Montagmorgen. Alla Ivanova hat eine Woche mit viel Papierkram und Besprechungen vor sich. Sie ist Ministerin der Kaliningrader Regionalregierung für internationale Zusammenarbeit, und das heißt vor allem Zusammenarbeit mit den angrenzenden Regionen in Polen und Litauen. Ihr helles Büro befindet sich in einem preußischen Behördenbau, errichtet für das ostpreußische Finanzamt, als Kaliningrad noch Königsberg hieß. 1945 zog das sowjetische Militär hier ein, später die kommunistische Partei.
Ivanova hat ihren Posten seit acht Jahren. In der ersten Zeit wurde die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern immer enger. Die Eröffnung des "kleinen Grenzverkehrs" zwischen dem Kaliningrader Gebiet und dem polnischen Masuren 2012 wurde allseits begrüßt. Als Polen die Regelung 2016 aufkündigte, kam das für sie völlig überraschend, erzählt die Ministerin:
"Es war ein Freitagabend, da wurde dem Außenministerium in Moskau mitgeteilt, dass die Regelung vom kommenden Montagmorgen an nicht mehr gelten würde. Russland hat natürlich reagiert und seinerseits den visafreien Grenzverkehr eingefroren."
Folgen der Krim-Annexion haben Kaliningrad getroffen
Ivanova setzt sich an einen langen Tisch. Durch die Mitte der Platte zieht sich ein symbolträchtiger Spalt. Polen begründete das Aussetzen des "kleinen Grenzverkehrs" damals mit Sicherheitsbedenken vor dem bevorstehenden Papst-Besuch und dem NATO-Gipfel. Ivanova vermutet andere Gründe:
"Die Leute, die nach Polen fuhren, die Familien in den Autos, mit Hunden, der Oma, dem Opa – die haben das Bild gestört, dass Russland das absolute Böse ist und bekämpft werden muss. Naja, vielleicht ist das auch eine Verschwörungstheorie und stimmt nicht."
Die Kaliningrader Regierung möchte, dass der visafreie Grenzverkehr wieder aufgenommen wird. Ivanova dreht einen Kugelschreiber in den Händen. Auf der Kommode steht ein Foto von ihr mit Außenminister Sergej Lawrow.
Die Folgen der Krim-Annexion haben Kaliningrad besonders getroffen. Das Gebiet importiert viel aus Polen und Litauen. Als die russische Regierung als Antwort auf die westlichen Sanktionen die Einfuhr von Lebensmitteln aus der EU stoppte, traf das unter anderen Ivanovas Mann. Er ist Unternehmer.
"Er hatte gute Geschäftsbeziehungen mit den Polen, er kennt dort jeden, und Kartoffeln, Möhren, Äpfel ließ er natürlich von dort liefern. Er musste ziemlich lange nach Ersatz dafür suchen."
Grenzübergreifende Projekte
Das Telefon klingelt. Die Direktorin des Kaliningrader Zoos ruft an. Es geht um Geld.
Die EU und Russland fördern grenzübergreifende Projekte zwischen Kaliningrader und litauischen sowie Kaliningrader und polnischen Gemeinden. Das Programm existiert seit mehreren Jahren, gerade läuft eine Ausschreibung für die nächste Phase. Regionale Zusammenarbeit ist einer der wenigen Bereiche, die noch funktionieren zwischen Russland und der EU. Alla Ivanova berät die Antragsteller.
Die Zoodirektorin möchte einige historische Anlagen renovieren, darunter ein Robbenbecken. Projektpartner ist das Meeresmuseum im litauischen Klaipeda. Ivanova blickt vom Telefon auf. Sie empfiehlt einen Besuch im Zoo.
Der Zoo ist keine fünf Minuten vom Regierungsgebäude entfernt. Gerade betritt eine Schulklasse das Gelände. Svetlana Sokolova, die Direktorin, nimmt sich viel Zeit, führt persönlich durch die weitläufige Anlage. Ein Tiger schreitet hinter Stäben auf und ab. Zwei Polarwölfe genießen die Morgensonne. Auf dem Weg hat jemand ein U-Boot aus Schnee gebaut:
"Das waren bestimmt die Angestellten", sagt Sokolova und lacht. "Das kann man so und so verstehen."
Im Kaliningrader Gebiet liegt die Baltische Flotte der russischen Armee. Das Verteidigungsministerium hat sie in den vergangenen Jahren modernisiert.
"Bloß niemandem zu nahe treten"
Sokolova ist international gut vernetzt, kommt viel herum. Gerade bewirbt sich Kaliningrad um die Aufnahme in die Gemeinschaft europäischer Zoos.
"Die Offenheit, die wir Anfang der 2000er-Jahre in den Beziehungen mit unseren Kollegen, Freunden, Partnern aus dem Ausland gespürt haben, gibt es nicht mehr. Jetzt sind alle ständig unglaublich angespannt: Bloß niemandem zu nahe treten, bloß nichts Falsches sagen. Vor diesem Hintergrund ist das Programm der grenzübergreifenden Zusammenarbeit wie ein frischer Wind."
Das Robbenbecken stammt aus den 30er-Jahren. Der Felsen in der Mitte wurde mit Beton ausgebessert und bröckelt. Zwei Tiere liegen auf dem Eis, zwei weitere tauchen aus dem Wasser auf.
"Wir müssen das komplett renovieren. Dabei vertrauen wir auf die Meinung unserer litauischen Kollegen, denn die wollen in Klaipeda ein Zentrum für die Rehabilitation von Ostseerobben bauen. Wir sind in sehr engem Kontakt. Wir waren schon zweimal im Meeresmuseum, und wir sprechen ständig über Skype. Wir schreiben den Antrag wirklich gemeinsam."