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Klimaschutz in Deutschland
Koalition ringt um Klimaschutzgesetz

Ein Krisengipfel der großen Koalition soll heute klären, wie es mit dem Klimaschutzgesetz in Deutschland weitergehen wird. Schon lange stehen Union und SPD im Ruf, die Klimaschutz-Politik vernachlässigt zu haben. Die Fridays-for-Future-Bewegung legt den Finger genau in diese Wunde.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 14.03.2019
Kinder protestieren und halten Plakate mit Aufschriften wie "Ihr habt unsere Zukunt in euren Händen" in die Höhe.
FridaysForFuture: Schülerinnen und Schüler demonstrieren in Berlin für eine bessere Umwelt- und Klimapolitik. (imago/Christian Mang)
Ein Freitagmorgen vor knapp zwei Wochen in Hamburg:
"Moin!" … Menge antwortet: Mooooinnnn!
Mit fast stoischer Ruhe steht Greta Thunberg vor tausenden junger Demonstranten auf dem Hamburger Rathausmarkt
"I am very proud to stand with you here today in Hamburg."
Die 16-jährige Schwedin ist stolz, an diesem kalten Vormittag mit dabei zu sein. "Ihr Hamburger Schüler habt Geschichte geschrieben", ruft Thunberg:
"You, the German students, have made history, and you should be very proud of yourselves".
Seit Wochen motiviert die Umweltaktivistin junge Menschen gegen den Klimawandel auf die Straße zu gehen – am morgigen Freitag werden Jugendliche weltweit demonstrieren – denn die Politiker, meint Thunberg, die würden ja nichts tun:
"For way too long, the politicians and the people in power have gotten away with not doing anything to fight the climate crisis"
" Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen,"
sagt selbst die Kanzlerin. Und auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt die Schülerdemos. Beide jedoch weichen der Frage aus, ob man für den Klimaschutz die Schule schwänzen darf. Dabei gab es mal Zeiten, in denen zumindest Angela Merkel Stellung bezog:
"Ich denke, dass wir uns bestärkt fühlen darin, dass wir die menschlichen Ursachen des Klimawandels energisch bekämpfen müssen".
Fast zwölf Jahre alt ist dieser Appell der ehemals so genannten Klimakanzlerin. Im Sommer 2007 reiste Merkel mit ihrem damaligen Umweltminister namens Sigmar Gabriel nach Grönland. Die Reise ins Eis sollte ein Fanal sein für mehr Klimaschutz. Damals war Merkel
"...überwältigt von der landschaftlichen Schönheit. Zum Zweiten natürlich auch beeinflusst von den Erzählungen, darüber wie das Eis doch zurückgegangen ist. Der Meeresspiegel steigt, und zwar sehr viel schneller, als dass woanders ist…und deshalb kann man ja hier dieses veränderte Klimaverhalten auch besonders gut sehen".
Die Bilder zweier deutscher Politiker, die in ihren knallroten Anoraks durch Grönlands berühmtesten Eisfjord schipperten, katapultierte das Thema Klimawandel damals in deutsche Fernsehzimmer. Es dauert jedoch ganze zehn Jahre, bis Merkel schließlich ankündigt:
"Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten, das verspreche ich Ihnen".
Merkel steckt mitten im Bundestagswahlkampf 2017: Eigentlich wollten Union und SPD die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent unter den Wert von 1990 drücken – doch der Ankündigung folgten keine Taten.
"Wir haben offensichtlich in diesem Bereich eine Umweltministerin, die nichts darf, wir haben eine Landwirtschaftsministerin, die nicht will. Und wir haben einen Verkehrsminister, der nichts kann,"
so spottet jetzt Grünen-Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, rechtzeitig zum ersten Jahrestag der schwarz-roten Koalition.
"Ja, es stimmt: Diese Koalition hat offen eingestanden, dass es eine Lücke zur Erreichung unserer Klimaschutzziele 2020 gibt, und dass wir sie trotz der Bemühungen der vergangenen Jahre nicht geschlossen haben."
