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Kinderbuchautorin Kate DiCamillo
"Die Geschichte ist klüger als ich"

Tiere als Protagonisten, vibrierender Humor, aber auch Traurigkeit, eine gewisse Lakonie, Hintergründiges - all dies macht die Bücher von Kate DiCamillo aus. Im DLF sagte die amerikanische Autorin, man dürfe nicht so tun, als ob Kinder nicht mitbekämen, was um sie herum passiere. Ihre Bücher handelten daher sowohl von der Schönheit als auch vom Dunkel des Lebens.

Kate DiCamillo im Gespräch mit Tanya Lieske |
    Kate DiCamillo sitzt auf einem Stuhl und lächelt in die Kamera.
    Kate DiCamillo wurde 1964 in Pittsburgh / USA geboren und wuchs in Florida auf. (dtv / Catherine Smith)
    Tanya Lieske: Ein Porzellanhase auf einer langen Reise um die Welt. Ein Mäuserich, der sich unsterblich in eine Prinzessin verliebt. Ein Hund, der dringend ein Zuhause braucht. Oft hat man es bei der amerikanischen Autorin Kate DiCamillo mit Tieren zu tun, und immer gelingt es ihr, nach verzwickten Lebensgeschichten ein glückliches Ende herbeizuführen.
    "Die wundersame Reise von Edward Tulane", "Despereaux, von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen", "Winn Dixie" - das sind Erfolgstitel von Kate DiCamillo, die sich in viele Länder der Welt verkauft haben. Jetzt gibt es ein neues Buch, es heißt im Deutschen "Little Miss Florida".
    Kate DiCamillo, in vielen Büchern Tiere die Protagonisten. Erzählen Sie mir etwas über die Bedeutung von Tieren in Ihrem erzählerischen Kosmos?
    Kate DiCamillo: Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Buch geschrieben, in dem es nicht um Tiere geht. Das wird langsam sogar ein bisschen peinlich. Aber die Tiere tauchen einfach immer wieder auf! Das muss was damit zu tun haben, dass wir Menschen die Tiere einfach so gerne haben. Für uns als Leser ist es wohl so, dass wir unser Herz schneller öffnen, wenn es um Tiere geht. Wir öffnen uns Tieren eher als den anderen Menschen.
    Lieske: Vor allem Kinder öffnen sich Tieren gegenüber. Es gibt aber auch Tiere mit menschlichen Eigenschaften. Wissen Sie vorher immer, welche Art von Tier bei Ihnen auftaucht?
    DiCamillo: Das weiß ich vorher nie, und ich plane es auch nicht. Wie genau das Tier in meiner Geschichte tickt, davon lasse ich mich genau so überraschen wie meine Leser. Die Geschichte scheint mehr zu wissen als ich selbst. Mein Job ist es, mich rar zu machen und der Logik der Geschichte zu folgen.
    Lieske: Lassen Sie uns über Edward Tulane sprechen. Er ist ein Porzellanhase, er gehört einem Mädchen, aber sein Thema ist, er liebt nicht. Er muss die Liebe lernen und auf dem Weg Schreckliches erfahren. Es ist eine sehr harte Lektion, er trifft auf seiner Reise Menschen, die ihn sehr schlecht behandeln. Am Ende landet er sogar auf dem Müll. Erzählen Sie mir etwas über die Moral in Ihrem Werk.
    "Die Geschichte ist ein Geschenk an mich"
    DiCamillo: Es gibt tatsächlich so was wie eine Lebensmoral in dieser Geschichte, ein besseres Wort dafür fällt mir auch nicht ein. Aber es gilt auch hier wieder: Die Geschichte ist klüger als ich. Einen Großteil von der Weisheit, die in diesem Buch steckt, kann ich auch erst hinterher sehen. Wenn die Kritiker dann über meine Bücher schreiben, fange ich manchmal erst an zu verstehen, was meine Geschichten bedeuten und wie die einzelnen Teile zusammenhängen. Ich hatte es mir aber ganz bestimmt nicht vorgenommen, irgend jemandem eine Lehre zu erteilen. Ich bin mir sicher, das wäre gründlich schief gegangen.
