Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Klose sieht Indizien für militärische Nutzung der Nukleartechnologie im Iran

Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose, hat im Atomstreit mit dem Iran für eine Verhandlungslösung plädiert. Wenn der Iran nur eine zivile Nutzung seines Atomprogramms anstrebe, könne Teheran sich auf Gespräche einlassen. Es gebe jedoch Indizien dafür, dass das Land auch die militärische Nutzung der Atomanlagen anstrebe, sagte der SPD-Politiker.

Moderation: Bettina Klein | 02.02.2006
    Bettina Klein: Sondersitzung der Atomenergiebehörde heute in Wien. So viel steht wohl fest: In einer Resolution soll beschlossen werden, den Atomstreit mit dem Iran dem Weltsicherheitsrat vorzulegen. Das ist noch einmal etwas anderes als eine formelle Überweisung dorthin. Bis es dazu oder gar zu Sanktionen kommt, ist noch einiges an Verhandlungsspielraum vorhanden. Über den weiteren Weg im Konflikt mit dem Iran möchte ich jetzt sprechen mit Hans-Ulrich Klose, Sozialdemokrat und stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Guten Morgen Herr Klose.

    Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen!

    Klein: Drohgebärde oder Gesichtswahrung? Teheran zeigt sich nach wie vor und vor allen Dingen jetzt gerade siegesgewiss und entschlossen. Wie ernst nehmen Sie diese Unbeirrbarkeit?

    Klose: Ich glaube schon, dass man das ernst nehmen muss, denn die Indizien dafür, dass der Iran nicht nur die zivile Nutzung der Nukleartechnologie anstrebt, sondern auch deren militärische Nutzung, die sind sehr stark. Wenn der Iran Nuklearmacht würde, dann wäre das für die Region, aber auch für die ganze Welt ein unheilvoller Schritt.

    Klein: Sollte die IAEO den Fall an den Weltsicherheitsrat überweisen, dann – so hat der Iran angekündigt – wird er die Zusammenarbeit bei den Kontrollen einstellen, die Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit Russland aussetzen und seine Tätigkeit forcieren. Sie rechnen also, dass das genau so kommen wird?

    Klose: Nein, davon bin ich noch nicht überzeugt, denn es gehört offenbar zur Taktik des Iran, zu täuschen und zu drohen. Auf der anderen Seite weiß die Führung des Landes – und das ist ja nicht nur der Präsident, sondern das sind die Mullahs mit Khamenei an der Spitze -, dass das Land in eine völlige Isolierung hineinläuft. Es mag Leute geben im Iran, die genau dies wollen, aber für die Bevölkerung des Iran – und das wissen auch die Mullahs – wäre das eine sehr negative Entwicklung. Deshalb glaube ich noch nicht, dass der Versuch, eine politische Lösung herbeizuführen, endgültig gescheitert ist.

    Klein: Es scheint von außen betrachtet im Moment auf eine Verhärtung zuzulaufen. Ist es richtig, diese Dynamik jetzt zuzulassen?

    Klose: Na ja, das was jetzt geschieht ist in Wahrheit Routine, denn genau das was jetzt passiert, die Unterrichtung des UN-Sicherheitsrates, das steht ja im Statut der IAEO und es geht ja nicht darum, den UN-Sicherheitsrat an die Stelle des Gouverneursrates der IAEO zu setzen, sondern einfach dem Sicherheitsrat zu berichten, was vorliegt, alles was bisher sich mit Iran beschäftigt, und dabei auch eine Entschließung aus dem September letzten Jahres, in der ja ausdrücklich festgestellt wird, dass der Iran sich nicht an die Regeln des Statutes hält. Dann geht die Sache ja wieder zurück oder bleibt beim Board der IAEO und es wird eine Frist genannt in der Entschließung, die am Montag gefasst worden ist, nämlich eine Frist bis zur Sitzung des Boards im März. Das heißt da ist Verhandlungsspielraum und ich denke wir sollten einfach mal ganz ruhig abwarten, wie die Dinge sich dann entwickeln.

    Klein: An welchen Punkten sehen Sie denn Ausstiegsmöglichkeiten aus diesem Szenario für den Iran?

    Klose: Das Angebot, die Anreicherung in Russland zu betreiben, also auf russischem Territorium und nicht im Iran, wäre ein Angebot, das uns jedenfalls weiterhelfen würde. Am Ende hängt alles davon ab, welches die wirklichen Absichten des Iran sind. Wenn der Iran es wirklich nur auf zivile Nutzung anlegt, kann er sich ohne weiteres darauf einlassen. Wenn er die Nuklearwaffe will, wird er sich widerborstig zeigen und wahrscheinlich die Sache auf die Spitze treiben.

    Klein: Sie rechnen wirklich damit, wenn es dem Iran damit ernst ist, dass er sich also auch von den Verhandlungen jetzt, von den Angeboten wirklich nicht von seinen Plänen abbringen lassen wird?

