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Kirgistan
Zurück zum Autoritarismus?

Kirgistan gilt als "Insel der Demokratie" in Zentralasien. Nach dem Sturz des gewählten Präsidenten im Oktober sind für den 10. Januar Neuwahlen angesetzt - und ein Referendum über eine neue Verfassung. Die soll die Macht des Parlaments einschränken.

Von Edda Schlager | 17.12.2020
Menschen stehen neben einem ausgebrannten Auto, im Hintergrund ist das Gebäude des Parlamentes zu sehen.
Nach der Wahl im Oktober gab es Ausschreitungen, Bürger drangen dabei auch ins Parlament ein (imago images/ITAR-TASS)
Ende November im Zentrum von Bischkek, der Hauptstadt von Kirgistan. Hunderte Menschen ziehen durchs Stadtzentrum. Sie sind dick vermummt gegen die Kälte, tragen Masken gegen das Coronavirus und halten Plakate in die Luft.
Seit mehreren Wochen demonstrieren jedes Wochenende mehr Menschen, von Sicherheitskräften argwöhnisch beäugt, aber größtenteils unbehelligt.
Ihr Protest richtet sich gegen eine geplante Verfassungsänderung. Die neue Verfassung wird von ihnen als "Khanstituzia" betitelt – ein Wortspiel aus dem russischen Wort für Verfassung, "konstituzia", und "Khan", dem Herrschertitel zentralasiatischer Reitervölker.
Am 10. Januar sollen die Kirgisen einen neuen Präsidenten wählen und gleichzeitig per Referendum über eine neue Verfassung abstimmen. Die als "Khanstituzia" verballhornte neue Verfassung würde in Kirgistan das vor zehn Jahren abgeschaffte Präsidialsystem erneut einführen und die damals begründete parlamentarische Demokratie abschaffen.
Auch Bektur Iskender beteiligt sich an den Protesten. Er ist Chefredakteur von Kloop.kg, einer unabhängigen, liberalen Medien-Plattform. Auf seinem privaten Instagram-Account hatte er am Tag vor der Demonstration aufgerufen, daran teilzunehmen.
"Ich hoffe sehr, dass wir uns morgen um 12 Uhr sehen, um für unsere Verfassung auf die Straße zu gehen. Das ist sehr wichtig, denn das, was hier gerade passiert, dass diese Leute unser Land in ihre Hand bringen wollen, ist einfach nur entsetzlich."
"Diese Leute" – das sind für Iskender reaktionäre Kräfte, die die demokratischen Entwicklungen der vergangenen Jahre rückgängig machen wollen.
Kirgistan mit seinen gut sechs Millionen Einwohnern gilt im Westen als "Insel der Demokratie" – ein demokratischer Hoffnungsschimmer inmitten der autoritär regierten Nachbarstaaten Zentralasiens. Den Ruf hat es dank einer protestaffinen Bevölkerung, die wiederholt korrupte Autokraten stürzte.

