Kriegstüchtig muss die Truppe werden: Da ist sich Eva Högl mit dem Verteidigungsminister einig, auch wenn es die Wehrbeauftragte etwas weniger martialisch formuliert. Ihr Wehrbericht 2023 unterstreicht einmal mehr, dass unserem Land die eigene Sicherheit immer noch viel zu wenig wert ist. Es mangelt an Waffen und Munition. Panzer und Luftabwehrraketen, die an die Ukraine abgegeben wurden, müssen ersetzt werden.
Jene 100 Milliarden Euro, die der Bundeskanzler als Zeichen einer Zeitenwende Tage nach dem russischen Überfall zur Modernisierung der Bundeswehr auf den Weg brachte, werden Ende des Jahres verplant und 2027 ausgegeben sein. Und dann? Dann wird Russland wohl immer noch eine Gefahr für den Frieden in Europa sein. Um das von der NATO ausgegebene Zwei-Prozent-Ziel halten zu können, dürften Jahr für Jahr zusätzlich mindestens 25 Milliarden Euro für den Verteidigungsetat gebraucht werden.
Marode Kasernen und Personalschwund
Dabei geht es auch darum, den Dienst an der Waffe attraktiver zu machen. Zumindest aber müssen die Bedingungen stimmen, um dem derzeitigen Personalschwund entgegenzuwirken. Deutschlands Kasernen sind marode, die Tätigkeit beim Bund ist wenig familienfreundlich, der Frauenanteil mit etwa 15 Prozent weiter sehr gering. Fast ein Fünftel der Neueinsteiger bricht wieder ab.
Der Verteidigungsminister hat das Problem erkannt. Gerade erst hat sich Boris Pistorius in Schweden angeschaut, wie dort Nachwuchs rekrutiert wird. Eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht plant die Politik nicht, doch auch die Wehrbeauftragte mahnt zur Eile: Ein verpflichtendes Dienstjahr im sozialen oder kulturellen Bereich oder eben bei der Bundeswehr könnte die Personalnot zumindest lindern.
Scholz will ein "Friedenskanzler" sein
Olaf Scholz sollte dieser Wehrbericht zu denken geben. Der Kanzler wird den eigenen Maßstäben, die er mit seiner Zeitenwende-Rede ausgegeben hat, längst nicht mehr gerecht. Seine wenig schlüssige Argumentation mit Blick auf sein „Nein“ zur Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers macht gerade deutlich, dass der angeschlagene Regierungschef seine vielleicht letzte Chance zur Wiederwahl darin sieht, sich wie einst Gerhard Schröder als sozialdemokratischer Friedenskanzler zu profilieren.
Dieser Populismus aber wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Auch dieser Wehrbericht unterstreicht mit jeder Zeile: Der Aggressor Putin verlangt neue Prioritäten von uns. Deutschland zieht nicht in den Krieg, aber es muss in der Lage sein, sich zu verteidigen.