"Dass Sie auf Bewährung freigelassen worden sind - und deshalb sprechen wir nicht um Schuld oder Unschuld, sondern um das neue Leben in Ihrer Freiheit. Weil darüber haben Sie ein Buch geschrieben. Guten Abend, Jens Söring."
Es ist gar nicht so leicht, über die Geschichte von Jens Söring zu reden, wie man am Ausschnitt aus dieser NDR-Talkshow vom September 2021 merken kann. Jens Söring, das ist dieser Deutsche, der 33 Jahre im Gefängnis saß, die meiste Zeit in den USA, bis er Ende 2019 auf Bewährung nach Deutschland abgeschoben wurde.
Es ist gar nicht so leicht, über die Geschichte von Jens Söring zu reden, wie man am Ausschnitt aus dieser NDR-Talkshow vom September 2021 merken kann. Jens Söring, das ist dieser Deutsche, der 33 Jahre im Gefängnis saß, die meiste Zeit in den USA, bis er Ende 2019 auf Bewährung nach Deutschland abgeschoben wurde.
Zweimal zu lebenslänglich verurteilt
1985 waren die Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom ermordet worden. 1986 wurden Söring und seine Freundin auf der Flucht in England festgenommen. Söring gestand die brutale Tat mehrfach, revidierte sein Geständnis aber im Prozess in den USA 1990 und beschuldigte Elizabeth Haysom. Er wurde trotzdem zu zweimal lebenslänglich verurteilt.
Diese Geschichte geistert seit 15 Jahren durch die deutschen Medien, angefangen mit einem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" von 2007. Und seitdem steht irgendwie im Raum, dass die mehrfach geprüfte Verurteilung von Söring als Doppelmörder irgendwie falsch ist.
Podcast "Das System Söring" kontert mit Fakten
Nun hat gerade ein Podcast mit dem Namen "Das System Söring" die ganze Geschichte gut sortiert, das Geraune um die von Söring behauptete Unschuld mit Fakten gekontert und konnte sogar eine Insiderin präsentieren. Eine Frau aus dem sogenannten Freundeskreis von Jens Söring, der für ihn in Zeiten der Haft die Lobbyarbeit in eigener Sache organisiert hat – mit verkürzten Darstellungen von angeblichen Unschuldsbeweisen, die in übersichtlichen Präsentationen an Medien geschickt wurden.
Der deutsche Journalismus sieht die eigenen Vorurteile nicht
Wer den Podcast gehört hat, muss zu dem Schluss kommen: Bitter ist vor allem, wie bislang fast alle deutschen Medien Sörings Version der Geschichte in seinem Sinne vermittelt haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig – und sie zeigen, wo der deutsche Journalismus Defizite hat. Er checkt seine eigenen Vorurteile nicht.
So sind die Medien fasziniert von der Eloquenz des "Diplomatensohns" Söring. Ein Mensch, der Stipendien bekommt, weil er so klug ist, der Charles Dickens und Shakespeare kennt – der kann doch kein Verbrecher sein.
Frauenfeindlichkeit und Rassismus
Außerdem spielt Misogynie eine Rolle: Söring konnte in seiner Version Elizabeth Haysom auch deshalb zur eigentlichen Täterin machen, weil es Stereotypen wie die femme fatale oder die Hexe gibt, die alle irgendwie kennen. Frauen, die arme unschuldige Männer ins Unglück stürzen.
Rassismus ist ebenfalls mit von der Partie, wie man Sörings schwankenden Auskünften anhören kann – mal muss man um ihn bangen, weil die Machtverhältnisse im Gefängnis angeblich umgedreht sind. Dann ist er wieder der bessere Weiße, der für die schwarzen Mitgefangenen spricht und ihnen überlegen ist.
Was die Erzählung des verurteilten Doppelmörders ebenfalls eingängig macht, sind Ressentiments gegenüber dem US-amerikanischen Justizsystem. An dem mag vieles problematisch sein – aber das bedeutet eben nicht, dass Jens Söring kein rechtsstaatliches und faires Verfahren bekommen hat.
Wie wird die Geschichte künftig erzählt werden?
Es ist eine spannende Frage, wie es mit der Geschichte von Jens Söring in den deutschen Medien weitergeht. Werden die Leute, die Sörings Narrativ auf den Leim gegangen sind, die Größe haben, das einzugestehen?
Und: Wie wird die Geschichte künftig erzählt werden? Bei Netflix sind gleich zwei Serien über den Fall angekündigt, weil True-Crime-Geschichten ja so beliebt sind. Dabei wäre die Satire, die der Fall in deutschen Medien bislang war, viel lustiger.