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Klose: Palästinas UN-Antrag dient nicht dem Frieden

Der Bundestagsabgeordnete, Hans-Ulrich Klose (SPD), sieht den Antrag der Palästinenser in der UNO kritisch. Er glaubt nicht, dass diese Maßnahme dem Frieden in der Region dient.

Hans-Ulrich Klose im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die UNO-Vollversammlung in diesem Jahr also ganz unter dem Eindruck des Versuchs der Palästinenser, den Schritt zu einem anerkannten eigenen Staat zu schaffen. In den kommenden Tagen will sich US-Präsident Obama darum bemühen, die Palästinenser von diesem Vorhaben abzubringen und zumindest zu versuchen, einen Kompromiss auszuhandeln.
    Am Telefon begrüße ich Hans-Ulrich Klose, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag.

    Guten Morgen, Herr Klose.

    Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen.

    Klein: Torpediert Abbas mit seinem Versuch eigentlich das ganze Unterfangen, einen eigenen Staat zu schaffen?

    Klose: Das glaube ich eigentlich nicht. Es ist eher der verzweifelte Versuch, auf gleicher Augenhöhe Verhandlungspartner mit Israel zu werden. Ob allerdings die Träume, die damit verbunden sind, Wirklichkeit werden, das ist die entscheidende Frage.

    Klein: Also ist das jetzt ein geschickter Schachzug von ihm? Tut er sich und der Sache wirklich einen Gefallen?

    Klose: Ich habe da meine leisen Zweifel, weil es ja passieren könnte, dass die UNO einen Beschluss fasst im Sinne von Abbas, aber dann ändert sich in Palästina überhaupt nichts, weil die entscheidenden Fragen nicht ausverhandelt sind, und es wird keinen Frieden geben, wenn nicht Verhandlungen geführt werden, die die Streitfragen beseitigen.

    Klein: Das heißt, Sie denken schon, man müsste ihn auch in seinem eigenen Interesse und im Interesse der Palästinenser von diesem Vorhaben abbringen?

    Klose: Na ich würde es nicht so absolut sagen, weil es sehr darauf ankommt, welchen Text der Antrag hat. Man könnte ja mal spekulieren und sagen, gut, die Palästinenser akzeptieren ihrerseits die Zwei-Staaten-Lösung und die Palästinenser, das hieße in diesem Fall nicht nur Abbas, sondern auch Hamas. Die Hamas hat sich bisher immer geweigert, das anzuerkennen, weil sie ja Anspruch auf ganz Palästina erheben. Es kommt also sehr auf Formulierungen an. Der entscheidende Unterschied bei einem Beschluss der UNO wäre, dass der Konflikt in Zukunft ein internationaler Konflikt wäre, dass er die UNO beschäftigen würde, und die UNO hat sich in der Vergangenheit als extrem israelkritisch gezeigt. Sie ist also nur mit großen Vorbehalten als neutral zu bezeichnen.

    Klein: Schauen wir mal auf das, was sich jetzt in den kommenden Tagen in New York abspielen wird. Im Sicherheitsrat würde ein solcher Antrag in jedem Fall am Veto der Vereinigten Staaten scheitern, das ist eigentlich schon klar. Daher spricht man schon kaum noch darüber, sondern eigentlich nur noch über eine Initiative, die in die UNO-Vollversammlung eingebracht werden könnte. Da wird es wahrscheinlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit geben, die dafür notwendig wäre. Nur darum geht es ja eigentlich noch. Die Frage ist, wie sehr würde das die Palästinenser aufwerten an der Stelle?

    Klose: Es würde sie vor der Weltöffentlichkeit aufwerten, aber es löst das Problem nicht, sondern die Fragen, um die es am Ende bei einer Friedensregelung geht, müssen sich die beiden Seiten verständigen, es müssen Verhandlungen geführt werden, und wenn die Verhandlungen auf der Weltbühne in der UNO geführt werden, dann werden sie nicht leichter.

    Klein: Sie haben Ihre Bedenken gerade angesprochen, weil, wie Sie sagten, die UNO oftmals israelfeindlich oder israelkritisch oder zu israelkritisch nach Ihrer Meinung entschieden und verhandelt habe. Welche konkreten Folgen befürchten Sie denn?

