Archiv

Klima-Engineering
Risiken sind unvermeidlich

Je mehr die vom Menschen verursachte Klimaveränderung spürbar wird, desto mehr wird über technische Eingriffe diskutiert, die Erwärmung zu verringen. Die Forschungen zum sogenannten Klima-Engineering stehen aber allenfalls am Anfang, wie Wissenschaftler erklären. Und es kann auch nur eine Ergänzung zur Politik sein.

Von Volker Mrasek |
    Sonnenstrahlen durchbrechen eine Wolkendecke.
    Der Mensch hat das Klima schon so verändert, dass technische Eingriffe unvermeidlich erscheinen. (Imago / Blickwinkel)
    Man könnte haufenweise Kraftwerke bauen, die Energiepflanzen verfeuern und das entstehende Kohlendioxid im Untergrund einlagern. Man könnte den Ozean großflächig mit Eisen düngen und so das Wachstum von Meeresalgen ankurbeln, die dann mehr CO2 aus der Luft aufnehmen. Man könnte auch Schwefelpartikel in die Stratosphäre injizieren, die anschließend um den Globus gondeln und das Sonnenlicht dimmen.
    Diese drei Strategien zur Kühlung des Klimas haben die Autoren des neuen europäischen Reports ausgewählt, um an ihnen beispielhaft darzulegen, welche Chancen und Risiken mit dem sogenannten Climate Enginieering verbunden sind. Marc Lawrence, Atmosphärenforscher und Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Nachhaltigkeitsstudien in Potsdam: "Keine der Technologien ist so weit, dass man sie schon anwenden könnte. Es ist noch jede Menge Entwicklungsarbeit nötig und gar nicht klar, ob sie überhaupt funktionieren würden. Die Infrastruktur, die viele dieser Technologien benötigten, wäre mit jener der Öl-Industrie heute vergleichbar. Und was den Anbau von Energiepflanzen angeht: Er würde mit der Landwirtschaft in Konkurrenz um benötigte Ackerflächen treten."
    Doch wie stark diese Konkurrenz um Anbauflächen werden könnte, weiß bisher niemand so genau. Ein Punkt, auf den Jon Egill Kristjansson heute bei der Vorstellung des Berichtes in Berlin einging. Er ist Professor für Meteorologie an der Universität Oslo in Norwegen: "Wir beginnen gerade erst damit, unsere Klimasimulationen mit landwirtschaftlichen Ertragsmodellen zu koppeln, um solche Fragen wie die nach dem künftigen Flächenbedarf zu beantworten. Im Moment sind wir aber noch nicht so weit."
    Kristjansson und seine Ko-Autoren plädieren für weitere Forschung über Climate Engineering. Doch nicht, um die Anwendung voranzutreiben, sondern um ihre Risiken erst einmal genauer abzuklopfen. Denn die seien unvermeidlich: "Es gibt auch den Vorschlag, Meersalz-Partikel in Wolken über dem Meer einzubringen, sodass sie heller werden und mehr Sonnenlicht reflektieren. Bei unseren Computer-Simulationen zeigt sich, dass die globale Erwärmung durch so etwas tatsächlich abgemildert werden könnte. Aber es gibt immer Nebenwirkungen, zum Beispiel auf den globalen Wasserkreislauf. Niederschlagsmuster würden sich verändern. Oder Ozon in der Stratosphäre verloren gehen. Mit allen Climate-Engineering-Technologien sind auf jeden Fall große Unwägbarkeiten verbunden."
    Berichte über Climate Engineering gibt es bereits von der britischen Royal Society und der Nationalen Akademie der Wissenschaften in den USA. Der neue europäische Report kommt jetzt zu einer ganz ähnlichen Einschätzung. Demnach werden Technologien zur Modifikation des Klimas beziehungsweise zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre nicht vor 2050 praxisreif sein. Auch dürfe man sie nicht als Allheilmittel im Kampf gegen die globale Erwärmung sehen, so Atmosphärenforscher Marc Lawrence: "Keine der Technologien wäre imstande, den CO2-Gehalt der Atmosphäre in ausreichendem Maße zu reduzieren, wenn wir weiter so viel Kohlendioxid ausstoßen wie bisher. Ich kenne niemandem in unserem Forschungsfeld, der sagt: Durch Climate Engineering allein lässt sich das Problem des Klimawandels lösen. Diese Technologien können nur eine Ergänzung zur Senkung unserer CO2-Emissionen sein."
    Das Dilemma ist nur: Klimaforscher gehen schon heute davon aus, dass Treibhausgase eines Tages wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. Nur so werde sich eine globale Erwärmung um mehr als zwei Grad Celsius noch vermeiden lassen.
    Die Menschheit hat sich demnach bereits in eine sehr heikle Situation manövriert. Denn ob sich Technologien zur Kühlung des Klimas als gesellschaftlich und ökologisch akzeptabel erweisen, und ob sie überhaupt jemals verwirklicht werden - das ist vollkommen offen, was auch der neue Report noch einmal deutlich macht.