
Am Tag nach den Kommunalwahlen müsste der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst unausgeschlafen aufgewacht sein. Das Abschneiden der AfD in seinem Bundesland könne einen nicht ruhig schlafen lassen, hatte der CDU-Landeschef gestern in seiner ersten Reaktion gesagt. Doch ein unruhiger Schlaf allein wird kaum helfen gegen den Aufstieg der AfD. Genauso wenig wie Relativierungen, dass nicht von einem Durchmarsch der Partei im Westen die Rede sein könne.
                Es bleibt nämlich das grundsätzliche Problem: die Parteien der politischen Mitte finden nicht den richtigen Umgang mit der AfD.
                
                Dabei geht es nicht darum, dass die SPD - wie jetzt wieder mal angekündigt – den Menschen mehr zuhört und ihre Politik besser erklärt. Oder die CDU bei der Frage nach der Verantwortung für den AfD-Erfolg auf andere zeigt. Vielmehr ist ein parteiübergreifender Schulterschluss erforderlich, der Taten ermöglicht – vor Ort, in den Kommunen und Gemeinden. Denn hier, um den Kanzler zu zitieren, geht die Demokratie als erstes vor die Hunde.
                Keine echte Einsicht
Doch die Zeichen, die von führenden Politikern aus Bund und Land zu vernehmen sind, lassen nicht auf echte Einsicht schließen. SPD-Co-Chefin Bärbel Bas wirkt beruhigt: Das Ergebnis sei kein Desaster. Unions-Fraktionschef Jens Spahn sieht gar die schwarz-rote Bundesregierung gestärkt. CDU-Politiker im Land feiern ihre Partei trotz des schlechtesten Ergebnisses in der Geschichte des Landes als Gewinnerin und Kommunalpartei Nummer eins.
                
                Dabei gehen den etablierten Parteien auch in Nordrhein-Westfalen Wählerinnen und Wähler verloren. Die Wahlbeteiligung ist zur Überraschung vieler gestiegen. Doch profitieren konnten davon nur die politischen Ränder. Das passt zu dem Eindruck vieler Wahlkämpfer, die schilderten, dass Menschen in den letzten Wochen oft resigniert an ihnen vorbeigegangen seien. Prominente Unterstützung von Spitzenpolitikern aus Berlin ist da keine Hilfe. Sie schadet eher.
                Infrastrukturpaket an Städte und Gemeinden geben
Auffällig ist diese Entwicklung vor allem in besonders armen Kommunen wie im Ruhrgebiet, wo die AfD besonders stark abgeschnitten hat. Städte wie Duisburg, Gelsenkirchen oder Hagen leiden unter zum Teil milliardenschweren Schulden und können deshalb kaum noch investieren. Selbst aus wohlhabenden Gegenden des Landes kamen zuletzt Appelle an Bund und Land, diese gezielt finanziell zu unterstützen – um Schulen, Schwimmbäder oder Straßen zu sanieren. Dafür ist es erforderlich, dass die Bundesregierung einen Großteil der kommunalen Altschulden übernimmt. Und das Land die Gelder aus dem sogenannten Infrastrukturpaket großzügig an Städte und Gemeinden weitergibt.
                Denn erst, wenn den Menschen vor der eigenen Haustür auffällt, dass sich tatsächlich etwas zum Besseren verändert – und nicht mehr nur darüber geredet wird, dürften sie wieder mehr den etablierten Parteien vertrauen und seltener für einfache Botschaften empfänglich sein. Hendrik Wüst dürfte dann auch wieder besser schlafen können.
              







