Freitag, 19. April 2024

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Klimaschutz
"Wir brauchen Handelssanktionen"

Der Chef von Germanwatch, Christoph Bals, sieht die Ergebnisse der Klimakonferenz weitgehend positiv. Die Konferenz habe ein Regelbuch gebracht, das festlegt, wie Klimaschutz weltweit umgesetzt werden soll, sagte er im Dlf. Er forderte aber auch Handelssanktionen etwa gegen Brasilien. Dort wird unter anderem wegen der Sojaproduktion, immer mehr Regenwald zerstört.

Christoph Bals im Gespräch mit Christine Heuer | 17.12.2018
    15.12.2018, Polen, Katowice: Michal Kurtyka (M), Präsident der UN-Klimakonferenz COP24, und weitere Teilnehmer des Klimagipfels freuen sich über den Beschluss des Kompromisses beim Weltklimagipfel.
    Abschluss beim Weltklimagipfel in Kattowitz. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
    Christine Heuer: Der Klimagipfel in Kattowitz ist vorbei. Wie immer musste er verlängert werden. In der Nacht auf Sonntag dann der Durchbruch in Polen. Die Weltgemeinschaft hat sich auf ein Regelbuch geeinigt, mit dem die Klimaschutzziele von Paris umgesetzt werden sollen. Die wichtigsten Kapitel im Regelbuch: Alle Staaten sollen ihre Klimaschutzmaßnahmen regelmäßig transparent belegen. Den Ärmsten und den Inselstaaten soll finanziell geholfen werden. Alle erkennen an, dass sie ehrgeiziger werden müssen im Klimaschutz. In Deutschland fordert Peter Altmaier, Wirtschafts-, vormals Umweltminister, einen Neuanfang in der Klimapolitik.
    Der politische Geschäftsführer bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ist Christoph Bals. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Bals.
    Christoph Bals: Guten Morgen!
    Heuer: Peter Altmaier ist für einen Neuanlauf in der deutschen Klimaschutzpolitik. Freut Sie das?
    Bals: Ja, das freut mich, weil im kommenden Jahr jetzt maßgebliche Entscheidungen anstehen für die deutsche Klimapolitik. Es geht darum, den Kohleausstieg festzulegen. Es geht darum, für die Verkehrswende die Rahmensetzung festzulegen. Es geht darum, den CO2-Preis in Deutschland auf den Weg zu bringen, und all das dann am Ende des Jahres in einem Klimaschutzgesetz zu verankern. Von dem her: Wenn da jetzt ein neuer Wind mit reinkommt, wäre das ausgesprochen willkommen.
    Heuer: Für wie realistisch halten Sie es, dass am Jahresende wir zurückschauen und sagen: Ja, der Peter Altmaier, der hat all diese Themen tatsächlich beherzt angepackt?
    Bals: Ich glaube, wir sollten jetzt nicht sagen, wie realistisch ist es, sondern ist es möglich, und wenn es möglich ist, es möglich machen. Es ist einfach eine Erfordernis dessen, wenn wir in der Zukunft noch vernünftig in Würde den Menschen sagen können, dass sie leben können, dass wir in den nächsten Jahren den Turnaround beim Klimaschutz hinbekommen und nicht mehr wie seit 2008 die Emissionen stagnieren, sondern sie deutlich sinken.
    "Die Konferenz hat ein Regelbuch gebracht"
    Heuer: Kattowitz hat den deutschen Wirtschaftsminister wachgerüttelt. Dann gehen wir mal davon aus, dass sich wirklich was ändert. War die Konferenz insofern ein Erfolg?
    Bals: Die Konferenz hat ein Regelbuch gebracht. Das ist zu dem Grundgesetz des Klimaschutzes, was in Paris beschlossen worden ist, nun das mehr als 100 Seiten lange detaillierte Umsetzungsbuch dazu, das Verordnungsrecht, das Verwaltungsrecht, mit dem das umgesetzt wird. Das war im Großen und Ganzen ein ausgesprochen solides Buch. Da wird festgehalten, dass die Staaten alle zwei Jahre berichten, welche Maßnahmen sie ergreifen. Da wird festgehalten, dass sie im Detail regelmäßig offenlegen, wie sich ihre Emissionen entwickeln, und das in vergleichbarer Form wo jetzt endlich auch China ab 2024 und alle anderen großen Schwellenländern in vergleichbarer Form wie die Industrieländer berichten werden und alle anderen Entwicklungsländer allmählich dort mit hineinwachsen. Es wird durch ein UNO-Komitee dokumentiert, wie einzelne Staaten ihren selbst erreichten Klimazielen nachkommen, damit dementsprechend da Druck aufgebaut werden kann. Es wurden die Ziele für Klimafinanzierungen bestätigt und auch dafür Berichtsformate festgelegt. Wie regelmäßig darüber berichtet wird, das muss dann ab 2025 in einigen Stellen noch mal konkretisiert werden. Es wurden auch die Möglichkeiten, dann auf die Staaten gemeinsam Druck auszuüben, die ihre Klimaziele nicht erfüllen, festgelegt, wie man dort sich regelmäßig dazu trifft. Es war eine ganze Menge!
    Heuer: Bevor Sie uns das ganze Regelbuch vorlesen, es steht ja tatsächlich eine Menge drin. Was nicht drinsteht ist, dass es Zwangs- und Sanktionsmöglichkeiten gibt. Macht da nicht jeder was er will?