    Klose: Na ja, ich meine, ich gucke mir immer an die Praxis des Menschenrechtsrates der UNO. Dort werden regelmäßig Verurteilungen Israels ausgesprochen, und zwar von Staaten, bei denen man sich nur wundern kann, woher sie die Chuzpe nehmen, über Menschenrechtsfragen in anderen Ländern zu urteilen. Daran kann man klar erkennen, auch an den sogenannten Durban-Konferenzen, es gibt in der UNO eine starke Bewegung, Israel in die Ecke zu stellen, und natürlich würden die Palästinenser im Extremfall diese Bühne nutzen, und das erleichtert die Verhandlungen ja nicht, sondern das erschwert sie in Wahrheit.

    Klein: Es geht jetzt ja auch darum bei dem Antrag, der in der Vollversammlung möglicherweise eingebracht werden könnte, den Status der Palästinenser zu erhöhen von Beobachter auf beobachtender Nichtmitgliedsstaat. Diese feinen Unterschiede muss man haben in der Diplomatie. Damit hätten sie Zugang zu UNO-Gremien wie dem Internationalen Strafgerichtshof zum Beispiel Aber genau darauf sollen die Palästinenser nun verzichten. Das ist der Plan von Catherine Ashton, der EU-Außenbeauftragten. Geben Sie dem gewisse Erfolgschancen?

    Klose: Also ich glaube, um ehrlich zu sein, nicht daran und in Wahrheit ist das dann natürlich auch eine halbe Lösung. Aber das Problem, das Sie damit ansprechen, existiert natürlich. Es wird eine weitere Bühne geschaffen, um Israel vorzuführen, und ich vermute, dass das in Israel, wo die Positionen ohnehin hart sind, noch zu einer zusätzlichen Verhärtung führt. Insofern glaube ich, dass diese ganze Maßnahme jedenfalls dem Frieden in der Region nicht dient.

    Klein: Wenn man sagt, die Palästinenser sollen einen beobachtenden Nichtmitgliedsstatus bekommen, sie aber gleichzeitig von diesen genannten UNO-Gremien ausschließt, wie glaubwürdig ist denn diese ganze Prozedur? Kann man das dann nicht eigentlich auch lassen?

    Klose: Ja, man könnte es lassen. Das einzige, was man zugeben muss, ist: die Verhandlungen haben bisher nicht sehr viel gebracht. Und nicht zu leugnen ist, dass auch die israelische Position im Augenblick, die Position der gegenwärtigen israelischen Regierung, um es genau zu sagen, nicht unbedingt friedensförderlich ist.

    Klein: Deutschland hat sich bereits festgelegt, zumindest vor einiger Zeit, auf eine Art Veto. Wir sind ja nicht ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat, aber klar ist, dass wohl die Kanzlerin Benjamin Netanjahu zugesagt hat, dass sie eine solche einseitige Initiative der Palästinenser nicht mit unterstützen würde. Ist das eine kluge Position aus Ihrer Sicht?

    Klose: Es ist eine Position, die eine Festlegung bringt, und ich hätte, wenn man mich gefragt hätte, dazu nicht geraten, weil es wie gesagt davon abhängt, welchen Text diese Entschließung hat. Und das muss man sich genau ansehen. Es ist im Übrigen so, dass im Deutschen Bundestag es auch andere Stimmen gibt, auch Stimmen aus dem Lager der Bundesregierung. Gleichwohl ist es eine starke Festlegung und ich nehme mal an, dass die Bundesrepublik Deutschland in der UNO, in der Vollversammlung oder im UN-Sicherheitsrat, entsprechend dieser Vorgabe auch votieren wird.

    Klein: Wäre es dann auch möglich, wenn sich eine Art Kompromiss finden lässt, zum Beispiel unter Mithilfe der Europäischen Union, dass man davon ein wenig weg kommt, das mitträgt und damit sich sozusagen auch nicht isoliert und weiterhin auch möglicherweise Einfluss- und Mitsprachemöglichkeiten in dem ganzen Konflikt eben behält von deutscher Seite aus?

