Koalitionsausschuss
Breite Kritik nach Beschluss zur Stromsteuer-Senkung - Mütterrente wird früher ausgeweitet

Die Entscheidung der schwarz-roten Koalition, die Stromsteuer vorerst nicht für alle zu senken, stößt auf breite Kritik bei Wirtschaft, Sozialverbänden, Opposition - und sogar innerhalb der Union. Eine Einigung gab es aber bei der Ausweitung der Mütterrente.

    Der Mann trägt eine Maske, die das Gesicht des Bundeskanzlers zeigt. Man sieht ihn von der Seite und deshalb auch sein Gesicht.
    Protest eines Klima-Aktivisten vor dem Beginn des Koalitionsauschusses. (Christoph Soeder / dpa / Christoph Soeder)
    Eine von vielen - auch innerhalb der Koalition - geforderte Ausweitung der Stromsteuersenkung auch auf den Mittelstand und die privaten Haushalte wurde bei dem bis in die Nacht dauernden Treffen der Koalitionsspitzen nicht beschlossen. Damit gilt die Senkung wie zuletzt vereinbart nur für die Industrie sowie die Land- und Forstwirtschaft. Eine weitere Entlastung solle erst dann folgen, wenn dafür finanzielle Spielräume bestünden, hieß es in einem Ergebnispapier des Treffens.

    Vorwurf des Wortbruchs

    Der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der CDU, Radtke, warf der Unionsführung vor, ein zentrales Wahlversprechen nicht einzulösen. Radtke sagte der "Bild"-Zeitung, Aufgabe der Koalition sei nicht nur, Deutschland wieder voranzubringen, sondern auch verlorenes Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.
    Auch Grünen-Fraktionschefin Haßelmann warf Bundeskanzler Merz Wortbruch vor. Man habe den Bürgern konkrete Entlastungen versprochen, sagte sie im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Nun heiße es, dafür sei kein Geld da oder vielleicht irgendwann.
    Die Vorsitzend der Linken, Schwerdtner, sagte: "Entlastung nach Kassenlage heißt Entlastung am St. Nimmerleinstag". Geld sei für das da, was politisch gewollt sei. Von der Regierung gewollt seien offensichtlich Ausgaben für Unternehmensgeschenke und Waffen, nicht die Entlastung der Mehrheit. "Das ist ein Konjunkturprogramm für Frust und Rechtsruck".

    Kritik auch aus dem Mittelstand

    Ähnliche Kritik kam aus der Wirtschaft: Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Dittrich, kritisierte, viele Betriebe hätten sich auf die ursprünglich angekündigte Senkung der Stromsteuer eingestellt. Wenn zentrale und mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kämen, gerate das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handels insgesamt ins Wanken. Der Präsident des Handelsverbands Deutschland, von Preen, erklärte, auf das Wort der Bundesregierung sei offenbar kein Verlass. DIHK-Chef Adrian nannte die Entscheidung ein fatales Signal an die Wirtschaft zur falschen Zeit. In kaum einem anderen Land müssten Unternehmen so viel für Energie zahlen wie in Deutschland, bemängelte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer.

    Sozialverband Deutschland: "Fatales Signal"

    Der Sozialverband Deutschland kritisierte die ausbleibende Stromsteuer-Senkung für Privathaushalte als ein "fatales Signal". Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten benötigten die Bürger spürbare Entlastungen, sagte die Vorsitzende des Verbands, Engelmeier, der Deutschen Presse-Agentur.

    Miersch: Ziel wird weiter verfolgt

    Die Koalitionäre verteidigten ihre Entscheidung: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Miersch sagte im Deutschlandfunk (Audiolink), das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel werde man in dieser Legislaturperiode weiter verfolgen. Die jetzt beschlossene Entlastung für die Industrie sowie die Land- und Forstwirtschaft sei aber wichtiger, da dort Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. Miersch verwies darauf, dass man für Privatverbraucher jetzt schon erhebliche Entlastungen beschlossen habe. Durch Änderungen bei den Netzentgelten und der Gasspeicher-Umlage würde eine vierköpfige Familie um etwa 100 Euro pro Jahr entlastet.
    Auch Unionsfraktionschef Spahn verteidigte den Beschluss. Die Koalition halte an dem Ziel fest, die Stromkosten für alle deutlich zu senken, sagte er im ARD-Fernsehen. Nötig seien aber auch solide Finanzen.
    Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag ursprünglich vereinbart, die Stromsteuer für alle zu senken. Eine Ausweitung würde nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten.

    Ausweitung der Mütterrente kommt früher

    Bei der Mütterrente wurden sich die Koalitionäre einig: Deren Ausweitung wird schon ab dem 1. Januar 2027 umgesetzt. Das ist ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Sofern eine technische Umsetzung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sei, werde die Leistung rückwirkend ausgezahlt, heißt es in dem Beschlusspapier von Union und SPD. Es geht darum, dass bei der Rente auch für vor 1992 geborene Kinder drei Jahre der Kindererziehung angerechnet werden. Bisher sind es zweieinhalb Jahre.
    Die Ausweitung der Mütterrente war ein Wahlversprechen der CSU. Parteichef Söder hatte in den vergangenen Tagen dafür geworben, den Start früher als 2028 zu ermöglichen. Die Deutsche Rentenversicherung hatte aber darauf verwiesen, dass dies wegen der notwendigen Vorbereitung erst in drei Jahren möglich sei.
    Der Koalitionsausschuss tagt mindestens einmal im Monat. Er befasst sich mit "Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, die zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt werden müssen", wie es im Koalitionsvertrag heißt.
    Diese Nachricht wurde am 03.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.