    Lieske: Sie sagen mir mit anderen Worten, die Geschichte ist größer als Sie. Sie haben auch nicht immer den ganzen Überblick. Welche Weltsicht steht dahinter?
    DiCamillo: Gute Frage. Wenn ich schreibe, fühlt sich das für mich an, wie eine spirituelle Übung. Und es gibt mir diese Gelegenheit, mich mit Etwas zu verbinden, was größer ist als ich. Ich stelle dann nicht zu viele Fragen, ich verlasse mich dann auch auf harte Arbeit. Und ja, auch auf meinen Glauben, von dem brauche ich immer eine gute Portion.
    Lieske: Glaube im traditionellen, im christlichen Sinn?
    DiCamillo: Glaube - ja, da ist was dran. Aber es ist noch ein bisschen komplexer. Der Glaube ist ein wunderbares Geschenk an mich. Es ist meine Verantwortung, mich dem zu stellen, ich muss dann wahrhaftig sein. Und auch die Geschichte ist ein Geschenk an mich, und dieses Geschenk muss ich würdigen.
    Lieske: Man merkt es auch daran, dass ihre Geschichten immer gut ausgehen. Ich möchte trotzdem noch mal auf Edward Tulane zurück kommen. Ich habe auch ein bisschen an die Welt der Märchen gedacht und zwar eher an Anderson als an die Gebrüder Grimm. Stimmt das so?
    DiCamillo: Ja, der Einfluss ist bestimmt da. Mich ehrt das sehr, wenn Sie mich in einem Zug mit diesen Autoren nennen. Anderson und die Grimm Brüder haben eine große Rolle gespielt in meiner Kindheit. Auf diese Bücher beziehe ich mich immer wieder, um dieses flüchtige Etwas zu erhaschen, diese tiefe Verbindung zu dem, was da draußen größer ist, als ich. Ja, ich beziehe mich auf diese Vorbilder.
    "Lange habe ich nur geträumt, bevor ich wirklich losgelegt habe"
    Lieske: Sie sind 1964 in Philadelphia geboren, zogen mit fünf um nach Florida, arbeiteten als Buchhändlerin in Minnesota und begannen zu schreiben, weil sie die Sonne von Florida vermisst haben, das BuchWinn Dixie. Was sonst muss man von der Künstlerin Kate DiCamillo wissen? Erzählen Sie mir etwas über die Kate DiCamillo vor dem Schreiben.
    DiCamillo: Etwas über mich, bevor ich angefangen habe zu schreiben? Gute Frage. Es gibt immer noch diese Primärperson in mir, das ist die Leserin Kate DiCamillo. Als Kind und als erwachsene Person bin ich jemand, der nicht ohne Bücher auskommen kann. Ich muss so Anfang zwanzig gewesen sein, als ich mir überlegt habe: Ok, ich werde Schriftstellerin. Dann habe ich aber viel Zeit damit verbracht, nicht zu schreiben. Ich habe einfach in diesem Traum gelebt, in dieser Vision vom romantischen Schriftstellerleben. Richtig angefangen habe ich dann mit dem Schreiben an meinem dreißigsten Geburtstag. Lange habe ich nur geträumt, bevor ich wirklich losgelegt habe.
    Lieske: Wie haben Sie den Anfang gefunden?
    DiCamillo: Wohl durch die Erkenntnis, dass ich den Rest meines Lebens weiter von dieser Sache träumen würde, die ich so gerne tun wollte. Und dass ich dann auf einmal 60 oder 70 Jahre alt wäre, und mir immer noch sagen würde, ich glaube, ich kann das, ich müsste das mal versuchen! Dann, mit Dreißig , habe ich angefangen zwei Seiten pro Tag zu schreiben. Und das mache ich auch heute noch so. Ich setze mich hin und produziere zwei Seiten, jeden Tag.
    "Diese Sechsjährige ist Teil der Person, die heute schreibt"
    Lieske: Viele Ihrer Protagonisten sind Waisen oder Halbwaisen oder haben einen Verlust erlitten. Wieso ist Ihnen dieses Motiv der verlorenen Elternschaft so wichtig?