    Bals: Das ist genau die Stärke hierbei, dass diese Regeln, wie berichtet wird und wie man sich gemeinsam trifft, um darauf zu schauen, dass das ist, dass internationaler Druck darauf aufgebaut wird, das ist, was internationales Völkerrecht machen kann. Man will ja jetzt nicht Panzer in diese Länder reinschicken, um dafür zu sorgen, dass das umgesetzt wird, sondern das kann durch den Druck der anderen Staaten, wo das regelmäßig kontrolliert wird, erfolgen. Außerdem werden die als Sanktionsmöglichkeit eingeführt, dass man dann am internationalen Emissionshandel nicht teilnehmen darf, wenn man die Dinge nicht umsetzt.
    "Brasilien wollte ein Schlupfloch hineinverhandeln"
    Heuer: Ja, der verschoben worden ist.
    Bals: Der Emissionshandel ist nicht verschoben worden, sondern die Berichte, wie festgelegt wird, nach welchen Regeln dieser erfolgen soll, das soll im nächsten Jahr erfolgen, weil Brasilien hier ein riesen Schlupfloch hineinverhandeln wollte. Brasilien wollte in der Tat, dass sich beide Länder, die, die etwas kaufen, und die, die etwas umsetzen, den Klimaschutz zugute schreiben können, dass der zweimal vom Klimaziel abgezogen wird. Das wäre absurd und deswegen war es gut, dass das verschoben wurde und man dem nicht irgendwie nachgegeben hat.
    Heuer: Wenn der kommt, dieser internationale Emissionshandel mit klaren Regeln, ist das dann tatsächlich das scharfe Schwert, das die Staaten dazu zwingen wird, in der Praxis die Klimaschutzziele tatsächlich umzusetzen?
    Bals: Nein, es zwingt niemand die Staaten, das wirklich umzusetzen. Dieser politische Wille muss zuhause und auch in Allianzen der Staaten zur Umsetzung erfolgen. Aber es steigert die Wahrscheinlichkeit, dass es kommt, und da ist dieses Naming and Shaming, diese Konferenzen, wo offengelegt wird, wer seine Ziele nicht erfüllt und die anderen Staaten darauf Druck ausüben, wesentlich wirkungsvoller als der Ausschluss aus dem Emissionshandel. Aber es ist ein zusätzlicher Anreiz.
    "Die letzte große Revolte der fossilen Industrie"
    Heuer: Das sagen Sie, Herr Bals. Aber ist das nicht vielleicht ein bisschen zu optimistisch? Wen erschreckt denn Naming and Shaming in Zeiten von Trump, Putin und Bolsonaro?
    Bals: Es erschreckt ungefähr 180 Staaten auf diesem Planeten. Dass es einige gibt, die das möglicherweise nicht erschreckt, das ist richtig. Was wir dort sehen ist im Moment die letzte große Revolte der fossilen Industrie. Diese Regierungen sind maßgeblich finanziert von Akteuren der fossilen Energie. Wir haben gerade gesehen, dass ein Lobbyist für die Öl- und Gasindustrie nun neuer Innenminister in den USA wird, um nur eines von ganz vielen Beispielen zu nennen. Wenn aber die anderen Staaten das jetzt entschieden umsetzen und dieser neue Schwung, den Herr Altmaier angekündigt hat, sich in vielen Staaten zeigt – zwölf EU-Staaten haben einen CO2-Preis angekündigt und gesagt, sie wollen dabei jetzt vorangehen in Kattowitz -, wenn das gelingt, dass dieser Aufbruch jetzt organisiert wird, dann habe ich wenig Angst davor, dass in einigen Jahren auch die USA, wo ja viele Bundesstaaten schon ganz anders, positiv sich aufstellen, dass das dann Geschichte sein wird und man sagt, das war eine große Revolte der fossilen Industrie, aber die können wir auch wieder abhaken.
    Bals: EU sollte kein Soja mehr aus Brasilien importieren
    Heuer: Dann müssen wir aber auch hoffen, dass in Brasilien Bolsonaro irgendwann in absehbarer Zeit auch schon wieder Geschichte sein wird, und in anderen wichtigen Staaten auch. Wir reden ja nicht über die kleinen Player jetzt hier, die nicht mitziehen, sondern über große.
    Bals: Ja, da muss zum Beispiel die EU als zweitgrößter Importeur von Soja klar sagen, dass sie kein Soja mehr importiert aus Brasilien, wenn das zu Kosten des Regenwaldes und der Menschenrechte dort geht. Wenn man das umsetzen will, dann muss man auch zu den notwendigen Maßnahmen greifen, dass man solche Akteure unter Druck setzen kann. Daran wird sich das bemessen.
    Heuer: Mit Handelssanktionen?
    Bals: Mit Handelssanktionen, dass wir nicht mehr von Brasilien Soja beziehen. Soja ist der Haupttreiber für die Abholzung des Regenwaldes. Das können wir nicht mehr importieren, wenn, wie es auch Macron zum Beispiel angekündigt hat, dabei der Regenwald und die Menschenrechte auf der Strecke bleiben.
    "Wir brauchen Investitionsabkommen und auch Handelssanktionen"
    Heuer: Das wäre ein neues Instrument, das Sie da vorschlagen, Herr Bals. Ich wiederhole das noch mal: Handelssanktionen gegen Staaten, die beim Klimaschutz nicht entschieden genug mitmachen.
    Bals: Wir brauchen Investitionsabkommen und auch Handelssanktionen, um jetzt hier ernsthaft mit voranzukommen. Der Klimaschutz ist jetzt keine Wohlfühlveranstaltung mehr, wo man mal was macht, wenn man ein bisschen was will, sondern es geht darum, die Transformation der wesentlichen großen Gesellschaften dieser Welt zu organisieren, und dafür muss man auch entsprechende Rahmensetzungen setzen. Ansonsten bleibt das alles nur Gerede.
    Heuer: Christoph Bals, politischer Geschäftsführer bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Vielen Dank für das Interview, Herr Bals.
    Bals: Ich danke auch herzlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.