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Klimaschutz
"Deutschland macht sich unglaubwürdig"

Deutschland habe zwar das Pariser Klimaschutzabkommen sehr aktiv mit durchgesetzt, verhalte sich aber widersprüchlich, sagte Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam. Der deutsche Klimaschutzplan für 2050 werde immer weiter verwässert, und der Ausstieg aus der Kohleverstromung sei erst mal gestrichen - das mache ihm große Sorgen, sagte Kowalzig im Deutschlandfunk.

Jan Kowalzig im Gespräch mit Georg Ehring |
    Die aufgehende Sonne taucht am 27.10.2014 den Himmel hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen) in warmes Licht.
    Der Ausstieg aus der Kohle ist auf unbestimmte Zeit verschoben (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Georg Ehring: Wechsel an der Spitze des UN-Klimasekretariats. Die Costa-Ricanerin Christiana Figueres geht, Patricia Espinosa, bisher Mexikos Botschafterin in Deutschland, kommt. Ihre Aufgabe wird es sein, das Klimaabkommen von Paris mit Leben zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass den Worten auch Taten folgen. Frage an Jan Kowalzig, Klimaexperte bei der Hilfsorganisation Oxfam: Erneut steht eine Frau aus Lateinamerika an der Spitze dieser UN-Organisation. Sorgt das für Kontinuität?
    Jan Kowalzig: Auf jeden Fall sorgt es dafür, dass wir eine, in der Klimadiplomatie sehr bewanderte Person an der Spitze des Sekretariats haben. Das ist sicherlich richtig. Patricia Espinosa hat ja damals nach dem Desaster von Kopenhagen in Cancun die Klimadiplomatie wieder auf die Schiene gesetzt und insofern, denke ich, kann man da sehr zuversichtlich sein.
    Ehring: Viele Länder ratifizieren ja derzeit das Abkommen und in Deutschland hat das Kabinett heute die Ratifizierung beschlossen. Heißt das, dass es früher als geplant in Kraft tritt? Es war ja ursprünglich das Jahr 2020 angepeilt, und das ist ja noch eine ganze Weile hin.
    Kowalzig: Das wäre in der Tat noch eine Weile hin. Jetzt sieht es eher so aus, als wäre es wirklich schon möglich, dass das Abkommen nächstes Jahr bereits in Kraft tritt, insbesondere, weil die USA und China signalisiert haben, dass sie dieses Jahr noch ratifizieren wollen. Andere Länder sind da auch mitten im Ratifizierungsverfahren. Deutschland, haben Sie gesagt, nimmt sich der Sache jetzt auch an und könnte eventuell Ende des Jahres damit durch sein. Einziges Problemkind ist vielleicht die EU, weil da noch nicht raus ist, wann da die Ratifizierung passiert, die ja gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten am Ende stattfinden soll.
    "Traditionelle Blockierer könnten Ratifizierung verzögern"
    Ehring: Stichwort Europäische Union. Gibt es denn da Länder, die das nicht unterzeichnen wollen?
    Kowalzig: Nein. Unterzeichnet haben das die EU-Staaten allesamt. Das ist natürlich auch richtig und wichtig. Viele Länder haben jetzt schon angefangen mit dem Ratifizierungsprozess und es gibt auch keine Signale, dass ein EU-Land da ausscheren möchte. Allerdings ist es schon so, dass gerade jetzt die EU-Klimapolitik neu aufgestellt wird für den Zeitraum bis 2030. Der Emissionshandel wird reformiert, in den anderen Sektoren werden Regelungen getroffen und hier besteht natürlich die Gefahr, dass die traditionellen Blockierer beim Klimaschutz das ausnutzen, um die Ratifizierung zu verzögern, um dann in der konkreten EU-Energiepolitik vielleicht noch Zugeständnisse zu bekommen. Das sind natürlich Sachen, die uns Sorgen machen.
    Ehring: Deutschlands Klimaschutzplan für 2050 wird anscheinend ja auch weniger ehrgeizig ausfallen, als früher angedacht. Was heißt das denn für Deutschlands Rolle im internationalen Klimaschutz?
    Kowalzig: Vor allen Dingen macht sich Deutschland natürlich unglaubwürdig, wenn sie einerseits sehr aktiv und auch als Vorreiter bei diesen internationalen Verhandlungen zum Beispiel auch das Paris-Abkommen durchgesetzt haben. Da hat Deutschland sehr positiv gewirkt. Jetzt wieder zuhause geht dann sozusagen das Tagesgeschäft weiter und der Klimaschutzplan für 2050 wird immer weiter verwässert. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist jetzt dort erst mal gestrichen; er war vorher explizit darin vorgesehen. Insgesamt ist das ein zwiespältiges Bild, weil natürlich Deutschland dann international zwar als Vorreiter sich präsentiert, aber zuhause eher blockiert. Das macht uns sehr große Sorgen.
    Ehring: Bisher haben ja vor allem kleinere Staaten aus dem Süden ratifiziert, vor allem kleine Inseln im Pazifik zum Beispiel. Tun sich die Industriestaaten insgesamt schwerer?
    Kowalzig: Mit der Ratifizierung ist es, glaube ich, eher so, dass die Prozesse in einigen Ländern einfach sehr lange dauern. Wie gesagt, die Signale eigentlich aus allen Industrieländern sind die, dass natürlich die Ratifizierung angestrebt wird, und das dauert halt so seine Zeit. Das Problem ist vielleicht eher, dass gerade die Industrieländer sehr zögerlich sind, nach der Ratifizierung auch wirklich ehrgeizigen Klimaschutz zu betreiben, jenseits dessen, was sie an doch recht schwachen Zielen für das Abkommen bisher eingereicht haben. Denn alle wissen: Die Ambitionen, die jetzt auf dem Tisch liegen, reichen überhaupt nicht aus und stehen auch im Widerspruch zum Geist des Abkommens. Das heißt, hier tun sich gerade die Industrieländer schwer, jetzt nachzubessern, übrigens auch Deutschland und auch die Europäische Union.
    Ehring: Jan Kowalzig war das - herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.