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Kongress-Rede Trumps
"Es ist ihm gelungen, einigermaßen als Präsident aufzutreten"

Donald Trump sei vor dem Kongress "fast dazu verdonnert" gewesen, als Präsident aufzutreten, sagte der Politikwissenschaftler Jackson Janes im DLF. Mit einer Rede weitgehend ohne sarkastische Bemerkungen sei ihm das auch gelungen. An einen Konsens innerhalb der Partei glaube er aber nicht. Die protektionistische Haltung sei nicht kompatibel mit republikanischen Traditionen.

Jackson Janes im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 01.03.2017
    US-Präsident Donald Trump spricht im Kapitol.
    US-Präsident Donald Trump spricht im Kapitol. (AFP / Brendan SMIALOWSKI)
    Ann-Kathrin Büüsker: Wo will Donald Trump politisch hin und wie will er das finanzieren, was er vorhat? Nach wie vor fehlen Details zur Politik des amerikanischen Präsidenten, Details, die er in der Nacht in seiner Rede vor dem Kongress hätte liefern können. Hat er aber nicht.
    Über Donald Trumps erste Rede vor dem Kongress habe ich am späten Abend amerikanischer Zeit und am frühen Morgen unserer Zeit mit Jackson Janes gesprochen. Der Politikwissenschaftler ist Präsident des Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins Universität. Und ihn habe ich gefragt, ob er die Rede von Trump überzeugend fand.
    Jackson Janes: Die Rede von Präsident Trump war eigentlich mit hohen Erwartungen bei seinen Unterstützern und niedrigen Erwartungen bei Leuten, die wirklich ihn nicht ausstehen können. Insofern ist die Frage nur zu beantworten, wo Sie eigentlich zu ihm stehen.
    Enttäuschend für die Leute, die wahrscheinlich dann mehr über Außenpolitik erwartet haben, aber auch für die Unterstützer war das natürlich direkt auf die bezogen. Die wollten hören, wieviel er behaupten könnte, dass er Versprechungen einhält oder einhalten will. Das ist, glaube ich, bei ihm für die Gruppe, die wirklich noch treu daneben stehen, wichtig gewesen und das hat er geliefert. Insofern: Es kommt darauf an, in welcher Weise Sie gegenüber Trump stehen. Aber ich glaube schon, dass es ihm gelungen ist – und das sage ich dazu -, als Präsident aufzutreten.
    Ich sage das in dem Zusammenhang. Ich glaube, in den letzten vier Wochen ist er überhaupt nicht im Amt angekommen. Er war noch in der Kampagne. Und heute Abend war er erzwungenermaßen in einer Lage, wo er als Präsident auftreten musste, und das ist ihm einigermaßen gelungen, glaube ich.
    "Weitgehend ohne Ironie und sarkastische Bemerkungen"
    Büüsker: Das heißt, es ist eigentlich das passiert, was im Vorfeld ganz viele Leute gehofft haben, dass das Amt ihn tatsächlich auch befähigt für das Amt, ihn so ein bisschen entschärft?
    Janes: So habe ich das gedacht. Es gibt ja immer diese Frage, ist diese Person eigentlich dann eher der Einfluss aufs Amt oder umgekehrt. Heute Abend ist das absolut unumgänglich. Er sitzt dort vor dem gesamten Kongress und ist erzwungenermaßen eigentlich fast dazu verdonnert, als Präsident aufzutreten, und das hat er heute Abend, glaube ich, geschafft, ohne diese Ironie, ohne diese sarkastischen Bemerkungen, die manchmal zwischendurch gefunkt werden. Er hat tatsächlich seine Rede abgelesen, die meiste Zeit. Insofern ist es ihm einigermaßen gelungen, als Präsident aufzutreten heute Abend.
    Büüsker: Mein Eindruck war, dass viele im Kongress in gewisser Weise erleichtert wirkten, insbesondere die Republikaner. Können die ihm jetzt eigentlich noch irgendwas abschlagen, wo er sich so versöhnlich zeigt?
