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Kompromiss in Brüssel
EU-Gasrichtlinie gilt nun auch für Nordstream 2

Nach langen Verhandlungen steht nun fest: Die europäische Gasrichtlinie, die für fairen Wettbewerb auf dem Gasmarkt sorgen soll, gilt auch für die russische Gaspipeline Nordstream 2. Was genau das für dieses Projekt bedeutet, ist noch unklar. Denn über allem schweben die Sanktionsdrohungen der USA.

Von Peter Kapern | 13.02.2019
    Karte: Gas aus Russland - Wo Nord Stream und Nord Stream 2 verlaufen; Querformat 90 x 85 mm; Grafik/Redaktion: A. Zafirlis
    So kommt Gas aus Russland über Nordstream und Nordstream 2 nach Europa (picture-alliance/ dpa-infografik)
    Kompromiss hin oder her: Der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer kann sich auch nach den Marathonverhandlungen zwischen Rat, Europaparlament und EU-Kommission nicht mit dem Pipelineprojekt Nordstream 2 anfreunden:
    "Ich bin nach wie vor kein Fan der Pipeline und das werde ich auch nicht mehr. Und die vielfältigen Gründe, die dagegen vorgebracht worden sind, hätten eigentlich längst Berlin überzeugen müssen zu sagen, wir ziehen den Stecker."
    Das hat die Bundesregierung aber nicht getan, sondern stattdessen auf europäischer Ebene mit harten Bandagen für die Realisierung dieser Gaspipeline gekämpft. In der vergangenen Woche hatte ein Kurswechsel Frankreichs die deutsche Diplomatie dann auf dem falschen Fuß erwischt. Plötzlich war Paris dafür, die europäische Gasrichtlinie, die für fairen Wettbewerb auf dem Gasmarkt sorgen soll, auch auf Nordstream 2 anzuwenden. Konkret besagt diese Gasrichtlinie, dass der Betreiber einer Pipeline nicht gleichzeitig auch der Produzent des Gases sein darf, das durch die Röhre transportiert wird.
    Genau das aber sollte bei Nordstream zwei der Fall sein: Pipeline und Gas in der Hand von Gazprom. Mit Frankreichs plötzlichem Kursschwenk war Deutschlands Sperrminorität in dieser Frage verloren. In Windeseile hatten Paris und Berlin daraufhin einen Kompromiss ausgehandelt. Das EU-Recht – so die Vereinbarung – soll auch für Nordstream 2 gelten. Deutschland aber sollte das Recht bekommen, mit der russischen Seite über Ausnahmeregelungen zu verhandeln. Das war gewissermaßen ein Hintertürchen, das es der Bundesregierung erlaubt hätte, doch noch am EU-Recht vorbei Sondervereinbarungen in Sachen Nordstream 2 zu unterschreiben.
    Fortschritt für den Gas-Binnenmarkt
    In der vergangenen Nacht aber wurde dieses Hintertürchen zugemauert. In den Verhandlungen setzten die Kommission und das Parlament zusätzliche Kontrollrechte für die EU-Kommission durch. Bevor die Bundesregierung nun also mit der russischen Seite Ausnahmen von der EU-Regulierung für Nordstream 2 beschließt, darf die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde diese Ausnahmen prüfen. Anders ausgedrückt: Die EU-Gasrichtlinie gilt nun auch für Nordstream 2.
    EU-Kommissar Canete sprach in der Nacht von einem großen Fortschritt hin zu einem integrierten Gas-Binnenmarkt. Und Reinhard Bütikofer, der für das Parlament an den Verhandlungen teilgenommen hatte, sieht nun Gazprom am Zug, "weil es am Schluss die russische Seite vor die Frage stellt, wollen wir diese Gaspipeline bauen und betreiben unter europäischem Recht oder ist es uns doch zu arg."
    Am Ende aber, so Bütikofer, werde sich Gazprom wohl für den Weiterbau der Pipeline entscheiden. Damit aber stehe immer noch nicht fest, ob Nordstream 2 je in Betrieb geht:
    "Irgendwo in der Ecke steht immer noch der Präsident Trump mit seinem Baseballschläger."
    Regierung will US-Bedenken zerstreuen
    Donald Trump hatte mit Sanktionen gedroht gegen alle Unternehmen, die sich am Bau von Nordstream 2 beteiligen. Würde wer seine Drohung wahr machen, dann, so Bütikofer, würden wohl deutsche Partner von Nordstream 2, wie die BASF-Tochter Wintershall, schnell auf Distanz zu dem Pipeline-Projekt gehen. Die Pipeline-Befürworter im deutschen Regierungslager versuchen, die USA von diesem Schritt abzuhalten. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte deshalb erst gestern noch einmal versichert, Deutschland werde einen Terminal für amerikanisches Flüssiggas bauen. Das würde den wirtschaftlichen Interessen der US-Regierung entgegenkommen, die strategischen Bedenken, die auch Außenpolitiker der Union haben, aber keinesfalls ausräumen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:
    "Seit das Feuer erfunden ist, ist Energie auch eine Waffe. Bei Energiefragen zu sagen, das sei nur eine rein wirtschaftliche Frage, scheint mir nicht eine korrekte Beurteilung der Bedeutung von Energie zu sein. Putin selbst sagt öffentlich, dies ist auch eine politisch-strategische Frage. Und darauf muss man auch entsprechend reagieren."