Donnerstag, 18. April 2024

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Kissinger-Professur
"Diese demonstrative Ehrung ist unakzeptabel"

An der Einrichtung eines Lehrstuhls zu Ehren des früheren US-Außenministers Henry Kissinger an der Universität Bonn gibt es heftige Kritik. Kissinger habe nachgewiesene Kriegsverbrechen zu verantworten, sagte der Politologe Klaus Meschkat im Deutschlandfunk.

Klaus Meschkat im Gespräch mit Thielko Grieß | 05.04.2014
    Thielko Grieß: An der Universität Bonn soll eine Stiftungsprofessur entstehen, die seinen Namen trägt, Henry Kissingers Namen. Finanziert werden soll diese Professur unter anderem vom Bundesverteidigungsministerium und vom Auswärtigen Amt mit rund 300.000 Euro jährlich, eine Professur für, wie es heißt, internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung, und im kommenden Wintersemester soll sie ihre Arbeit aufnehmen. Gegen den Namenspatron sperren sich aber das Studierendenparlament und rund 100 Professorinnen und Professoren, die zum Teil Attac nahestehen. Sie haben sich in einem offenen Brief geäußert. Einer der Unterzeichner ist der Soziologie Klaus Meschkat, zuletzt mit Lehrstuhl an der Universität Hannover. Ich grüße Sie!
    Klaus Meschkat: Guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Kissinger schmückt ein Friedensnobelpreis. Warum soll sein Name also nicht einen Lehrstuhl schmücken?
    Meschkat: Ja, dieser Friedensnobelpreis ist ihm zuerkannt worden in der Zeit des Vietnamkriegs. Der Haken daran ist nur, dass damals der gleichzeitig mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Nordvietnamese ihn abgelehnt hat, und zwar auch deswegen, weil Kissinger damals in die Verlängerung des Vietnamkriegs verstrickt war und verantwortlich war für die Bombenangriffe auf Nordvietnam und auf Laos und Kambodscha. Das heißt also, ein Friedensnobelpreis muss ja, auch nachdem jetzt Obama ihn bekommen hat, doch auch nach seinem Inhalt immer gewichtet werden. Das heißt also, der Widerstand gegen die Benennung der Professur richtet sich vor allen Dingen dagegen, dass Kissinger nachgewiesen Verbrechen, Kriegsverbrechen zu verantworten hat, und dass er auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie bei den Putschen in Chile und in Argentinien begünstigt hat.
    Grieß: Auf der anderen Seite muss man berücksichtigen, historisch zumindest, dass Kissinger auch an einer Entspannung mit China beteiligt war in den 70er-Jahren, eine Rüstungsbegrenzung zum Beispiel mit der Sowjetunion ausgehandelt hatte, am Ende des Jom-Kippur-Krieges 1974 beteiligt war. All das könnte doch auch ein Grund sein, den Lehrstuhl nach ihm zu benennen.
    Meschkat: Ja, das wäre ein Grund, in einer ausführlichen Biografie von Henry Kissinger auch seine Verdienste zu würdigen, aber es geht ja nun nicht darum, eine ausgewogene Darstellung der Lebensleistung von Henry Kissinger hier zu versuchen, sondern es geht darum, dass er in bestimmten Perioden seines Lebens und in bestimmten Zusammenhängen schwerste Verbrechen zu verantworten hat, denen Menschen zum Opfer gefallen sind, viele Menschen. Und das müsste ausreichen, dass eine Ehrung, eine demonstrative Ehrung – und so ist ja dieser Lehrstuhl auch gemeint, der ist ja initiiert worden von zwei Bundesministern, die diese positiven Seiten einzig und allein hervorgehoben haben –, eine demonstrative Ehrung von Kissinger ist also unakzeptabel. Übrigens möchte ich noch sagen: Das ist nicht nur das Umfeld von Attac, das sich hier zu Wort meldet, sondern meines Wissens gibt es niemand in der deutschen Wissenschaft, der sich mit Lateinamerika oder mit Asien beschäftigt, und diese Dinge studiert hat, da gibt es keinen Einzigen, der sich hier für eine Ehrung durch eine Professur einsetzen würde.
    Grieß: Als Kriterium für eine Namenspatronage verlangen Sie ja geradezu eine Geradlinigkeit, die bei Politikern im Laufe eines langen politischen Lebens, gerade in solchen Funktionen, in denen auch Henry Kissinger war, kaum zu finden ist, oder kennen Sie einen nahezu Heiligen?
    Meschkat: Wir verlangen ... Das ist ja doch ein bisschen eine Frage der Proportionen. Es ist ja wohl kein Heiliger verlangt, aber wenn Sie sich mit den Details beschäftigen, was Kissinger in bestimmten Situationen veranlasst hat, dann hat er schwere Schuld auf sich geladen. Und es ist doch keine vernünftige Argumentation, dass man sagt: Dieser Herr hat sich an seinen minderjährigen Töchtern vergangen, aber er hat doch auch für das Krankenhaus im Ort gespendet. Das heißt, die ganze Argumentation, die auch die Universität Bonn jetzt vorträgt, man müsse doch auch seine Leistungen anerkennen, scheint mir völlig abwegig zu sein.
    Grieß: Und die Universität Bonn ist vermutlich einfach froh, dass da jemand ist, der 300.000 Euro spendet für seine Professur.
    Meschkat: Das glaube ich auch, und das spricht nicht für die deutschen Universitäten. Es spricht auch nicht für die deutsche Universität oder für die Universität Bonn, ich will das nicht so verallgemeinern, dass die klare Stellungnahme der Studentenvertretung gegen eine politisch motivierte Professur – und darum handelt sich es ja, es ist nicht irgendein Vorgang im akademischen Bereich, sondern da ist eine Professur aus politischen Motiven angeboten worden –, und diese Stellungnahme der Studentenvertretung ist ignoriert worden und es hat keine breite öffentliche Diskussion in Bonn stattgefunden, jedenfalls nicht rechtzeitig. Und aus dieser Erkenntnis heraus haben sich dann viele Wissenschaftler in allen Bereichen bereit gefunden, hier sich einmal zu Wort zu melden, übrigens auch sehr renommierte Nicht-Lateinamerika- oder -Asienexperten wie der zu Recht anerkannte Alfred Grosser aus Paris, der Kissinger öffentlich einen Kriegsverbrecher genannt hat.
    Grieß: Darf an der Universität Bonn eine Professur nach Henry Kissinger benannt werden? Eine heftige Debatte gibt es und einen offenen Brief, der sich gegen dieses Vorhaben wendet. Das war Klaus Meschkat, einer der Unterzeichner dieses offenen Briefes, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Meschkat, danke für das Gespräch, einen schönen Samstag wünsche ich!
    Meschkat: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.