    DiCamillo: Das ist wieder so eine Sache, über die ich mir unterwegs keine Rechenschaft ablege. Einer meiner Schreiblehrer hat mal gesagt: Das passiert eben hinter unserem Rücken. Aber, je älter ich werde, umso mehr spreche ich ja auch über mein Schreiben. Ich glaube, das Waisenmotiv wurzelt in meiner Herkunftsfamilie.
    Mein Vater hat diese Familie verlassen als ich sechs Jahre alt war. Etwas, was einfach passiert war. In mir steckt noch die Sechsjährige, die diese Frage immer wieder hin- und herwendet. Diese Sechsjährige ist Teil der Person, die heute schreibt.
    Lieske: Und Ihr Vater ist nie wieder aufgetaucht?
    DiCamillo: Ich habe ihn besucht, er hat uns besucht, wir haben nie wieder zusammen unter einem Dach gelebt. Er war so etwas wie eine quecksilbrige Präsenz, man konnte sich einfach nicht auf ihn verlassen.
    Lieske: Was uns zu Ihrem neuen Buch bringt: "Little Miss Florida". Es ist an der Oberfläche eine Freundschaftsgeschichte, es gibt die Mädchen Beverly, Louisiana und Raimie. Was treibt diese drei Mädchen an?
    DiCamillo: Alle drei Mädchen sind vaterlos. Zuerst trifft man Raimie, sie hat sich für diesen Wettbewerb zur Little Miss Florida angemeldet, mit der Hoffnung, dass ein Foto von ihr in die Zeitung kommt. Ihr Vater würde das dann lesen, und er würde wieder nach Hause kommen. Das zweite Mädchen heißt Louisiana, sie steckt in einer prekären Situation. Sie lebt bei ihrer Großmutter, die Eltern sind tot, sie hat kein Geld, und deshalb muss sie diesen Wettbewerb gewinnen. Schließlich Beverly, auch hier fehlt der Vater, sie hat eine große Wut, aber sie ist auch ein einfühlsames Mädchen.
    Lieske: Alle drei haben gute Gründe, diesen Schönheitswettbewerb für Mädchen zu gewinnen. Alle drei wollen aber auch Freunde sein, und das ist sozusagen der Untergrund, aus dem heraus Spannung, Konkurrenz, aber eben auch die Möglichkeit von Freundschaft entsteht. Ein Konflikt also, was ist die Antwort der Drei?
    DiCamillo: Ihre Antwort auf den Wettbewerb und die Konkurrenz ist die, dass sie sich einander zuwenden und ihr Herz öffnen. Statt gegeneinander anzutreten, arbeiten sie zusammen. Das ist eine unbewusste Entscheidung, es passiert einfach, und irgendwann gehen sie Hand in Hand. Sie retten einander.
    Lieske: Sprechen Sie Schönheitswettbewerben das Misstrauen aus?

    DiCamillo: Da ich ja im Herzen von Florida groß geworden bin, hat man mich tatsächlich einmal für einen Wettbewerb angemeldet, der hieß: Little Miss Orangeblossom. Meine Mutter ist schon tot, daher kann ich sie leider nicht mehr fragen, was sie sich dabei gedacht hat. Falls es je ein Kind gegeben hat, das nicht in einem Little-Miss-Wettbewerb stecken sollte, dann bin ich das! Ich habe auch alles vergessen, ich weiß nur noch, dass ich auf dieser Bühne stand und dachte: Ich bin hier am falschen Platz!
    "Man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man Kindern die Wahrheit vorenthält"
    Lieske: Es gibt Themen, die in Ihrem Werk immer wieder auftauchen, auch hier. Man findet Magie, man findet das Motiv des Zirkus. Die Waise, den Halbwaisen. Man findet die Idee, dass es einen Lebensplan geben muss, mit dessen Hilfe man die eigene Situation verbessern kann. Es gibt auch einen dunklen Untergrund, Kummer, Bosheit, die schwarze Seite des Lebens. Warum glauben Sie, dass man Kinder damit konfrontieren sollte?