Zehn Jahre parlamentarische Demokratie

Per Verfassungsänderung erklärte es sich im Jahr 2010 zu einer parlamentarischen Demokratie, schränkte die Entscheidungsgewalt des Präsidenten deutlich ein und erweiterte die des Parlaments.
Doch dieses Demokratie-Experiment scheint jetzt ein Ende zu haben. Denn im Oktober kam es in Kirgistan zu einem erneuten Regierungsumsturz – dem dritten in 15 Jahren.
Weil bei den Parlamentswahlen mehrere Parteien offen Stimmen gekauft hatten und nur so ins Parlament gewählt worden waren, protestierten am Tag danach Tausende gegen den Wahlbetrug. Während chaotischer Tage kämpften progressive Kräfte um die Erhaltung der parlamentarischen Ordnung. Ihnen gegenüber standen Kräfte des 2010 gestürzten Regimes – diese setzten sich letztlich durch. Die Regierung und der 2017 regulär gewählte Präsident Sooronbai Jeenbekov traten zurück.
Kirgistan, Bishkek: Sooronbaj Dscheenbekow, damals designierter Präsident von Kirgistan, singt während seiner Amtseinführung die Nationalhymne.
Präsidentschaftswahl 2017 in Kirgisistan
Präsident Almasbek Atanbayev dufte in Kirgistan nicht mehr antreten. Zur Nachfolge gab es weitgehend offene Wahlen. Eine Ausnahme in Zentralasien. Trotzdem werden Medien geschlossen und Oppositionspolitiker benachteiligt.
Mitte Oktober erklärte sich Sadyr Japarov, ein früherer Parlamentsabgeordneter der konservativen Partei Ata-Zhurt, zum Premierminister und neuen Präsidenten des Landes.
"Der frühere Präsident Sooronbai Jeenbekov ist mit offizieller Erklärung zurückgetreten. Der Parlamentssprecher erklärte, er sei nicht in der Lage, die Geschäfte des Präsidenten zu übernehmen, und ist von seiner Verpflichtung zurückgetreten. Heute wurden die Ämter des Premierminister und des Präsidenten an mich übertragen."
Japarov besetzte seine Interimsregierung mit konservativen Unterstützern, aber auch mit Gegnern aus dem progressiven Lager. Mittlerweile ist er als Premierminister und Interimspräsident zurückgetreten. Denn um bei den Präsidentschaftswahlen am 10. Januar antreten zu können, darf er vorab nicht Interimspräsident sein. Jetzt ist er einer von 18 Kandidaten – und der aussichtsreichste dazu.
Sadyr Japarov
Inzwischen als Premierminister und Interimspräsident zurückgetreten: Sadyr Japarov (imago images/ITAR-TASS)
Der 52-jährige gilt als nationalkonservativ, ist Anhänger des 2010 wegen Korruptionsvorwürfen gestürzten Ex-Präsidenten Kurmanbek Bakiyev. Noch während der Parlamentswahlen am 4. Oktober hatte Japarov im Gefängnis gesessen. Seit 2017 hatte er dort eine elfjährige Haftstrafe verbüßt, für die Entführung eines Lokalpolitikers. Während der Staatskrise nach den Parlamentswahlen befreiten Anhänger ihn gewaltsam aus dem Gefängnis.
Doch wie konnte Japarov so schnell zum Staatsoberhaupt aufsteigen? – Durch seine mehrjährige Haft fehlen ihm eigentlich Verbindungen in die aktuelle Politik. Asel Doolotkeldieva ist politische Analystin und Gastforscherin an der OSZE-Akademie in Bischkek. Sie sieht bei Japarov großes rhetorisches und politisches Talent, auch Volksnähe, räumt aber ein, die Dynamik seines Aufstiegs sei unklar:
Experten sind geteilter Meinung – agiert er alleine, oder steht jemand hinter ihm, der die Strippen zieht? Das könnte Ex-Präsident Bakiyev sein, der in Belarus im Exil lebt. Oder er ist Repräsentant des organisierten Verbrechens. Einige Experten meinen, er ist tatsächlich unabhängig, sei aber selbst davon überrascht worden, so schnell an die Macht zu kommen.

Verbindungen zum organisierten Verbrechen?

