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Konfliktforscherin: Militärisches Eingreifen wäre Wahnsinn

Die Rüstungsexpertin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Annette Schaper, hat davor gewarnt, die iranische Regierung mit Waffengewalt zum Einlenken im Atomstreit zwingen zu wollen. Dies hätte einen jahrzentelangen Krieg in der Region zur Folge. Wer ernsthaft verhandeln wolle, müsse das Regime in Teheran als Verhandlungspartner akzeptieren, "so schlimm es auch ist", sagte Schaper.

Moderation: Gerd Breker | 13.04.2006
    Gerd Breker: Telefonisch verbunden bin ich nun mit der Atomexpertin der hessischen Stiftung für Friedensforschung, mit Annette Schaper. Guten Tag Frau Schaper!

    Annette Schaper: Guten Tag!

    Breker: Bei aller Hektik um das iranische Atomprogramm, noch bewegt sich das Land im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages?

    Schaper: Das ist richtig. Formaljuristisch darf der Iran das. Die dürfen also die Atomenergie zivil nutzen. Der Iran erklärt auch ständig, dass das Ganze ja auch zivil sei. Warum sich die Welt trotzdem Sorgen macht ist, dass diese Technologie, wenn der Iran das erst einmal beherrscht, auch missbraucht werden könnte für Kernwaffen. Wir wissen ja: Wir trauen dem Iran nicht und es kann sein, dass die das tatsächlich auch vorhaben.

    Breker: Allerdings die derzeitige Urananreicherung würde für den Bau einer Bombe nicht reichen?

    Schaper: Das ist richtig. Also man muss auf dem Teppich bleiben. Technisch gesehen ist das Ganze überhaupt nicht überraschend. Die Iraner hatten ja schon längst angefangen, wieder daran zu arbeiten. Jetzt haben sie den ersten kleinen technischen Erfolg und der wird jetzt für eine politische Provokation gebraucht. Was sie aber wirklich gemacht haben ist eine mini kleine Menge eines Materials, was so auch noch gar nicht waffentauglich ist. Um eine Bombe zu bauen, werden wahrscheinlich noch einige Jahre vergehen, wenn die Iraner das wirklich vorhaben, und dann müssen die noch ganz anders arbeiten.

    Breker: Einige Jahre vergehen. Die Israelis - so hört man von dort - schätzen, zwei bis drei Jahre werde es noch dauern. Dann wäre der Iran in der Lage, die Bombe zu bauen. Aber die eigentliche Frage ist: Wollen sie denn die Bombe? Werden die Signale der Weltgemeinschaft richtig gelesen, die Signale, die Iran aussendet? Will der Iran die Bombe?

    Schaper: Der Iran behauptet, er wollte sie nicht. Es gibt auch tatsächlich bisher keine Anzeichen, dass es heimliche Aktivitäten gibt, die in diese Richtung gehen. Natürlich erhält der Iran die Option, und das ist gefährlich genug. Sie könnten, wenn sie dann wollen, in ich würde nicht sagen drei Jahren, sondern eher fünf oder noch mehr, fünf bis zehn Jahren, sich sehr schnell anders entscheiden und dann doch die Bombe wollen. Dann kann man sie auch kaum noch aufhalten.

    Man muss auch immer schauen, wer da warnt. Der israelische Geheimdienst hat schon immer sehr kurze Fristen angesetzt und immer sehr frühzeitig gewarnt. Amerikanische Geheimdienste selbst haben stattdessen von zehn Jahren gesprochen. Die amerikanische Regierung wiederum hat auch kürzere Fristen. Sehr seriöse Experten, die ich kenne, sprechen davon, dass es eher fünf bis zehn Jahre sind als nur drei Jahre. Trotzdem muss man jetzt agieren, denn je weiter der Iran fortschreitet, desto leichter wird es dann in Zukunft.

    Breker: Was der Weltgemeinschaft, insbesondere den Amerikanern und auch den Israelis Sorge bereitet ist die Radikalität des derzeitigen Regimes in Teheran. Die Amerikaner wollen deshalb auch einen Regimewechsel herbeiführen. Ist das Atomprogramm das richtige Thema, um diesen Wechsel zu betreiben?

    Schaper: Die Amerikaner sind da auch nicht ehrlich. Die Amerikaner haben seit langem das Ziel gehabt, einen Regimewechsel herbeizuführen. Das hat eigentlich das iranische Regime überhaupt motiviert, sich über die eigene Sicherheit Sorgen zu machen und vielleicht über solche Pläne bereits nachzudenken. Wenn man mit den Iranern ernsthaft verhandeln will, dann muss man, so schlimm es auch ist, dieses Regime erst mal als Verhandlungspartner akzeptieren. Man kann nicht insgeheim stattdessen das Ziel haben, das Regime abzusetzen. Das kann zu nichts führen. Das ist auch ein Grund, warum wahrscheinlich jetzt der Iran sich insgesamt so radikalisiert hat. Vor ein paar Jahren hatten wir ja eine andere Regierung. Die war zum Teil recht gemäßigt. Eigentlich hatten damals auch demokratische Stimmungen zumindest einen Aufwind. Inzwischen ist das Ganze jedoch wieder radikalisiert und das liegt nicht zuletzt an diesem Druck, der aus den USA kommt.

    Breker: Man behauptet ja, Frau Schaper, in Teheran, im Iran, man würde die Bombe sogar brauchen, um sich zu schützen vor eventuellen militärischen Aktionen, die die Amerikaner planen. Liegen sie denn damit in der Tendenz richtig?

    Schaper: Dass diese Stimmung im Iran immer mehr Befürworter findet, ist unbestritten. Tatsächlich gibt es ja auch immer wieder Gerüchte, dass es einzelne Entscheidungsträger in den USA gibt, die ernsthaft so etwas überlegen. Es hat jetzt auch neulich wieder Presseberichte gegeben. Es gibt andere, vor allem auch Militärs selbst, die davor warnen, weil das den Amerikanern völlig über den Kopf wachsen würde. Wer realistisch ist, selbst wenn er ein amerikanischer Hardliner ist, der sieht ein, dass das zu nichts führen kann, dass man damit nur noch ein Pulverfass anzündet.

    Es gibt aber tatsächlich amerikanische Stimmen, die nichts anderes wollen als militärisch eingreifen, obwohl es wirklich ein Wahnsinn wäre. Das wird natürlich auch im Iran und im nahen Osten sorgfältig registriert und es gibt auch andere Staaten in der Region, die zwar eigentlich auch keinen nuklearen Iran wollen, aber sie wollen auch keine amerikanische Vorherrschaft, die also den USA zutiefst misstrauen. Wenn das Ganze tatsächlich in diese Richtung eskalieren sollte, dann hätten wir es bestimmt mit einem jahrzehntelangen regionalen Krieg in der Gegend zu tun. Das würde auch Radikale in anderen Ländern anfeuern.

    Breker: Die Atomexpertin der hessischen Stiftung für Friedensforschung, Annette Schaper war das in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Frau Schaper danke für dieses Gespräch!

    Schaper: Bitte schön!