    DiCamillo: Weil Kinder die Welt bewohnen, in der wir auch zuhause sind. Man tut ihnen keinen Gefallen damit, wenn man Kindern die Wahrheit vorenthält. Ja, es gibt die Dunkelheit und es gibt Verzweiflung, aber es gibt auch so viel Schönheit, und ich hoffe, dass man die auch in meinen Büchern wieder findet. Es ist schwer, ein Mensch zu sein, und das Leben ist manchmal hart zu uns. Aber es ist auch wunderbar und ein Geschenk, und ich will all das erzählen. Mich beunruhigt es, wenn die Leute so tun, als hätten Kinder überhaupt keine Ahnung von all dem, was um sie herum passiert. Sie kriegen die Dunkelheit mit, und darüber muss man sprechen. Und zwar klipp und klar.
    Lieske: Warum schreiben Sie für Kinder?
    DiCamillo: Das ist eine lange Geschichte. Ich wollte ja schreiben, und ich habe mit Kurzgeschichten für Erwachsene angefangen. Dann bekam ich einen Job in einem Warenhaus nur für Bücher, und man hat mir die dritte Etage zugewiesen. Da gab es nur Kinderbücher. Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, Bestellungen entgegenzunehmen und einige dieser Bücher aus den Regalen zu nehmen. Ich habe angefangen, sie zu lesen, und ich habe mich in die Form verliebt.
    Ich frage mich oft, was passiert wäre, wenn man mich in die zweite Etage gesteckt hätte, da waren die ganzen Romane für erwachsene Leser. Da wollte ich eigentlich hin! Die dritte Etage war eine gute Fügung, ich habe meine Berufung gefunden. Nicht das, was ich mir vorgenommen hatte, sondern das, was ich wirklich tun sollte.
    Lieske: Lassen Sie uns noch über die Art Ihres Schreibens sprechen. Kurze Sätze, der Humor vibriert, es gibt auch Traurigkeit, eine gewisse Lakonie, auch etwas Hintergründiges, man muss viel zwischen den Zeilen lesen – welche Rückmeldungen bekommen Sie von jungen Lesern?
    "Man liest immer mit seiner ganzen Persönlichkeit"
    DiCamillo: Ich bekomme ziemlich viele Briefe von Kindern, mein Verleger schickt sie mir ein mal pro Woche zu. Es ist sehr interessant zu verfolgen, wie Kinder in einem gewissen Alter lesen. Wenn sie dann das Buch noch einmal in die Hand nehmen, wenn sie älter geworden sind, dann lesen sie mehr zwischen den Zeilen. Man liest immer mit seiner ganzen Persönlichkeit.
    Manchmal entsteht eine Resonanz erst später, wenn sich die eigene Person erneuert hat. Ich mache das ja schon eine Weile, und ich kenne viele Erwachsene, die meine Bücher gelesen haben, als sie Kind waren. Es sind Lehrer dabei, und die lesen die Bücher jetzt ihren Schülern vor. Dieser Generationensprung ist von Vorteil, denn Erwachsene und ältere und jüngere Kinder, jeder bekommt etwas Anderes von einem Buch.
    Lieske: Der englische Titel Ihres Buches heißt: Raymie Nightingale. Es gibt eine Biografie von Florence Nightingale, die eine große Rolle spielt in diesem Buch. Ist Ihnen diese Gestalt von Florence Nightingale wichtig?
    DiCamillo: Florence Nightingale - in meiner Kindheit gab es in der Schulbücherei eine Abteilung für berühmte Persönlichkeiten der Geschichte. Leute, die etwas ganz besonderes vollbracht hatten. Ich habe jedes einzelne Buch gelesen, und ich fand sie großartig, aber ich habe mich auch ein bisschen minderwertig gefühlt.
    Also, ich würde nie mit einer Lampe über ein Schlachtfeld gehen. Deshalb gibt es jetzt Beverly Lepinski in meinem Buch, dieses wütende und auch taffe Mädchen. Sie hat dann diesen einen kleinen heroischen Akt. Jemand hat Schmerzen und muss bei der Hand gehalten werden, und Beverly macht genau das. Sie singt der Frau auch vor. Also, Florence Nightingale, das sind die großen Taten. Aber es gibt auch die Idee, dass wir durch unseren Alltag gehen, und dass die kleinen Taten genau so heldenhaft sein können.
