Kommentar
EU-Misstrauensvotum - Kein Sturm im Wasserglas

Der Misstrauensantrag des Rechtsaußen-Flügels gegen EU-Kommissionschefin von der Leyen ist gescheitert. Das heißt aber keinesfalls, dass die sogenannte Ursula-Koalition weiter intakt ist.

Ein Kommentar von Klaus Remme |
Die Flagge der Europäischen Union weht vor wolkenlosem Himmel
Der nächste Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission könnte von links kommen, kommentiert Klaus Remme (picture alliance / Chromorange / Michael Bihlmayer)
Wie erwartet scheiterte das Misstrauensvotum gegen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Für EVP-Chef Weber sollte es dennoch eine Warnung sein. Wer das Ganze als Sturm im Wasserglas abtut, liegt aber falsch. Vielmehr zeigt sich, dass der Flirt mit Rechtsaußen
In Straßburg beginnen Parlamentssitzungen, anders als in Berlin, schon mal gerne mit ein paar Minuten Verspätung. Europa-Abgeordnete, die sich daran gewöhnt haben, hatten an diesem Donnerstag schlechte Karten.
Das erste Misstrauensvotum gegen eine EU-Kommission seit elf Jahren war für Punkt Zwölf angesetzt. Fünf nach Zwölf war alles vorbei. Wie erwartet kamen nicht annähernd ausreichend Stimmen zusammen, um den Rücktritt der Kommission, so wie von 175 Abgeordneten des Rechtsaußen-Flügels gefordert, zu erzwingen.
Wer die Abstimmung deshalb als Sturm im Wasserglas abtut, der liegt dennoch falsch. Über 160 Abgeordnete haben gar nicht erst abgestimmt, die werden ja nicht alle zu spät gekommen sein. Wenn beispielsweise die Abgeordneten der italienischen Meloni-Partei Fratelli d’Italia sich nicht beteiligt haben, obwohl der Antrag aus ihrer Fraktion kam, dann, weil sie etwas zu verlieren hatten, immerhin ist einer der ihren Vize-Präsident der Kommission.

Grüne und Sozialdemokraten: Keine Mehrheiten mit Rechtsaußen

Interessant sind vor allem die 360 Stimmen, die gegen den Antrag gestimmt und Ursula von der Leyen mit ihren Kommissaren damit im Amt bestätigt haben. Nur zehn Stimmen weniger als die Kommission bei der Wahl im vergangenen Jahr bekommen hat. Heißt das, die sogenannte Ursula-Koalition ist weiter intakt? Von wegen.
Wer mit "Nein" gestimmt hat, weil er unter keinen Umständen gemeinsame Sache mit den Rechten machen will, muss noch lange kein Anhänger dieser Kommission sein. Und wer mit "Nein" gestimmt hat, weil die globalen Herausforderungen vom Zollstreit mit Trump bis zur Ukraine, kein Chaos in Brüssel erlauben, auch der kann gleichzeitig mit dem Kurs von der Leyens hadern.
Noch interessanter als die Abstimmung, war eigentlich die Debatte darüber am Montag. Ursula von der Leyen verteidigte ihren Kurs ausführlich und in scharfem Ton gegen ihre Kritiker von rechts. Doch wenn sie schon dafür Applaus von Sozialdemokraten und Grünen erwartet hatte, wurde sie enttäuscht.

Warnung für EVP-Fraktionschef Weber

Es zeigte sich: Insbesondere die Taktik von Manfred Weber, CSU, dem Chef der Christdemokraten im Europäischen Parlament, hat ein gutes Jahr nach den Europawahlen für tiefe Risse in der Ursula-Koalition gesorgt. Mehrheiten mit Rechtsaußen sind für Sozialdemokraten und Grüne ein No-Go. Bei der Abstimmung ist das noch einmal gut gegangen.
Sollte die Verbitterung links von den Christdemokraten weiterwachsen, ist nicht ausgeschlossen, dass der nächste Misstrauensantrag von links kommt. In den kommenden Monaten stehen entscheidende Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen der Jahre 2028 bis 2034 an. Klingt technisch, ist aber ein politisches Großprojekt, dass selbst ein Manfred Weber und seine EVP nicht mit Rechtsaußen-Parteien in trockene Tücher bekommen. Das heutige Votum sollte auch Manfred Weber zeigen: Die Gegner Europas sitzen rechts.