Die schlechten Nachrichten ließ Merkel im Herbst vom Koalitionspartner SPD verkünden. Doch jetzt macht Umweltministerin Svenja Schulze aus der Not eine Tugend: Zum Ärger vor allem der Union legte sie jüngst den Entwurf für ein Klimaschutz-Gesetz vor:
"Ich bin mir sicher, dass auch die Unionsparteien wollen, dass wir unsere Klimaschutzziele erreichen, und dass sie mithelfen werden, dass wir das richtige Gesetz dafür auf den Weg bringen."
Rechtlich möchte Schulze regeln, wieviel Treibhausgas etwa der Verkehrs-, der Bau und der Wirtschaftsminister einsparen müssen, damit Deutschland seine Klimaschutz-Ziele künftig einhält. Ein Klimarat soll das ganze kontrollieren. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schäumte zunächst:
"Was uns auch nicht gefällt an diesem Gesetzentwurf, ist, dass da auch noch so’n Zentralkommittee für Klimaüberwachung eingesetzt werden soll. Das muss das Parlament machen."
Fraktionskollege Georg Nüßlein schimpft gar über die drohende "Planwirtschaft" aus dem Umweltministerium. Vor allem fordert die Union von Finanzminister Olaf Scholz mehr steuerliche Anreize für den Klimaschutz. Doch der SPD-Vize nennt bislang keine Details:
"Wenn wir das alles auf die richtige Weise tun, dann kann das sogar sein, dass Deutschland auch wirtschaftlich davon profitiert, dass es in Sachen Umwelt und Klimapolitik dann an der Spitze steht."
SPD will eine neue CO2-Steuer verhindern
So Scholz gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Klimaschutz sei auch eine soziale Frage, betont die SPD – eine deutsche Gelbwesten-Bewegung, ausgelöst zum Beispiel durch eine neue CO2-Steuer, wollen die Genossen unter allen Umständen verhindern. Der Koalitionsausschuss soll nun heute Abend im Kanzleramt nach Lösungen suchen.
"Ich erwarte, dass der gordische Knoten durchschlagen wird…"
"...und wir hoffentlich dann zu einer Vorlage kommen, mit der das Parlament sich beschäftigen kann."
Auswirkungen auf die große Koalition?
Soweit zumindest sind sich die beiden Klima-Experten der Regierungsfraktionen, Christdemokratin Anja Weisgerber und Sozialdemokrat Matthias Miersch einig. Aber:
"Ich verwehre mich dagegen, dass einfach nur die Überschrift produziert wird: Die Union ist gegen das Klimaschutzgesetz. Wir sind für ein Klimaschutzgesetz, aber eines, das wirkt."
"… Und wenn wir dort nicht liefern, hat das absolute Auswirkungen auch auf die Beurteilung, ob diese Große Koalition Zukunft gestalten kann oder nicht."
Also noch eine Sollbruchstelle für Schwarz-Rot?
"Wir begehen heute ein Jahr Große Koalition. Ohne Party, aber mit Grund zur Freude."
Findet SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles:
"Wo überall in Europa junge Menschen auf die Straße gehen für den Klimaschutz, bin ich sehr froh, dass wir in den Koalitionsverhandlungen als Sozialdemokraten darauf bestanden haben, just in diesem Jahr 2019 auch ein Klimaschutzgesetz zu verabschieden."
Der Zeitplan steckt jedoch voller Risiken. Denn bis zum Herbst wollen Union und SPD ihre Zusammenarbeit per Revisionsklausel überprüfen, außerdem blicken beide Lager nervös auf die anstehenden Europa- und die Landtagswahlen in Ostdeutschland. Und dann ist da noch die Jugend, die am Freitag wieder für ihre Zukunft demonstrieren wird. Wenn die Politik nichts für den Klimaschutz tut, dann werden wir es selbst in die Hand nehmen – so ihr Ruf:
"If they don’t do anything, then we have to do something. And we will."