Kommentar
Zurückweisungen an der Grenze: Dobrindt scheitert mit Ansage

Das Verwaltungsgericht Berlin erklärt Zurückweisungen von Asylbewerbern für rechtswidrig. Die Regierung nennt das Urteil einen Einzelfall, doch das greift zu kurz: Wenn Kanzler und Innenminister mit dem Rechtsstaat spielen, ist das schwer erträglich.

Von Gudula Geuther |
Eine Polizistin kontrolliert ein Fahrzeug im Rahmen einer Grenzkontrolle an der deutsch-tschechischen Grenze.
Zurückweisungen von Asylbewerbern sind rechtswidrig, weil sie gegen europäisches Recht verstoßen, hat im Eilverfahren dreier Somalier das Verwaltungsgericht Berlin entschieden. (picture alliance / dpa / Pia Bayer)
Wenn der Satz vom Scheitern mit Ansage mal passt, dann hier. Zurückweisungen von Asylbewerbern sind rechtswidrig, weil sie gegen europäisches Recht verstoßen, das hat im Eilverfahren dreier Somalier das Verwaltungsgericht Berlin entschieden. Markig hatte Friedrich Merz vor der Wahl umfassende Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden angekündigt.
Innenminister Alexander Dobrindt hat es umgesetzt, soweit das mit dem Koalitionspartner SPD möglich war. Dass Gerichte dem widersprechen würden, war klar. Und deshalb wohl auch eingepreist. Dobrindts Reaktion auf die gestrige Gerichtsentscheidung also nicht verwunderlich: „Einzelfall, erstmal weitermachen, erst mal sehen.“ Das klingt nicht weiter aufregend. Genau das ist es aber.

Keine Einzelfragen

Denn um eine Entscheidung in einem Einzelfall geht es hier nur insofern, als es um einzelne Fälle geht. Wie in den meisten Gerichtsentscheidungen. In der Sache aber geht es nicht um Einzelfragen. Es geht ums Grundsätzliche: Dürfen Asylsuchende zurückgewiesen werden? Das Gericht sagt: Nein. Vermutlich endgültig: Zu einem Hauptsacheverfahren wird es wahrscheinlich nicht mehr kommen, weil die Kläger schon Recht bekommen haben. Ohnehin hatte die Bundesregierung genug Zeit, ihre Argumente vorzubringen und hat das auch weidlich versucht – ohne Erfolg.

Schwebend rechtswidrig

Wann es weitere Verfahren in anderen Fällen geben wird, ist offen. Und so bleibt das Handeln der Bundesregierung auf unbestimmte Zeit, was es seit dem Erlass zur Zurückweisung schon war: so etwas wie schwebend rechtswidrig. Nur dass das jetzt auch ein Gericht überzeugend ausbuchstabiert hat. Nachzulesen auch für jeden Bundespolizisten, der die Weisung exekutieren soll.

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Spiel mit dem Rechtsstaat

Es ist klar, woher das kommt. Es gibt nicht nur große Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Migrationspolitik, es gibt auch ein weit verbreitetes Gefühl mangelnder Wirksamkeit der Politik.
Wenn aber ein Kanzler und ein Innenminister, immerhin qua Amt auch Verfassungsminister, als Antwort darauf mit dem Rechtsstaat spielen, ist das schwer erträglich. Recht erodiert mit Missachtung.
Ohnehin sind darin andere konsequenter. Brandenburgs AfD-Landeschef René Springer etwa. Der schrieb nach der Berliner Gerichtsentscheidung: Man werde die Sicherheit Deutschlands nicht ohne einen politischen Konflikt mit der juristischen Macht im Staat wiederherstellen können. Die AfD werde ihn führen.

Union eskaliert bei Flüchtlingszahlen

Klar, das will weder der Kanzler noch der Innenminister. Aber was dann? Gute Politik machen, die Friedrich Merz immer wieder als Rezept gegen den Populismus nennt? Aber wie misst man das? Geringere Flüchtlingszahlen sind es offenbar nicht. Denn die sinken seit Monaten, in Deutschland und Europa. Und doch eskaliert die Union gerade hier. Scheitern mit Ansage eben.