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Koalition in Thüringen
"Große Sorgen begleiten mich"

Der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) warnt unermüdlich vor einem linken Ministerpräsidenten in seinem Land. Deshalb wolle seine Partei bei der heutigen Wahl womöglich doch noch einen Gegenkandidaten aufstellen. Abweichlern müsse ein Angebot gemacht werden, sagte er im DLF.

Bernhard Vogel im Gespräch mit Christoph Heinemann | 05.12.2014
    Bernhard Vogel steht beim Parteitag am Rednerpult und gestikuliert, dahinter sieht man ihn noch mal auf einer Leinwand.
    Der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) auf dem Parteitag im November 2013 in Gera. (dpa / Michael Reichel)
    Nach Ansicht des früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) wird Bodo Ramelow als erster linker Ministerpräsident alles daran setzen, auch auf Bundesebene eine Regierungsbeteiligung der Linken zu ermöglichen. Er mache sich deshalb nicht nur Sorgen um die Zukunft eines erfolgreichen Bundeslandes, sondern auch um die Auswirkungen auf den Bund, sagte Vogel im Deutschlandfunk. Das linke Parteiprogramm sei nicht mit der jetzigen Außen- und Verteidigungspolitik zu vereinbaren.
    Die Linken wollten die politische Ordnung verändern, woran sie gehindert werden müssten, sagte Vogel. Bei der Ministerpräsidentenwahl habe er deshalb den parteilosen, ehemaligen Rektor der Jenaer Schiller-Universität, Klaus Dicke, vorgeschlagen. Dieser könnte von möglichen Abweichlern aus dem Regierungsbündnis im dritten Wahlgang gewählt werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Mitgehört hat Bernhard Vogel (CDU), der ehemalige Ministerpräsident Thüringens. Guten Morgen.
    Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Vogel, geht, wenn Bodo Ramelow heute gewählt wird, in Erfurt das Abendland unter?
    Vogel: Nein, natürlich geht das Abendland nicht unter. Aber große Sorgen begleiten mich, wenn es dazu kommen sollte, nicht nur wegen der Zukunft eines erfolgreichen Landes, wegen Thüringen, sondern auch wegen der langfristigen Auswirkungen auf Berlin, auf die Bundespolitik.
    Heinemann: Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie?
    Vogel: Ich rechne mit der Auswirkung, dass Herr Ramelow mit leisen Sohlen in den ersten beiden Jahren alles tun wird, um in Berlin zu signalisieren, man kann auch mit uns.
    Heinemann: Und das wäre schlimm?
    Vogel: Und das möchte ich nicht haben! Es ist ja gerade von Frau Göring-Eckardt völlig zurecht gesagt worden, etwa was Israel, was die ganze deutsche Außen- und Verteidigungspolitik betrifft, und auch eine ganze Menge innenpolitische Fragen sind mit den Linken, wenn man ihr Programm wirklich ernsthaft liest und nicht den Fehler begeht, darüber hinwegzuschauen, nicht zu vereinbaren.
    Heinemann: Nun hat auch Frau Göring-Eckardt noch mal daran erinnert, dass über die Außen- und Verteidigungspolitik nicht in Erfurt entschieden wird. - Herr Vogel, Bodo Ramelow ist gläubiger Christ. Was spricht für einen CDU-Politiker dagegen, wenn ein bekennender Christ Regierungschef wird?
    Vogel: Ein bekennender Christ ist für einen anderen Christen natürlich als Christ willkommen. Aber wenn er falsche Thesen und falsche Ziele vertritt, etwa in der Politik, dann muss man genauso widersprechen, wie man einem Nichtchristen widersprechen müsste.
    Im dritten Wahlgang ein "überzeugendes Angebot" machen
    Heinemann: Schauen wir uns die falschen Ziele an: kostenloses Kita-Jahr oder eine Gebietsreform. Ist das für Sie sozialistisches Teufelswerk?