Journalist Bektour Iskender tendiert zur Theorie, das organisierte Verbrechen unterstütze Japarov. - Iskenders Medien-Unternehmen Kloop recherchiert seit Monaten zu Korruptionsskandalen in Kirgistan. Gemeinsam mit einem internationalen Recherche-Verbund hatten er und seine Kollegen ein gigantisches internationales Geldwäsche-Netz aufgedeckt. Der Ex-Vize-Chef der obersten Zollbehörde in Kirgistan Raiymbek Matraimov hatte mehrere Hundert Millionen Dollar außer Landes geschafft. Kurz nachdem Japarov im Oktober Interimspräsident geworden war, wurde Ex-Zollchef Matraimov verhaftet. Doch auf Anweisung des Interimspräsidenten und jetzt Kandidaten Japarov kam er wieder frei. Matraimov habe angeboten, so begründete Japarov seine Entscheidung, "das illegal erworbene Eigentum und Geld zurückzugeben".
Journalist Iskender vermutet, die Verhaftung sei reine Show gewesen, Japarov und den Kriminellen Matraimov verbänden gemeinsame Interessen.
Aber darüber kann man nur spekulieren, weil es keine Beweise gibt. Abgeordnete verschiedener Parteien haben allerdings erzählt, dass sie von Unterwelt-Bossen bedroht wurden, damit sie Japarov zum Premierminister machen.
Trotz des Misstrauens gegenüber Japarovs politischen Verbindungen – er erfreut sich breiter Unterstützung innerhalb der Bevölkerung. Shirin Aitmatova ist Anti-Korruptions-Aktivistin und frühere Kollegin Japarovs. Gemeinsam saßen sie Anfang der 2010er Jahre im Parlament, sie für die Sozialistische Partei Ata-Meken, Japarov für die konservative Ata-Zhurt.
Das Leben in Kirgistan ist so schwierig, deshalb will das Volk jemanden sehen, der genauso gelitten hat, der genau solche Ungerechtigkeiten erlebt hat. Vielleicht ist das Selbstbetrug oder naiv, aber die Leute sind so – "Schaut, dem geht es genau so dreckig, der versteht uns".
Aitmatova zufolge ist auch Japarov ein Opfer der kirgisischen Politik. Er sei aus politischen Gründen zu einer so langen Haftstrafe von elf Jahren verurteilt worden. Seine politische Agenda unterstützt sie nicht, kann aber seine Popularität nachvollziehen. Sie ist sicher, Japarov und seine Unterstützer werden die Verfassungsänderung durchbekommen.

Reform gegen den Parlamentarismus

Diese sieht die Abschaffung des Parlamentarismus vor. Während sich der Präsident und ein vom Parlament gewählter Premierminister bisher die Aufgaben der Exekutive teilen, gibt die neue Verfassung die ganze Macht dem Präsidenten. Das Parlament würde verkleinert, eine weitere Kammer geschaffen: der so genannte Kurultai, angelehnt an die Fürstenversammlung früherer Turkvölker. Gegner der Verfassungsreform fürchten, Kurultai und Parlament könnten lediglich zum Abnicken der Entscheidungen eines wiedererstarkten Präsidentenamts dienen.
Aitmatova will per Verfassung verbrieften Parlamentarismus. Aber Verfassung und Parlamentarismus müssten auch wirklich umgesetzt werden.
"Alle halten an diesen demokratischen Instituten fest – das ist auch irgendwie richtig. Aber da stehen Sachen drin wie kostenlose medizinische Versorgung, kostenlose Bildung – das wird ja ohnehin nicht eingehalten. Auch Nordkorea hat eine Verfassung. Eine Verfassung ist also nicht per se wahnsinnig wertvoll."
Politologin Doolotkeldieva von der OSZE-Akademie in Bischkek bringt die Probleme der kirgisischen Auslegung von Parlamentarismus deutlich auf den Punkt.
"Die zehn Jahre Experiment parlamentarisches System hatten sehr negative Konsequenzen für die öffentliche Wahrnehmung. Wir haben gesehen, wie das Parlament sich in eine passive Institution verwandelt hat, die so lange wie möglich den Interessen des Präsidenten gedient hat. Parteien haben ganz offensichtlich ein Geschäft aus Wahlen und Parlamentssitzen gemacht, sie haben Sitze regelrecht verscherbelt, und weit entfernt von ihren Programmen agiert, dafür aber eigene Wirtschaftsinteressen und die des Präsidenten lobbyiert."

Corona verschärft die Krise

Im Einsatzraum der städtischen Notrufzentrale von Bischkek. Zehn Frauen sitzen an Computerplätzen, durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt. Alle haben Masken vorm Gesicht.
Yegor Borissov ist Chef der Notrufzentrale und einer von Tausenden Ärzten in Kirgistan, die dieses Jahr die Coronakrise bewältigen müssen.
"Jetzt ist die COVID-19-Situation angespannt, aber wir kommen klar. Die Rettungswagen fahren raus und schaffen es. Im Sommer war das hier die Hölle – da waren es viel, viel mehr Patienten. Das Gesundheitssystem war geradezu gelähmt. Viele Patienten sind gar nicht in die Statistik eingegangen, weil sie keinen Kontakt mit uns hatten."
Borissov ist Intensivmediziner, koordiniert die Arbeit von rund 70 Mitarbeitern. Und er ist ganz nah dran am Versagen des Staates, wie er sagt. Das Gesundheitswesen in Kirgistan ist seinen Worten zufolge seit 30 Jahren massiv vernachlässigt worden. Rund 120, 130 Dollar verdiene ein Arzt in Kirgistan im Monat. Viele würden deshalb das Land verlassen oder in anderen Jobs arbeiten.
"All diese Probleme – niedrige Löhne, fehlende Ärzte, fehlende Krankenhäuser, fehlende Bildung, ein Mangel an allem – das hat sich in 30 Jahren aufgestaut. 30 Jahre lang hat sich darum niemand gekümmert. Und jetzt im Jahr 2020, wo sich Ärzte als die nötigsten Spezialisten erwiesen haben, sehen alle diese Probleme. "
Wandgemälde im kasachischen Nur-Sultan, um die Arbeit der medizinischen Personals im Land zu würdigen
Corona in Zentralasien - Demokratische Entwicklung ausgebremst
Länder wie Kasachstan oder Kirgistan fallen zurück in autoritäre Muster. Menschenrechtler sagen, Regierungen würden die Coronakrise nutzen, um Regimekritiker loszuwerden.
Auf nötige Reformen wartet er nicht mehr, gerade jetzt nach dem Regierungsumsturz sei dies ohnehin zwecklos. Er erzählt aber davon, wie in der Hoch-Zeit der Pandemie ein Heer von Freiwilligen ihnen hier zur Hilfe geeilt sei.
"Mich haben pro Tag fünf, zehn Leute angerufen, braucht ihr Masken, Kittel, Medikamente? – Sag, wir bringen das vorbei. Oder es fuhren irgendwelche Fremden hier vor und sagten, Leute, wir haben euch Mittag gemacht. Und für uns ist das mittlerweile die Norm. – Wenn irgendwas passiert, wissen die Leute, ah, dem, dem, dem müssen wir helfen – der hat Geld, der andere ein Auto, der Dritte macht Burger – also machen wir für das Geld Burger und bringen sie zu den Ärzten. Und das sind alles Freiwillige. Das ist eine so mächtige Unterstützung und deshalb sind wir noch am Leben."
Tatsächlich hat dieses Jahr einen enormen Selbsterhaltungstrieb der Kirgisen hervorgekehrt. Während der Pandemie hatten sich allein in Bischkek bis zu 5.000 Freiwillige organisiert und Patienten versorgt, Beatmungsgeräte herangeschafft. Und während der Krisentage nach den gescheiterten Parlamentswahlen schützte ein Herr von Freiwilligen, Regierungsgebäude und Läden in Bischkek vor Plünderungen. – Weil der Staat an so vielen Stellen in Kirgistan versagt, sind die Kirgisen auf sich selbst zurückgeworfen, um ihr Leben zu bewältigen.
In westlichen Medien dient diese Selbstorganisation gern als Beweis einer funktionierenden Zivilgesellschaft – und als demokratisches Aushängeschild.