    Lieske: Sie sind eine Autorin, die viel mit Symbolen arbeitet. Es gibt einen Schatten in dem See, der kommt von einer ertrunkenen Frau namens Clara Wingtip. Es gibt einen gelben Vogel, die Lampe von Florence Ninghtingale, die Häschenspangen in Louisianas Haar – denken Sie viel über all das nach, oder stellen sich diese Symbole eher beim Schreiben ein?
    DiCamillo: Wenn ich darüber nachdenken müsste, würde ich es bestimmt nicht hinkriegen. Ich kriege das so aus dem Augenwinkel heraus mit, aber ich lasse mich darauf nicht ein. Mein unbewusster Teil kann damit viel besser umgehen. Dann, wenn das Buch von Kritikern besprochen wird, wird mir meistens klar, was ich da gemacht habe. Manchmal erfahre ich auch was ganz Neues über den Symbolgehalt meiner Bücher.
    "Mir fehlt manchmal die Klarheit in Bezug auf meine eigenen Geschichten"
    Lieske: Es gibt Herzen, lieber Leser, die nie wieder heilen, wenn sie einmal gebrochen sind. Und wenn sie heilen, dann irgendwie krumm und schief, als hätte ein nachlässiger Handwerker sie geflickt. Das ist ein Satz aus Ihrem Buch"Despereaux – von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen". Erzählen Sie mir etwas über diesen Satz?
    DiCamillo: Es gibt dieses wunderbare Zitat von Hemingway: Wir sind alle gebrochen, aber einige von uns sind stark, dort, wo sie gebrochen wurden. Jedenfalls gilt es für mich, dass ich selbst die Hoheit habe über meine Bruchstellen.
    Ich lass mich davon nicht konsumieren, ich lasse nicht zu, dass mich ein Bruch verkrüppelt. Das ist ein Weg, der uns allen offen steht. Das sagt auch Louisiana in meinem Buch: Uns allen wurde schon einmal das Herz gebrochen, aber wir selbst können bestimmen, wie wir damit umgehen.
    Lieske: Zufall, Schicksal oder Wille, welche Macht wirkt am stärksten in Ihren Büchern?
    DiCamillo: Wow - Wille und Schicksal, glaube ich. Da, wo sie zusammen kommen, glaube ich. Aber vielleicht können andere das besser beantworten als ich. Mir fehlt manchmal die Klarheit in Bezug auf meine eigenen Geschichten.
    "Meine Aufgabe ist es, die Geschichte auf zu schreiben, die mir gerade zugefallen ist"
    Lieske: Sie haben die höchsten Ehrungen bekommen, die man in Amerika als Autorin für Kinder und Jugendliche bekommen kann, unter anderem die Newberry Medal. Sie sind eine sehr erfolgreiche Autorin, was macht der Erfolg mit der Künstlerin in Ihnen?
    DiCamillo: All diese Ehrungen machen mir Angst. Wenn man die Newberry kriegt, das ist die höchste Ehrung in den USA, dann bekommt man wirklich eine Medaille. Manchmal, wenn ich ein Interview gebe, werde ich nach dieser Medaille gefragt. Viele Leute lassen Sie einrahmen und hängen sie in ihrem Büro auf. Ich lasse sie in der zweiten Schublade von oben meines Tischs, ganz hinten.
    Ungefähr alle drei Monate mache ich diese Schublade mal auf und werfe einen vorsichtigen Blick hinein. Wenn sie immer noch da sind, dann mache ich die Schublade schnell wieder zu. Das ist vielleicht ein Bild dafür, wie ich mit der Lage klarkomme. Ich schaue nur ganz kurz hin und versuche, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Sonst würde ich nämlich versuchen, was zu schreiben, was diese Ehrungen verdient hätte. Und das ist nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, immer die Geschichte auf zu schreiben, die mir gerade zugefallen ist.
    Lieske: Vielen Dank.