Kommentar zu AfD-Umfragehoch
Die Demokratie muss besser geschützt werden

Die AfD könnte 2024 in Thüringen als absoluter Sieger aus der Landtagswahl hervorgehen. Den anderen Parteien bleibe deshalb ein halbes Jahr, um die Institutionen zu festigen, meint Henry Bernhard.

Ein Kommentar von Henry Bernhardt |
Björn Höcke, AfD-Landeschef, sitzt im Saal des Hotel Pfiffelburg während des Landesparteitags der AfD. Auf dem Landesparteitag ist die Nachwahl eines Landesschatzmeisters sowie die turnusgemäÃe Neuwahl des Landesschiedsgerichts geplant. Die unmittelbar im Anschluss an den Landesparteitag beginnende Landeswahlversammlung wählt die Listenkandidaten der AfD zur Landtagswahl 2024.
Fraktionsvorsitzender Björn Höcke ist mit der AfD momentan im Umfragehoch. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
Die Landtagswahl im Herbst könnte der AfD Björn Höckes mehr als ein Drittel der Sitze im Erfurter Landtag bescheren. Welche Macht eine Partei mit Destruktionswillen entfalten kann, hat die AfD schon mit deutlich weniger Abgeordneten im Jahr 2020 gezeigt, als sie den ahnungs- wie planlosen und machtblinden Liberalen Thomas Kemmerich kurzzeitig ins Ministerpräsident-Amt brachte.
„Wir schlafwandeln in ein Desaster“, prophezeit nun der Thüringer Innenminister Georg Maier, SPD, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Maiers Sorge gilt der Landesverfassung, die einige Unschärfen aufweist. Und auch klar definierte Schwachstellen, an denen Populisten ihren Hebel ansetzen können.

Wenig Hoffnung auf populismusfeste Institutionen

Wer mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament besetzt, verfügt über eine Sperrminorität bei bestimmten Entscheidungen: Die Gremien, die Richter und Staatsanwälte wählen, Verfassungsrichter, der Präsident des Landesrechnungshofs – sie alle können nur mit zwei Dritteln der Abgeordneten gewählt werden.
Das gibt einer AfD mit einem Drittel der Sitze erhebliche Macht, eigene Leute in verantwortliche Posten zu hieven oder die anderen Parteien zu erpressen, Postenbesetzungen zu verschleppen, das demokratische System vorzuführen.
Die Frage ist nun, wie die Thüringer Landespolitik darauf reagiert. Verfassungsänderungen brauchen Augenmaß und Zeit. Und: eine Zweidrittel-Mehrheit. Aber solange im Landtag alle ihr eigenes Süppchen kochen, besteht wenig Hoffnung, dass die Institutionen populismusfester werden. Einziger Gewinner dabei: die AfD.
Der Rot-Rot-Grünen Minderheitskoalition springen zudem die führenden Köpfe ab, genervt und ausgelaugt. Die CDU will keinesfalls mit AfD oder Linken koalieren, die FDP zudem auch nicht mit den Grünen. 

Höcke scherzt nicht

Angesichts der Tatsache, dass weder CDU noch FDP Probleme damit haben, Abstimmungsmehrheiten mit der AfD einzuholen, lässt das finstere Vorahnungen für die Koalitionsfindung im Herbst 2024 aufkommen. Einziger Gewinner dabei wieder: die AfD.
Ein halbes Jahr bleibt den Demokraten im Erfurter Landtag noch, um die Institutionen zu festigen. Um zu ändern, dass zwingend der größten Fraktion das Amt des Landtagspräsidenten zusteht. Um die Wahl des Ministerpräsidenten endlich klar in der Verfassung zu verankern.
Ein halbes Jahr, in dem auch CDU und FDP begreifen müssen, dass die Thüringer Linken nicht mit der AfD gleichzusetzen sind, dass nur eine Mehrheitsregierung das Land aus der Erstarrung holen und einer weiter erstarkten AfD Paroli bieten kann. Dafür wird es Koalitionsformen brauchen, die bisher undenkbar schienen. Vor allem die CDU muss erkennen, dass die AfD die Christdemokraten nicht umarmen, sondern vernichten will.
Und die Wähler könnten nebenbei einsehen, dass es schlicht unanständig und gefährlich ist, eine Partei zu wählen, deren Chef Björn Höcke das bisherige Führungspersonal in Politik und Medien „entsorgen“ möchte, „entsorgen ohne Wenn und Aber“, und dabei „grundsätzlich anpacken“ und „keine halben Sachen“ machen will. Höcke scherzt nicht.