
Den Video-Trailer der Inszenierung "Die Borderline-Prozession" des Schauspiels Dortmund kann man sich im Internet anschauen. Dass Theater im Netz für ihre Aufführungen werben ist lange Standard. Beim Schauspiel Dortmund können Besucher der Website das Video kommentieren oder in einem Blog mit den Theatermachern ins Gespräch kommen. Der Intendant Kay Voges betont:
"Wir haben einen Zeitenwechsel. Die Globalisierung und die digitale Revolution verändert unser Leben. Und wenn Theater die Gegenwartskunst schlechthin ist, … dann können wir ja nicht so tun, als ob wir noch auf Schreibmaschinen schreiben."
"Wir nehmen eine Bühne auf als Laserscan und verfremden die total und machen da etwas ganz anderes draus. Also ein Gefühl durch so eine Punktwolke zu gehen in VR, das kann man im realen Leben nicht erfassen."
VR meint Virtuelle Realität. In der Produktion "Memories of Borderline" setzen sich die Zuschauer Datenbrillen auf und können sich dann im Bühnenbild der "Borderline-Prozession" bewegen. Man sieht die Requisiten und Schauspieler vor sich, kann aber durch sie hindurchlaufen …
"Das zeigen wir VR-Entwicklern und das zeigen wir Technikern. Wir waren auf der CeBIT. Da habe ich gefragt: 'Wann waren Sie zum letzten Mal im Theater?' - 'Vor 25 Jahren.' Die finden aber das, was wir da machen, super."
Die Regisseurin Angela Richter berichtete über ihre Produktion "Supernerds", die vor zwei Jahren am Schauspiel Köln herauskam. Dort ließ sie Schauspieler Texte von berühmten Whistleblowern sprechen. Gleichzeitig zapften Hacker die Smartphones der Zuschauer an:
"Da habe ich mich tatsächlich von Snowden beraten lassen. Wir haben mit den Daten, die wir von den Zuschauern hatten, die sich ein Ticket über die Kreditkarte kaufen, ganz normal, wie man im Internet einkauft, jeden Tag - also wir konnten Schufa-Informationen einholen über die, wir konnten herausfinden, was die beim Browsen machen. Dann haben wir bei einem Zuschauer sogar die Kamera aktiviert. Also die Schauspielerin stand da und hat gesagt, es sollen alle Zuschauer das Handy heben und rumwedeln. Das haben tatsächlich alle gemacht, so 600 Leute, und dann hat man auf dem Bildschirm gesehen, wie das herum wischt. 'Und jetzt drehen Sie mal die Kamera um.' Dann sah man halt ein Gesicht."
"Ich glaube, die Digitalisierung ist eine Riesenmöglichkeit für das Theater, sich tatsächlich zu erweitern. Aber ich glaube, da ist das Theater eher konservativ. Was wir brauchen ist eine Mentalität, die überhaupt zulässt, dass wir uns mit dem Digitalen auseinandersetzen."
Am Schauspiel Dortmund gibt es einen festangestellten Programmierer und viele Produktionen, die sich mit dem Internet auseinandersetzen. Andere Bühnen versuchen, die Entwicklung zu ignorieren. Dabei ist klar, dass die digitale Revolution längst im Gang ist. Die Frage ist nicht, ob man sich heraushalten kann, sondern ob es den Theatern gelingt, die Entwicklung mitzugestalten.