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Kochkurse für Kinder boomen

Auch Frankreich, das Land der Feinschmecker, hat ein Gewichtsproblem: Eins von sieben Kindern ist zu dick, 2,8 Prozent gelten als fettsüchtig. Doch Dank einiger Kampagnen und Aktionen schneidet das Land besser ab als seine europäischen Nachbarn.

Suzanne Krause |
    Mittwochnachmittags empfängt Gilbert Luszezinski je sechs Kinder und deren Mutter oder Vater zum Kochkurs. In seiner Schulküche in einem großen Pariser Kaufhaus, und die befindet sich bezeichnenderweise neben der Feinkostabteilung. Heute stehen vier Desserts auf dem Programm. Die neunjährige Ethel weiß schon, welche:

    "Wir machen Cookies mit Carambar, Smoothie mit Kiwi und Banane, Kokos-Kekse und einen Crumble mit Äpfeln und Himbeeren."

    Die nächsten eineinhalb Stunden schnippeln alle eifrig Obst, schaben Vanilleschoten aus, rollen Cookies in der Hand. Eva, sechs Jahre alt, krümelt Teig zu Streuseln, angeleitet von ihrer Mutter Isabelle:

    "Der Kurs erlaubt uns, gemeinsam etwas Schönes zu machen. Eva hilft mir jedes Wochenende beim Kochen zuhause. Richtig und gut zu essen ist mir wichtig. So kaufe ich beispielsweise Fleisch nur beim Metzger und gehe zweimal in der Woche auf den Markt. Ich möchte meinem Kind das richtige Gespür fürs Essen beibringen. Da bin ich sehr traditionell eingestellt."

    Kochkurse für kleine Chefs mit oder ohne Elternteil gibt es zu Dutzenden im ganzen Land. Der größte Anbieter ist das Unternehmen "Ateliers des Chefs". Laut Gilbert Luszezinski, einem seiner Pariser Chefköche, melden sich regelmäßig vier- bis fünfmal mehr Teilnehmer als er Plätze hat. Obgleich das Programm 54 Euro kostet.

    Tausende junger Zuschauer verfolgen täglich zur Mittagszeit den Kochkurs des quotenstarken französischen Kinderkanals Gulli. In der Sendung: "C‘ moi qui regale" - in ungefähr: "Ich koche lecker auf", bereiten jeweils zwei Kinder, unterstützt von Chefkoch Benjamin Darnaud, ein Schlemmermahl für ihre Eltern zu. Selbstverständlich haben die Nachwuchsköche die Zutaten zuvor auf dem Markt frisch eingekauft. Und manch kleiner Zuschauer löchert im Anschluss seine Mama, es ihnen nachzutun. Das ist ganz im Sinne von Antoine Villeneuve, dem Programmverantwortlichen bei Gulli.

    "Gulli versteht sich nicht nur als Kinderfernsehen, sondern als Familienkanal. Wir erwarten von unseren jungen Zuschauern, dass sie von sich aus gewisse Themen in der Familie rüberbringen. Die wichtigsten Stichpunkte für uns lauten Ernährung und nachhaltige Entwicklung. Wir wollen den Kindern Argumente an die Hand geben, zum Thema ausgewogene Ernährung, richtig essen, um gesund zu bleiben. Denn dabei geht es ja nicht nur um die Volksgesundheit, sondern zuvorderst um die Gesundheit der Familie."

    Seit kurzem strahlt Gulli gar einen Kinderkochkurs abends im Familienprogramm aus. Die anderen Fernsehanstalten ziehen peu à peu nach, mit Kindersendungen rund um gesunde Ernährung und Geschmack. Dazu verpflichteten sie sich vor zwei Jahren gegenüber dem Pariser Gesundheitsministerium. Geschmackserziehung steht mittlerweile auch in Schulen auf dem Stundenplan. Sechs Pilotregionen bieten entsprechende Blockkurse - die im kommenden Schuljahr auf das ganze Land ausgeweitet werden. Als Vorbild dient die sogenannte "Woche des Geschmacks", die alljährlich in der dritten Oktoberwoche in ganz Frankreich stattfindet. 1989, zum Auftakt, waren es 250 Chefköche, die Schülern die vier wichtigsten Geschmacksrichtungen näherbrachten, erinnert der Präsident der "semaine du gout", Cyrille Schwartz:

    "Heute machen jährlich 3000 Chefköche bei der Geschmackswoche mit. Und darüber hinaus nun auch Landwirte, Metzger, Obst- und Gemüsezüchter, Bäcker. Kurzum: Vertreter all der Berufe, in denen es um Ernährung und Geschmack geht."

    Mit strahlenden Augen schaut Ethel auf die Früchte ihrer Kochkurs-Arbeit: zart angebräunte Kokos-Pyramiden und dampfende Cookies:

    "Ich liebe es, wie ein Chefkoch zu arbeiten."