    Klose: Das kann so sein. Das wird dann im März zu entscheiden sein. Dann wird die Sache wieder im UN-Sicherheitsrat landen, der dann entscheiden muss, mit welchen Maßnahmen er den Iran veranlassen könnte, nachzugeben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Entschlossenheit im Iran so stark ist, dass wir auf eine zugespitzte Situation hinsteuern, die, um es zu wiederholen, für die Region und für die Welt gefährlich ist auch aus europäischer Sicht, denn Sie müssen immer bedenken, der Iran betreibt gleichzeitig ein ambitioniertes Raketenprogramm, verfügt schon über Raketen mit einer Reichweite von etwa 2000 Kilometern, strebt aber größere Reichweiten an. Das heißt, dass auch Europa erreichbar wird.

    Klein: Wenn es so käme, welchen Spielraum hat die internationale Staatengemeinschaft dann noch?

    Klose: Ich gehe zunächst einmal davon aus, wir bleiben bei dem Fahrplan: Versuch einer politisch-diplomatischen Lösung, dann, wenn das scheitern sollte, Befassung des UN-Sicherheitsrates und Abgabe der Kompetenz dorthin mit möglicherweise einer Entschließung, die verurteilt oder auch Sanktionen beschließt. Aber es kann am Ende sein, dass der Iran gleichwohl sein Programm fortsetzt und dann gibt es verschiedene Überlegungen. Es wird unter anderem darüber spekuliert, ob es eine militärische Option gibt. Die gibt es nach meiner Einschätzung nicht. Sie ist auch nicht wünschenswert. Worüber wir allerdings nachdenken müssten – ich formuliere das ausdrücklich im Konjunktiv – ist die Entwicklung einer neuen Abschreckungsstrategie.

    Klein: Wie könnte die aussehen?

    Klose: Na gut, wenn der Iran Nuklearmacht wäre – wiederum Konjunktiv -, dann muss er wissen: In dem Augenblick, in dem er Probleme bereitet, wird er als Nuklearmacht behandelt. Das heißt die Drohungen, die dann gegen ihn installiert werden, sind auch nuklear, so etwa wie man das im Kalten Krieg entwickelt hat. Nur ist die Situation hier deshalb schwieriger, weil wir es mit einem offenbar wenig berechenbaren Partner zu tun haben, was im Kalten Krieg nicht der Fall war.

    Klein: Herr Klose, es war gestern ein US-Experte im Fernsehen zu sehen, der so ein bisschen flapsig formulierte, irgendwann wird die USA auch dazu kommen zu sagen mein Gott, dann lasst denen doch die Bombe, unter anderem auch deswegen, weil der Iran natürlich auch über gewisse Druckmittel als Ölförderstaat verfügt. Wie schätzen Sie die Strategie und die Absichten der USA im Moment ein?

    Klose: Ich kann es Ihnen nicht genau sagen, weil ich stecke ja nicht in den internsten Kreisen in Washington. Die USA sind beunruhigt und legen es darauf an, den Iran davon abzuhalten, Nuklearmacht zu werden. Die USA sind genauso wie die Europäer nicht völlig sicher, können auch nicht völlig sicher sein, dass wir es verhindern können, so wenig wie wir es im Fall Nordkorea haben verhindern können. dass sich daraus dann Konsequenzen ergeben, ist klar. Sie müssen sich mal vorstellen, wie ist die Interessenlage der Öl produzierenden Golf-Anrainer, also der arabischen Länder? Wie verändert sich die Situation Israels? Wie werden sich die Saudis in Zukunft verhalten, die Ägypter und möglicherweise sogar die Türken? Das Hauptproblem wäre ja, dass andere Staaten nachziehen und auch nukleare militärische Kapazitäten anstreben. Das wäre dann der so genannte "worst case".

    Klein: Der dann was bedeuten könnte aus Ihrer Sicht?

    Klose: Je mehr Länder über Nuklearwaffen verfügen, über Massenvernichtungswaffen, umso größer wird die Gefahr, dass sie irgendwann in falsche unberechenbare Hände geraten und benutzt werden. Im Augenblick ist ja die Strategie die, dass Nuklearwaffen strategische Waffen sind, die man hat, um sie nicht einzusetzen. Das könnte sich ändern.

    Klein: Herr Klose, vielen Dank bis hierher. Lassen Sie uns kurz noch einen Blick auf ein anderes Thema richten. Im Fall der beiden entführten Deutschen im Irak läuft ein Ultimatum. Es wird irgendwann ablaufen. Die beiden Männer sind in Gefahr. Das ist anzunehmen. Man weiß im Moment nicht, wie es ihnen geht. Wie schätzen Sie die Situation im Augenblick ein?

    Klose: Ich kann dazu im Detail nichts sagen und selbst wenn ich es im Detail wüsste, würde ich es nicht sagen, weil jede Stellungnahme dazu die Arbeit des Krisenstabes erschwert. Ich denke aber man muss davon ausgehen, dass die Situation ernst ist, so ernst wie der Außenminister sie beschreibt. Ob es Kontakte gibt zu den Entführern, ob es Mittelsmänner gibt, die Kontakte herstellen, das kann ich Ihnen nicht sagen. Man weiß ja nicht mal genau, wann das so genannte Ultimatum ausläuft. Die Situation ist also nach meiner Einschätzung sehr ernst.