Archiv

Konfliktmineralien
"Die Verordnung hat noch erhebliche Schlupflöcher"

Die Einfuhr von Mineralien aus Konfliktgebieten soll schärfer geregelt werden. Das sieht eine neue EU-Verordnung vor. Michael Reckordt vom Arbeitskreis Rohstoffe plädiert dafür, die Regeln schnellstmöglich nachzubessern. So müssten Verstöße auf jeden Fall sanktionierbar sein, sagte er im Dlf.

Michael Reckordt im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Arbeiter in einer Goldmine im Kongo.
    Einige der begehrten Rohstoffe, wie Gold, die in Smartphones und anderen elektronischen Geräten verbaut sind, stammen aus Krisenregionen. (AFP / Lionel Healing)
    Stefan Römermann: Es klebt Blut an meinem Smartphone und an Ihrem vermutlich auch. Auf diese, zugegebenermaßen ziemlich plakative Formel, da könnte man das Problem mit den sogenannten Konfliktmineralien bringen. Tatsächlich stammen einige der begehrten Rohstoffe, die in Smartphones und anderen elektronischen Geräten verbaut sind, aus Krisenregionen. Sie werden zum Teil unter schlimmen Arbeitsbedingungen abgebaut und ihr Verkauf finanziert nicht selten bewaffnete Gruppen und Bürgerkriege.
    Die EU will die Importeure solcher Stoffe zu Transparenz und Sorgfaltsüberprüfungen verpflichten. Eine entsprechende EU-Verordnung tritt heute in Kraft. Darüber spreche ich jetzt mit Michael Reckordt vom Arbeitskreis Rohstoffe, einem Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungshilfe-Organisationen. Herr Reckordt, schärfere EU-Regeln für die Einfuhr von sogenannten Konfliktmineralien, klingt ja erst mal gut. Kann ich jetzt als Verbraucher wieder ohne schlechtes Gewissen Elektrogeräte kaufen?
    Michael Reckordt: Leider nein. Prinzipiell ist diese Verordnung der Europäischen Union ein erster Schritt in die richtige Richtung, wie Sie schon gesagt haben. Aber bei einem genaueren Blick sieht man, dass diese Verordnung doch noch erhebliche Schlupflöcher hat. Zum einen ist sie beschränkt auf den sogenannten Upstreame-Bereich, das heißt von der Mine bis zur Schmelze. Da müssen jetzt Unternehmen gucken, woher kommen ihre Rohstoffe. Aber die ganzen Unternehmen entlang der Rohstoff-Weiterverarbeitung, Automobilhersteller, Handyhersteller, Laptophersteller, die haben leider keine Pflichten auferlegt bekommen. Das heißt, da muss eigentlich die EU schnellstmöglich nachbessern.
    "Eine Verlagerung ist nicht so ohne Weiteres möglich"
    Römermann: Um was für Stoffe geht es denn da besonders?
    Reckordt: Es geht in der EU-Verordnung vor allen Dingen um vier Rohstoffe. Das ist einmal Tantal, Wolfram, Zinn und Gold. Diese vier Rohstoffe sorgen beim Abbau oder beim Handel in Ländern wie die Demokratische Republik Kongo, Kolumbien oder Myanmar dafür, dass sich da durch illegale Steuern zum Beispiel Rebellengruppen finanzieren.
    Römermann: Warum kaufen die Hersteller diese Stoffe nicht einfach in anderen Regionen? Die haben vermutlich auch kein Interesse daran, dass an ihren Händen Blut klebt.
    Reckordt: Das ist nicht ganz so einfach, wie wir das im Lebensmittel- oder im Textilbereich kennen, wo man ja Fabriken verlagern kann. Rohstoffe sind an einigen wenigen Orten nur zu finden und gerade Tantal oder auch Wolfram finden sich sehr stark in der Demokratischen Republik Kongo. Das heißt, eine Verlagerung ist nicht so ohne Weiteres möglich.
    Römermann: Wie funktionieren jetzt diese strengeren Regeln? Ich habe gelesen, es gibt vor allem Transparenzpflichten, die da angedacht sind. Was ist da jetzt genau geregelt?
    Reckordt: Unternehmen müssen im Grunde Sorgfaltspflichten nachkommen. Das heißt, sie müssen selber ihre Lieferketten überprüfen und sie müssen darin Risiken analysieren, und wenn sie Risiken analysiert haben, sie minimieren. Das heißt, entweder selber vor Ort aktiver werden, oder ihre Quellen verändern und darüber auch transparent berichten. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wird dann diese Berichte prüfen und wir hoffen, diese Berichte auch transparent der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können.
    "Jeder Rohstoff kann potenziell vor Ort Konflikte finanzieren"
    Römermann: Was passiert, wenn die Unternehmen das nicht tun? Gibt es irgendwelche größeren, stärkeren Strafen, die da vorgesehen sind?
    Reckordt: Das ist noch nicht ganz ausgemacht. Die Bundesregierung hat gesagt, dass sie ein Umsetzungsgesetz auf den Weg bringen möchte, und da hoffen wir natürlich auch auf Sanktionierbarkeit, wenn Unternehmen ihren Pflichten nicht nachkommen, oder auch nicht ihre Risiken minimieren.
    Römermann: Sie haben gerade gesagt, die Verordnung konzentriert sich jetzt erst mal auf vier Mineralien speziell. Ist das denn ausreichend?
    Reckordt: Auch das ist leider nicht ausreichend, weil potenziell jeder Rohstoff, egal ob metallisch oder agrarisch, vor Ort Konflikte finanzieren kann. Wir sehen das zum Beispiel im Bereich Kobalt, der auch zu über 50 Prozent im Kongo abgebaut wird, wo Kinderarbeit sehr häufig passiert. Auch da müssen Unternehmen im Grunde anfangen, ihre Lieferketten zu überprüfen und zu agieren.
    Römermann: Wie müssten denn jetzt schärfere Regeln Ihrer Meinung nach aussehen?
    Reckordt: Vor allen Dingen müsste die ganze Industrie, das heißt auch die verarbeitende Industrie in diese Regeln mit eingebunden werden. Das wäre das Erste. Dann müssten Verstöße auf jeden Fall sanktionierbar sein. Das heißt, die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Unternehmen, die sich daran nicht halten, bestraft werden. Drittens müssten weitere Rohstoffe mit eingebunden werden.
    "Es wäre gut, Elektrogeräte auch mal zu reparieren und länger zu nutzen"
    Römermann: Kann ich als Verbraucher denn auch was tun?
    Reckordt: Ihnen sind etwas die Hände gebunden, weil in einem Handy sind bis zu 60 verschiedene Rohstoffe und diese kommen aus hunderten von Quellen. Das heißt, Sie selber können im Grunde Ihre Handys länger nutzen, können sich überlegen, ob es faire Alternativen gibt. Auf dem Handymarkt gibt es zumindest das Fairphone, was etwas fairer ist und was seine Lieferketten offenlegt und überprüft. Ansonsten wäre es im Grunde gut, sich für stärkere Regularien einzusetzen und Elektrogeräte auch mal zu reparieren und länger zu nutzen.
    Römermann: Schärfere Regeln für die Einfuhr von Konfliktmineralien – vielen Dank, Michael Reckordt vom Arbeitskreis Rohstoffe, für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.