    Klose: Ich halte das für möglich, wage aber keine Prophezeiung und bin auch nicht übertrieben optimistisch. Es wird sehr davon abhängen, ob es den Amerikanern gelingt, in dieser Sache noch etwas zu bewegen. Aber auch da bin ich nicht übertrieben optimistisch.

    Klein: Also viel Pessimismus hören wir heute von Ihnen, Herr Klose.

    Klose: Nein! Die Situation ist extrem schwierig, extrem festgefahren und das Ganze ist eine Aktion, die auf die Bühne drängt, und immer in solchen Fällen ist es ganz schwierig, noch zu einer vernünftigen Regelung zurückzufinden.

    Klein: Aber ich habe noch nicht ganz verstanden, wenn Sie sagen, das ist ohnehin problematisch, der Versuch, die Palästinenser auf diesem Wege in die UNO einzubinden. Dann weiß ich noch nicht ganz genau, welches Ziel sollten denn die Kompromissbemühungen, sei es vonseiten der Amerikaner oder der Deutschen, der Europäischen Union, jetzt haben?

    Klose: Es wäre dringend an der Zeit, beide Seiten, die Regierung in Israel und die Palästinenser, an den Verhandlungstisch zu bringen und wirklich zu verhandeln. Denn sehen Sie mal: egal was die UNO jetzt beschließt, die Probleme, die es gegenwärtig gibt, die sind doch mit einem solchen Beschluss nicht vom Tisch. Es ist lediglich eine andere Verhandlungsebene, die geschaffen worden ist, aber keine, die in der Sache wirklich hilfreich ist.

    Klein: Und Verhandlungen finden im Augenblick nicht statt, und die Frage ist ja, was könnte zu diesen Verhandlungen dann doch noch einmal führen in der nächsten Zeit?

    Klose: Na ja, die israelische Regierung müsste sich schon bewegen und Angebote machen, die unausweichlich sind am Ende. Ich nenne das Stichwort Siedlungspolitik. Alle wissen, dass das ein wesentliches Hindernis ist, und das kann ja auch so nicht weitergehen, weil die Art und Weise, wie die Besiedlung der Westbank tatsächlich läuft, macht ja fast unmöglich, dass dort ein unabhängiger Staat jemals entstehen könnte.

    Klein: Ein Wort noch mal zur US-Regierung und Präsident Obama. Sie haben es gerade noch mal angesprochen. Die Erwartungen, die man im Augenblick auf ihn setzt, gehen inzwischen gegen null. Er hat das Versprechen von vor einem Jahr, dass es einen Palästinenserstaat geben wird, innerhalb von zwölf Monaten, nicht einhalten können. Und jetzt gebietet die Rücksicht auf jüdische Wähler Zurückhaltung mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Was war der eine entscheidende Fehler, den er gemacht hat, und hat er die Chance, das jetzt noch zu korrigieren?

    Klose: Also ich bin da etwas zurückhaltend in öffentlichen Kommentaren. Aber man könnte sagen, dass die Ankündigungen am Anfang vielleicht etwas groß waren und zu vollmundig, und damit ist die Verhandlungssituation eher erschwert als erleichtert worden.

    Klein: Aber er ist mit großen Hoffnungen ja gestartet. Vielleicht nicht von allen Seiten?

    Klose: Ja, das ist schon richtig. Aber mit großen Hoffnungen zu starten ist das eine, und Wege zu finden, um ganz praktisch politisch voranzukommen, ist etwas anderes.

    Klein: Und da muss man sagen, da hat er an der Stelle versagt?

    Klose: Ach, das Wort "versagen" ist ein bisschen hart. Aber im Nachhinein jedenfalls muss man sagen, weil man im Nachhinein ja immer klüger ist, es wäre vielleicht besser gewesen, nicht ganz so hohe Zielvorgaben zu machen und stattdessen sich beharrlich zu bemühen, was die Amerikaner ja lange getan haben, die beiden Seiten ins Gespräch zu bringen.

    Klein: Die Einschätzung des SPD-Außenpolitikers Hans-Ulrich Klose. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Klose: Nichts zu danken. Auf Wiederhören!

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    Mehr zum Thema auf dradio.de:

    Deutschlandradio Aktuell vom 20.09.2011
    Treffen zwischen Netanjahu und Abbas geplant

    Deutschlandfunk "Europa heute" vom 19.09.2011
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