerin Pia Sombetzki von AlgorithmWatch zählt dazu beispielsweise ein nationales KI-Transparenzregister, in dem Bürgerinnen und Bürger nachschauen können, an welcher Stelle eine KI für welche Entscheidungen eingesetzt wurde. Auch die Frage nach dem Verbrauch von Ressourcen ist für sie wichtig. Hier müsse der Staat Regeln für die Nachhaltigkeit von KI vorgeben. Missbrauch müsse stärker bekämpft und der Schutz vor Diskriminierung gestärkt werden.
Einig sind sich Theresa Züger und Pia Sombetzki in einem Punkt: KI ist nur ein kleiner Teil der Lösung eines Projektes. Gerade wenn es um das Gemeinwohl geht, kommt es vielmehr darauf an, was die Menschen tun. Auf die Gemeinschaft, die die mächtigen Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz in die Hand nimmt – und entscheidet, wozu sie eingesetzt werden. Es liegt also – an uns!
csh