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Königin Maria Stuart vor 475 Jahren geboren
Eine Herrscherin, die selbst regieren wollte

Kaum eine Woche alt, wird Maria Stuart im Jahr 1542 Königin von Schottland. Noch als Baby wird sie verlobt, wächst in Frankreich auf und kehrt 1561 in den Wirren der Reformation nach Schottland zurück. Als Regentin scheitert sie – muss fliehen: Maria Stuarts Leben endet dramatisch.

Von Ulrike Rückert | 08.12.2017
    "Die Königin kam vor ihrer Zeit mit einer Tochter nieder, einem sehr schwachen Kind, und man glaubt nicht, dass es leben wird."
    Das meldet ein englischer Diplomat nach London. Als die Königin von Schottland am 8. Dezember 1542 ein Kind zur Welt bringt, liegt König Jakob V. todkrank darnieder. Sechs Tage später stirbt er – und die neugeborene Maria Stuart ist Königin.
    Eine Tochter kann einen Thron erben, wenn es keinen Sohn gibt. Doch dieser seltene Fall wirft Fragen auf: In einer Ehe ist die Frau dem Mann untergeordnet – macht das den Gatten einer Königin zum indirekten Herrscher? Muss sie ihn zum Mitregenten machen? Wenn sie einen souveränen Fürsten heiratet, werden dann ihre Reiche vereint wie der Besitz eines Ehepaares?
    André Krischer: "Dass man damit grundsätzlich aber Probleme hat, das ist unbestritten. Und diese Probleme werden wiederum durch eine neue Konstellation angeheizt, nämlich durch die Reformation, die nun im 16. Jahrhundert die politisch-religiöse Landschaft in Europa grundlegend umwälzt."
    Schlüssel zur Herrschaft über Schottland
    Für Heinrich VIII. ist Maria der Schlüssel zur Herrschaft über Schottland, die England seit Jahrhunderten anstrebt. Sechs Monate alt, wird sie mit Heinrichs Sohn Edward verlobt.

    "Ihr wisst, der König von England ist ein mächtiger Fürst, und wir können ihm nicht widerstehen. Inzwischen könnte die junge Königin sterben oder anderes geschehen, wodurch Schottland befreit würde."
    So rechtfertigt sich der schottische Regent. Doch das Parlament widerruft den Vertrag, woraufhin Heinrich Schottland mit Krieg überzieht. Man bittet Frankreich um Hilfe, aber die hat ihren Preis: Maria wird am französischen Hof als Braut des Kronprinzen erzogen. Mit fünfzehn wird sie verheiratet, mit sechzehn Königin von Frankreich, mit achtzehn ist sie Witwe. Als sie 1561 nach Schottland zurückkehrt, ist ihr das Land völlig fremd. Das Parlament hat den Protestantismus zur Staatsreligion erklärt, Misstrauen empfängt die Katholikin. Ihr schärfster Feind ist der einflussreiche Prediger John Knox:

    "Einem Weib die Herrschaft über ein Reich, eine Nation oder eine Stadt zu geben, widerspricht der Natur, ist ein Hohn gegen Gott, ein Gegensatz zu seinem offenbarten Willen und endlich der Umsturz der guten Ordnung, allen Rechts und aller Gerechtigkeit."
    André Krischer: "Und Knox lässt es eben nicht bei seinem Traktat bewenden, sondern er zensiert ja auch den Lebenswandel Maria Stuarts, den er für äußerst liederlich und ausschweifend hält - dass sie tanzt und all solche Dinge, die man nun mal eben als Königin macht."
    Religionsstreit und Adelsfehden
    Zunächst gelingt es Maria, durch die Klippen von Religionsstreit und Adelsfehden zu lavieren. Den entscheidenden Fehler begeht sie bei der Wahl eines Ehemanns: gegen ihren Cousin Lord Darnley sind alle Parteien. Als ihr klar wird, wie unfähig er ist, verweigert sie ihm die Mitregentschaft. Wütend schließt er sich der Verschwörung zu einem Staatsstreich an. Nun entgleitet ihr alles. Bürgerkrieg bricht aus. Dann wird Darnley ermordet und man beschuldigt Maria der Anstiftung. Sicher beteiligt war ihr Verbündeter Bothwell, der nun selbst König werden will. Als Maria das ablehnt, entführt er sie.

    "Die Königin konnte nicht anders als ihn heiraten, da er ihr Gewalt angetan und bei ihr gelegen hat gegen ihren Willen."
    Schreibt ein Gefolgsmann. Nach den Vorstellungen der Zeit ist sie entehrt und kann das nur durch die Ehe gutmachen. Doch dagegen schließen sich die zerstrittenen Adligen zusammen, sperren Maria ein und zwingen sie zur Abdankung. Von einem Helfer befreit, flieht sie 1568 in einem Fischerboot nach England und bittet ihre Kusine Elisabeth um Hilfe. Damit gerät die englische Königin in ein politisches Dilemma, und sie setzt Maria gefangen.
    André Krischer: "Und da wird sie nun zum Dreh- und Angelpunkt ganz unterschiedlicher katholischer Verschwörungen, die alle zum Ziel haben, Elisabeth umzubringen und dann Maria Stuart an ihrer Stelle auf den englischen Thron zu setzen. Und deswegen ist sie für Elisabeth natürlich eine große Gefahr."
    Um sie davon zu befreien, wird Maria 1587 als Hochverräterin hingerichtet. Als Königin ist sie gescheitert, doch ihre dramatische Lebensgeschichte und ihr blutiges Ende verhelfen ihr zu historischem Ruhm.