Das Volk ist gespalten

Im Vergleich zu den autoritären Nachbarländern ist Kirgistan tatsächlich weniger repressiv. Deshalb gibt es mehr Unternehmergeist, das Niveau der politischen Bildung ist hoch, es wird gern und offen diskutiert.
Doch Polit-Analystin Asel Doolotkeldieva ist diese Bewertung zu sehr durch westliches Verständnis geprägt. Vor allem aber verhindere sie zu verstehen, was derzeit in Kirgistan politisch passiere.
"Das ist nur ein Bruchteil der Zivilgesellschaft. Es gibt andere Teile der Zivilgesellschaft, auf die diese Charakterisierung nicht zutrifft, ebenso aktive Bürger, die aber nicht unbedingt für eine liberale Demokratie stehen. Und die möchten ein Kirgistan nach ihren Wertvorstellungen – das ist ein konservatives, religiöseres Kirgistan, ein Kirgistan, das ein Präsidialsystem bevorzugt. Und es ist nicht korrekt, diese Menschen auszublenden. Deshalb bin ich sehr gegen diese voreingenommene Interpretation der Zivilgesellschaft durch die liberale, demokratische Brille."
An einem eisigen Wintermorgen, rund 150 Kilometer von Bischkek entfernt, im Dorf Chui. Junge Männer in bunt-glänzenden Anzügen liefern sich einen Wettkampf im Kok-boru, einem traditionellem Reiterspiel. Kok-boru ist eine Art Rugby zu Pferd – ein geköpfter Ziegenbalg muss im Galopp in das Tor der gegnerischen Mannschaft gebracht werden.
Die Moschee Sari Ossye in Duschanbe
EU-Strategie für Zentralasien - Viel Engagement, aber kein konkreter Plan
Partnerschaft für politische Stabilität, Wohlstand und bessere Zusammenarbeit: Das sind die Eckpfeiler der EU für künftiges Engagement in Zentralasien. Wie das konkret aussehen soll, ist noch unklar.
Ularbek Jakshylykov, der Kapitän der Blauen aus dem Nachbardorf Shabdan, ist 26 Jahre alt. Er ist der jüngere von zwei Söhnen und daher verpflichtet, bei seinen Eltern im Dorf wohnen zu bleiben, um sich später im Alter um sie zu kümmern. Wie sein Vater ist Jakshylykov Bauer geworden. Wenn Jakshylykov nicht an Kok-boru-Turnieren teilnimmt, ist er für das Wohl von Pferden, Schafen, Kühen und Yaks zuständig.
Aber er plant auch, ein kleines Hotel zu bauen, das der Familie künftig weiteres Einkommen sichert, zusätzlich zum Lebensmittelladen, den seine Mutter betreibt.
Jakshylykov weiß schon, wem er im Januar zu den Präsidentschaftswahlen seine Stimme geben wird: Sadyr Japarov, denn der stamme aus dieser Region.
"Er will Präsident werden egal wie, auf gesetzlichem Wege oder nicht, und dann will er das Land in Ordnung bringen. Wenn er jetzt schon damit anfangen würde, gäbe es genug Missgünstige, die ihn daran hindern wollen würden. – Viele aus dem Volk sind für Japarov. Die glauben einem anderen schon nicht mehr."

Die Wirtschaft ist fragil

Die wichtigste Aufgabe für Kirgistan und seinen zukünftigen Präsidenten wird es sein, das Land wirtschaftlich zu stabilisieren. Doch an dieser Aufgabe sind schon die bisherigen Präsidenten gescheitert – oder wollten sie nicht angehen. Aktivistin Shirin Aitmatova:
"Wenn wir wegkommen von diesen ständigen Krediten und anfangen, selbst zu denken, zu arbeiten, dann werden die Löhne steigen, das Lebensniveau. Auch die Frage der Korruption – wir sind doch alle darauf angewiesen, einfach um zu überleben, nur ein paar kriegen den Hals nicht voll und wollen immer mehr. Aber der Verkehrspolizist mit seinem Stöckchen, oder ein Arzt, der dem Schüler ein Attest ausstellt für Geld – die machen das doch nicht, weil sie das toll finden. Die müssen ihre Kinder ernähren. Und wenn es wirtschaftlich besser wird, wird Korruption unwichtiger werden."
Politik-Analystin Asel Doolotkeldieva will weder für die Präsidentschaftswahlen, noch für die Gesamtperspektive Kirgistans Prognosen abgeben – zu schnell könnten sich Dinge hier ändern. Doch sie hält einen neuen Präsidenten Japarov für wahrscheinlich.
"Wenn man Japarovs Aktivitäten in Bakiyevs autoritärem Regime betrachtet, auch seine Verbindungen zur organisierten Kriminalität, dass er die Augen verschlossen hat vor Korruption, dann ist er vermutlich nicht der Mann, der wirtschaftliche Reformen umsetzen kann, sondern das Land eher in eine Diktatur verwandelt könnte. – Ja, es gibt ein Risiko, dass das Land in einen stabilen Autoritarismus zurücksinkt."
Japarov könnte sich zunächst großer Popularität erfreuen. Wenn der wirtschaftliche Aufschwung aber ausbliebe, dann, so Doolotkeldieva, würde Japarov "genauso abgesägt werden, wie er Jeenbekov abgesägt hat". Der Kreislauf politischer Instabilität begänne für Kirgistan von neuem.