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Kolonialismus verbindet
Die indische Elite von Kenia

Menschen mit indischen Vorfahren werden in Kenia offiziell als Volksgruppe anerkannt, ihre Ahnen kamen unter anderem durch das britische Empire nach Ostafrika. Heute nehmen indisch-stämmige Menschen wichtige Posten in Kenias Wirtschaft ein. Das moderne Indien buhlt zugleich um Rohstoffe im Land.

Von Antje Diekhans |
Copyright: imago/United Archives International An Asian pottery maker finishes off one of is last pots watched by his African helper. With most his clients gone he plans to join the the mass exodus of Kenyan Asians who are travelling to Britain to beat the British Government s proposed restrictions on immigration, the clampdown due to start the following week will only allow 1500 immigrants a year. Nairobi , Kenya 27 February 1968
Noch ein den 1960er Jahren wurden indisch-stämmige Menschen in Kenia durch Gesetze heftig diskriminiert. Heute zählen sie als Volksgruppe und nehmen wichtige Posten in der Gesellschaft ein. (imago stock&people)
Im Rahmen des Denkfabrik-Themas 2020 "Dekolonisiert euch" geht die Sendung "Wirtschaft und Gesellschaft" der Frage nach, wie die Kolonialzeit bis heute die Wirtschaft prägt.

13.7. Lieferkettengesetz: Ein Gesetz gegen Auswüchse der Globalisierung
14.7. EU-Handelspolitik: Was kommt nach Cotonou?
15.7. Deutsche Afrikapolitik: Kurze Kolonialzeit mit Nachwirkung
16.7. China in Afrika: Neues Kolonialherrentum?
17.7. Kolonialismus verbindet: Die indische Elite von Kenia
20.7. Deutsche Kolonialzeit in China: Es blieben Architektur und Bier
Politiker und Kenianer mit indischen Wurzeln versammeln sich vor einem Regierungsgebäude. Es ist ein besonderer Tag. Der Innenminister verkündet eine Entscheidung des Präsidenten:
"Ich habe die Ehre und das Vergnügen, folgenden Erlass bekannt zu geben: Die Inder sind jetzt offiziell die 44. Volksgruppe Kenias."
Dieser Schritt vor drei Jahren sollte ein Zeichen der Anerkennung sein. Etwa 90.000 Inder - beziehungsweise Kenianer mit indischen Vorfahren - leben in dem ostafrikanischen Land.
Migrationsgeschichte reicht mehr als 100 Jahre zurück
Viele haben einflussreiche Posten, sind Ärzte, Wissenschaftler, Politiker. So wie Shakeel Shabbir:
"Ich war das erste Parlamentsmitglied indischer Herkunft. Beziehungsweise der erste Inder, der gewählt wurde. Vor mir gab es einige Inder, die für das Parlament nominiert waren."
Drei Regierungszeiten ist er schon dabei. Die Vorfahren des Parlamentariers kamen vor mehr als 100 Jahren nach Kenia. Sein Großvater arbeitete bei der Eisenbahn, die damals von den britischen Kolonialherren ausgebaut wurde.
"Der höchste Posten, den er bekommen hat, war stellvertretender Stationsvorsteher. Alle besseren Tätigkeiten waren für die Briten reserviert."
Inder kämpften für Kenias Unabhängigkeit
Für die Kolonialmacht waren die Inder billige Arbeitskräfte. Die meisten sollten anpacken - bei der Bahnstrecke genauso wie beim Straßenbau, sagt Aly Khan Satchu, ein bekannter Wirtschaftsanalyst in Kenia, der selbst aus einer indischen Familie kommt.
"Ostafrika war eine Kolonie der Briten, beziehungsweise der Europäer. Genau wie Indien. Die Briten ermutigten die Inder, nach Ostafrika zu kommen."
Viele wurden gegen ihren Willen verschifft - und blieben dann trotzdem. Als die Kämpfe für die Unabhängigkeit begannen, waren auch Inder dabei.
"Es gab viele, denen das ein wichtiges Anliegen war. Weil sie selbst ja auch aus einer britischen Kolonie kamen."
Inzwischen ist von diesem verbindenden Element des Kolonialismus aber nichts mehr zu spüren. Die Inder bleiben in Kenia unter sich. Als Politiker Shakeel Shabbir eine Kenianerin heiratete, bekam er viel Kritik zu hören. Seiner Meinung nach stehen die Inder im Umgang mit den Afrikanern inzwischen den früheren Kolonialherren in nicht viel nach.
"Wir sind hier die auserwählte Elite. Wir sind die Reichen, die Geschäftsleute und schauen auf unsere afrikanischen Mitbürger hinab, weil sie ärmer sind. Den einzigen Kontakt, den indische Kinder zu Afrikanern haben, ist der zu ihren Hausdienern. Darum behandeln sie alle Afrikaner so, wie ihre Eltern mit den Angestellten umgingen."
Indischer Einfluss schwindet
Allerdings nimmt der Einfluss der Inder in der Wirtschaft ab. Das liegt zum einen an der wachsenden afrikanischen Mittelschicht, die ihnen die Posten streitig macht. Zum anderen am Einfluss Chinas. Eine Entwicklung, die der indischen Regierung nicht gefällt. Sie sucht nach Wegen, wieder eine größere Rolle zu spielen. Dabei sind die Beziehungen zwischen Indien und Ostafrika grundlegend anders als die zwischen China und dem afrikanischen Kontinent, meint Analyst Aly Khan Satchu.
"Sie gehen nicht von Staat zu Staat. Wie zum Beispiel in Kenia, wo die chinesische Regierung enorme Summen in den Bau von Bahnstrecken und Straßen gesteckt hat. Der indische Einfluss ist stark, weil er von Volk zu Volk geht."
Indien müsse einen größeren Vorteil daraus ziehen, dass auf dem afrikanischen Kontinent schon so viele Inder leben. Das sieht Politiker Shakeel Shabbir ähnlich. Die Inder müssten sich dafür einsetzen, dass die wirtschaftliche Entwicklung weiter vorangeht.
"Das ist die Botschaft, die ich an unsere asiatischen Landsleute schicken will. Ihr müsst ein wesentlicher Bestandteil von Afrika sein."