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Klimawandel im Himalaya
Nepals Landwirtschaft blickt schweren Zeiten entgegen

Ein Sonderbericht des Weltklimarats zeichnet ein beunruhigendes Bild der Veränderungen in Nepal: Nicht nur das Abschmelzen der Gletscher hat bisher ungekannte Ausmaße angenommen. Im Zeichen des Klimawandels fällt es der Landwirtschaft in der Region auch immer schwerer, die Menschen vor Ort zu ernähren.

Von Michael Stang | 17.10.2019
Anwohner laufen mit Regenschirmen durch einen überfluteten Teil von Kathmandu.
Der Monsun in Nepal dauerte in diesem Jahr bis in den Oktober hinein (AFP / Prakash Mathema)
Der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC, der im August veröffentlicht wurde, sei einerseits erschreckend für Nepal, andererseits liefert er Gewissheit, sagt Sunil Manandhar. Denn die Daten belegen eindeutig, wie prekär die Situation für sein Land ist, so der ehemalige Wirtschaftsminister.
"Der Report ist ein historisches und wichtiges Dokument. Er wird uns helfen, die Rechte der Menschen in Entwicklungsländern zu stärken. Die Weltgemeinschaft sollte mehr in die dortige Ernährungssicherheit investieren, um die Menschen in den betroffenen Gebieten zu schützen."
Die heute schon existenten und die künftig zu erwartenden Probleme werden sich nur mit großen Anstrengungen in den Griff kriegen lassen. Der Klimawandel habe in Nepal längst begonnen. Das betrifft nicht nur die schmelzenden Gletscher im Himalaya, sondern auch die verlängerte Regenzeit. Selbst im Oktober war der Monsun immer noch nicht vorbei. In dem Report geht es aber vor allem um die immer schwierigere Landnutzung.
Landwirtschaft und Ernährung
"Dieser Bericht besagt, dass Land die Hauptgrundlage für den Lebensunterhalt und das Wohlergehen des Menschen darstellt, einschließlich der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und der biologischen Vielfalt."
Zudem geht aus den neuen Daten hervor, dass die landwirtschaftlich genutzten Böden nicht nur Treibhausgase binden, sondern auch freisetzen. Doch der CO2-Austoß spielt für die Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle, wenn es um Landwirtschaft und Ernährung geht.
"Wie können wir ohne Ernährungssicherheit gegen den Klimawandel kämpfen? Wie kann ich über den Klimawandel sprechen, wenn ich sterbe? Also brauchen wir zuerst eine Nahrungsgarantie für unsere Leute!"
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der ehemalige nepalesische Wirtschaftsminister Sunil Manandhar (links) im Gespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten Michael Stang (Michael Stang / Deutschlandradio)
Erosion trägt fruchtbares Land ab
Diese Zusammenhänge sind nicht nur für die Politik wichtig, sondern auch für die Wissenschaft. Dinesh Bhuju von der Nepalesischen Akademie der Wissenschaften und Technik betrachtet diese Entwicklungen mit großer Sorge.
"Wir sind ein Gebirgsland, wir haben generell nur sehr wenig wirtschaftlich nutzbares Land, vor allem im Vergleich mit unseren Nachbarländern wie Indien, Bangladesch, Pakistan oder Sri Lanka. Nepal weist mit weniger als 15 Prozent die geringste Menge nutzbarer Landfläche auf. Also müssen wir dieses Land mit Bedacht nutzen, wir müssen den Erdboden erhalten und nachhaltig bewirtschaften."
Das bedeutet, dass die Landwirtschaft effektiver und schonender zugleich agieren muss. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die nutzbaren Böden werden erosionsbedingt immer weniger, so der Professor von der Midwestern University in Surkhet.
Wüstenbildung schreitet voran
"Die Daten zeigen, dass Nepal jedes Jahr 1,6 Millimeter Boden verliert, hochgerechnet sind das jährlich ungefähr 240 Millionen Kubikmeter".
In Nepal breiten sich auch die Wüsten immer weiter aus. Da hilft nur eine nachhaltige Landwirtschaft – etwa, dass Getreide nur noch in Terrassen angebaut wird, wo der Boden nicht so leicht weggespült werden kann. Auch hoch in den Bergen wird die Situation immer problematischer, so Dinesh Bhuju.
"In der Khumbu-Region gibt es mehrere Siedlungen der Sherpa. Diese betreiben Landwirtschaft und haben auch Vieh, hauptsächlich Schafe und Yaks."
Nachhaltige Bewirtschaftung als Alternative?
Die Sherpas haben seit jeher nachhaltig gewirtschaftet. Das bedeutet, dass sie etwa die Böden regelmäßig ruhen ließen.
"Sie verlassen jedes Jahr die Siedlungen für mehrere Wochen und nehmen auch ihr Vieh mit. In dieser Zeit können sich die Graslandschaften erholen und wieder wachsen können."
Doch der Klimawandel setzt auch diesem seit Jahrhunderten eingespielten Rhythmus zu. Die Baumgrenze verschiebt sich immer weiter nach oben. Lag sie 1958 noch bei 3673 Metern, wuchsen Bäume 2007 schon knapp 160 Meter höher. Daher müssen die Hirten in immer höhere Bergregionen vordringen, um Weideflächen für die Tiere zu finden. Doch diese Gebiete werden immer kleiner und die Wege länger. Dadurch ist die Existenz vieler Sherpas heute schon bedroht.