Palantir bei der Polizei
Verbrannte Finger

Polizeibehörden in verschiedenen Bundesländern setzen auf die umstrittene Software Palantir - trotz starker verfassungsrechtlicher Bedenken. Diese werden - wie in anderen Politikbereichen auch - ignoriert. Bis zum nächsten Urteil.

Ein Kommentar von Katharina Thoms |
Palantir-Logo auf einem Smartphone-Display vor buntem Hintergrund
Palantir wurde mitgegründet vom Milliardär Peter Thiel, einem rechts-libertären Investor. (IMAGO / SOPA Images / Thomas Fuller)
Ein Kind guckt auf eine heiße Herdplatte – es weiß: Ich soll sie nicht anfassen. Denkt sich aber: Ich probier‘s trotzdem mal – aua!
Ähnlich scheint es in der Politik zu laufen. Immer wieder wird getestet: Wie weit können wir eigentlich gehen, bevor wir uns am Grundgesetz die Finger verbrennen? Es herrscht beizeiten eine solche Wurschtigkeit, mit der Gesetzgebende verfassungsrechtliche Grenzen und Maßgaben ignorieren: in der Klimapolitik, in der Asylpolitik und immer wieder in der Sicherheitspolitik.

Einsatz gegen Kleinkriminelle

Jetzt hat die NGO „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ Verfassungsbeschwerde eingereicht gegen das bayerische Polizeigesetz. Weil deutsche Polizeidienststellen mithilfe des zweifelhaften US-Unternehmens Palantir massenhaft Daten automatisiert auswerten, verknüpfen dürfen.
Vor zwei Jahren urteilte das Bundesverfassungsgericht schon über das hessische Polizeigesetz: Die Methoden, wie hier polizeiliche Daten – Aussagen, Chatverläufe, Tatverdächtigenprofile - automatisiert verknüpft werden, verstoßen gegen das Persönlichkeitsrecht. Auch gegen das ausgebesserte Gesetz läuft eine weitere Beschwerde. Sowie gegen NRW. Und jetzt Bayern. Immer wieder argumentieren Innenpolitiker: Terroranschläge und andere besonders schwere Straftaten könnten mithilfe der Software verhindert werden. Aber in Bayern geht es nicht nur um schwere Straftaten, sondern vor allem um geringere – bis zur Kleinkriminalität wie Fahrraddiebstähle, wie jüngste Recherchen der ARD zeigen.

Undurchsichtige Algorithmen

Und das mit dem mächtigen Tool - der Software von Palantir, keine Unbekannte. Vorstandsvorsitzender: Peter Thiel. Er gilt nicht nur als Trump-nah, sondern lehnt auch die Demokratie ab. Die Software: entwickelt zusammen mit US-Geheimdiensten. Einrichten und Warten? Geht natürlich nicht ohne Palantir-Mitarbeitende in deutschen Landeskriminalämtern. Mit der Software könnten auch Zeugen, Opfer in die große Auswertung gelangen - ohne, dass sie das erfahren. Die Algorithmen wie so oft bei großen US-Unternehmen: undurchsichtig.
Trotzdem will auch Baden-Württemberg jetzt die eigene Polizei mit Palantirs Software ausstatten. Weil es gerade so günstig war, hat das Innenministerium schon vor Monaten einen Vertrag abgeschlossen, ohne Gesetzesgrundlage. Die soll jetzt noch schnell vor dem Sommer verabschiedet werden. Auch Baden-Württemberg macht sich so ohne Not abhängig von einem zweifelhaften Unternehmen. Welche Grenzen das Bundesverfassungsgericht setzt? Da kann man ja einfach die nächste Beschwerde in Karlsruhe abwarten. Und sich gegebenenfalls die Finger verbrennen.