    Vogel: Nein. Ich habe ja gerade gesagt, es geht nicht um das Teufelswerk der ersten Jahre und der ersten Wochen, sondern es geht darum, dass jemand, der sich nach wie vor eindeutig zum Sozialismus bekennt, der unsere Ordnung verändern will, der eine andere Ordnung anstrebt, dass der daran gehindert wird, damit zu beginnen. Natürlich ist nicht jede Veränderung, eine Million anders auszugeben, wie sie bisher ausgegeben worden ist, ein Teufelswerk, aber daran kann man doch nicht die Gesamtfrage entscheiden, ob tatsächlich die, die die Demonstranten von 1989 zurück in die Produktion gewünscht haben, nämlich die Stasi, ob man denen jetzt wieder die Regierungstore öffnet.
    Heinemann: Herr Vogel, die CDU wird auf Ihren Vorschlag hin mit dem ehemaligen Rektor der Universität Jena, mit Klaus Dicke, möglicherweise in einen dritten Wahlgang eingreifen. Ist das nicht ein Armutszeugnis für die CDU, jemanden von außen holen zu müssen, weil die eigenen Leute nicht mehrheitsfähig sind?
    Vogel: So kann ich das nicht sehen, sondern mich leiten bei meinem Vorschlag zwei Überlegungen. Erstens: Es soll zu keinem Streit über die Auslegung, was Stimmenmehrheit ist in einem dritten Wahlgang, kommen, sondern durch eine Gegenkandidatur soll gesichert werden, dass der dritte Wahlgang - wenn es denn zu ihm kommen sollte - eine klare Entscheidung bringt und nicht den Gang der einen oder anderen Seite vor das Verfassungsgericht.
    Und zweitens: Wenn es zu einem dritten Wahlgang kommen sollte, wird ja deutlich, dass Mitglieder der SPD-Fraktion oder der Grünen-Fraktion dem Bündnis nicht zugestimmt haben, und diesen muss ein Angebot gemacht werden für einen Neubeginn der Zusammenarbeit der demokratischen Parteien, CDU, SPD und möglichst auch die Grünen, und darum bin ich der Meinung, dass wir ein solches, wirklich überzeugendes Angebot machen sollten, wenn es wirklich zu einem dritten Wahlgang kommen sollte.
    "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person"
    Heinemann: Und kein Mitglied der CDU-Landtagsfraktion steht für diesen Neubeginn?
    Vogel: Natürlich stehen die CDU-Landtagsmitglieder für einen Neubeginn. Ganz selbstverständlich! Sie hätten dazu ja schon gestanden am Wahlabend. Aber ich bin eben der Meinung, es geht ums Land, noch mehr als um irgendeine Partei. Erst das Land, dann die Partei, dann die Person, und deswegen halte ich ein so überzeugendes Angebot wie beispielsweise den langjährigen Rektor der Universität Jena, wie Herrn Dicke für eine faire Aufforderung, lasst uns einen neuen Anfang für eine erfolgreiche Zusammenarbeit setzen.
    Heinemann: Wolfgang Bosbach, Ihr Parteifreund, empfiehlt den Thüringer Kolleginnen und Kollegen, ein CDU-Kandidat solle sich auch mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Ist jedes Mittel gegen Rot-Rot-Grün recht?
    Vogel: Herr Bosbach hat meine hohe Sympathie, aber in diesem Fall wähne ich mich etwas Thüringen-kundiger wie er und mache deswegen meinen Vorschlag, den Abweichlern vom Koalitionsabkommen, wenn es sie gibt, von diesem Bündnis mit den Linken, jetzt ein neues, überzeugendes, parteiübergreifendes Angebot zu machen. Das ist meiner Ansicht nach nicht Schwäche, sondern Stärke, wenn Sie so wollen, ein kleines bisschen Souveränität.
    Heinemann: Bernhard Vogel, CDU, der ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Thüringen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Vogel: Bitte! Auf Wiederschauen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen..