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Konflikt zwischen USA und Iran
"Trump hat die Hardliner im Iran gestärkt"

Sanktionen statt direkter militärischer Intervention: Die USA reihen sich mit ihrer Iran-Politik in die Tradition der großen Seemächte ein, sagte der Politologe Herfried Münkler im Dlf. Die Rechnung der "wirtschaftlichen Strangulation" ginge aber nicht auf - denn der Iran habe in der Vergangenheit bereits Leidensfähigkeit demonstriert.

Herfried Münkler im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Zwei Schülerinnen mit Kopftüchern laufen an einem Wandbild vorbei. Das Bild zeigt die Freiheitsstatue mit Totenkopf statt Gesicht.
Anti-amerikanisches Graffiti in Teheran - der wirtschaftliche Druck der USA habe keine Verbesserung gebracht, so der Politikwissenschaftler Herfried Münkler (picture alliance / EPA / Abedin Taherkenareh)
Schon seit der Revolution im Iran 1979 sei die Region ein "hochriskanter Raum", weil USA damals ihren wichtigsten Verbündeten verloren hätten. Heute sei es ein Raum, indem mindestens drei Mächte um die regionale Vormacht miteinander ringen würden: Saudi-Arabien, die Türkei und der Iran.
Aus dieser Grundkonstellation habe sich die aktuelle Situation entwickelt, in der die USA nicht glaubten, dass das ausgehandelte Atomabkommen den Iran an der nuklearen Bewaffnung hindern könne. Deshalb versuchten die USA nun "unterhalb der Schwelle, was wir Krieg nennen" den Iran zu treffen. Dazu gehörten Wirtschaftssanktionen und wohl nun auch Cyberattacken.
Herfried Münkler, Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin
Herfried Münkler Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Politische Theorie (imago/Thilo Rückeis)
Das sei keine wirklich neue Form des Krieges: "Der Wirtschaftskrieg ist die klassische Form mit der seit jeher Seemächte Krieg geführt haben". Der Krieg, der auf Beschleunigung setze und eine Entscheidungsschlacht suche, sei eher eine Strategie der Landmächte. Die USA stünden in der Tradition der Seemächte, deshalb sei die aktuelle Strategie - also eine "Politik der Strangulation" nahe liegender als eine Politik des "unmittelbaren Niederwerfens".
"Europäer torkeln ein bisschen herum"
Militärische Schläge würden zudem nicht in das innenpolitische Konzept von Donald Trump passen, da er Amerika aus Konflikten habe rausziehen wollen, um die Kriegskosten zu minimieren. Aber die Rechnung Donald Trumps ginge nicht so schnell auf. Der wirtschaftliche Druck, der "dieses Mullah-Regime in die Knie zwingen" soll, habe Teheran eher noch gestärkt. Die Strategie basiere auf der Vorstellung einer Bevölkerung, die nicht "besonders leidensfähig" sei. Die iranische Bevölkerung habe in den letzten Jahrzehnten aber durchaus eine solche Leidensfähigkeit demonstriert. Die Strategie Trumps mache deshalb eher die Hardliner stärker.
Europas Einstellung, am Atomabkommen festzuhalten sei in der Retrospektive vermutlich richtig, da der US-amerikanische Druck keine Verbesserung gebracht habe. Die Europäer hätten jedoch keine gut greifenden Instrumente, um das Abkommen noch zu retten. Deshalb "torkeln sie ein bisschen herum". Weiterkommen könnte man wohl nur, wenn man das ganze Paket des Abkommens aufschnüre und den einzelnen Akteuren einen Platz in der Ordnung des vorderen und mittleren Orients zuweise. Dafür seien die Europäer aber zu schwach, weshalb sie defensiv und rückwärtsgewandt reagierten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.