    Janes: Was meine Sie mit abschlagen?
    Büüsker: Na ja, dass er jetzt mit dieser versöhnlichen Haltung, die er an den Tag gelegt hat, die Basis dafür gelegt hat, dass die Republikaner ihm eigentlich in allen politischen Dingen folgen werden.
    "Vieles ist gegen den Strich der meisten konservativen Republikaner"
    Janes: Nein, das glaube ich nicht. In dem Sinne, wenn Sie sehen, was er vorgetragen hat. Auf der einen Seite sagte er, dass für Infrastruktur, für Verteidigung sehr viel Geld ausgegeben werden muss, um die Dinge anzupacken. Das ist natürlich für die konservativen Republikaner nicht unbedingt sehr willkommen.
    Büüsker: Warum?
    Janes: Weil es Geld kostet und der Schuldenberg ist 20 [Billionen] hoch. (*) Das heißt, es ist sehr viel gegen den Strich, wenn er sagt, die Regierung muss irgendwas tun. An sich ist der konservative Flügel dafür, die Regierung abzubauen, und daher ist das, was er jetzt vorschlägt, manchmal ein gewisser Widerspruch in sich, weil auf der einen Seite sagt er, wir bauen eine Mauer hoch zu Mexiko, wir geben sehr viel für Infrastruktur aus, wir werden dann die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Ja wo kommt das Geld her! Da ist, glaube ich, dann schon eine Herausforderung. Und übrigens dann auch noch eine sehr protektionistische Haltung gegenüber Handel und Außenhandel. Das ist alles gegen den Strich für die meisten konservativen Republikaner. Insofern: Überzeugend hat er das nicht so sehr geliefert für manche Leute in dem Raum.
    "Er hat nicht alle Leute überzeugt"
    Büüsker: Aber auf der anderen Seite spricht er ja auch ganz viel von Deregulierung. Für jede neue Regulierung, die kommt, sollen zwei alte abgeschafft werden. Das könnte die Konservativen doch überzeugen, oder?
    Janes: Ja, ja. Das könnte wahrscheinlich schon die Hälfte überzeugen. Aber die andere Hälfte hat Skepsis, inwieweit man das erstens erreichen kann. Und zweitens: Es geht um die Frage, inwieweit das umgesetzt werden kann, wenn er gleichzeitig im selben Atemzug sagt, wir müssen sehr viel Geld ausgeben, in der Annahme, dass durch die Deregulierungen das Steuereinkommen sich erhöht. Die Wirtschafft boomt und deswegen werden wir mehr Geld in die Kasse bekommen, so wie bei euch in Deutschland. Insofern ist das eigentlich ein Seiltanz für ihn heute Abend gewesen und ich glaube, er hat nicht alle Leute überzeugt.
    Büüsker: Das heißt, er braucht, um diese unterschiedlichen Positionen zusammenzubekommen, eine größere Erzählung, die über allem steht? Das ist ja immer wieder sein "Make America great again", so eine Art National-Chauvinismus. Kann das taugen, diese komplette Abgrenzung nach außen, aber die Besinnung auf die inneren eigenen Werte, um letztlich alle hinter sich zu vereinen?
    Ein globales Denken fehlt
    Janes: Nein, eigentlich nicht.
    Büüsker: Warum nicht?
    Janes: Weil im Prinzip was er von sich gab heute Abend war ein Satz, der mir überhaupt nicht gefallen hat, wo er sagte, ich stehe nur für Amerika da und nicht für die Welt. Ich glaube, das ist eigentlich ein Widerspruch in sich, weil Amerika ist unumgänglich eigentlich global eingestellt oder müsste eigentlich eingestellt werden. Und einfach sich so zu äußern und zu sagen, ich habe eigentlich Amerika an erste Stelle gesetzt, ich bin ja hier für Amerika Repräsentant, nicht für die Welt, das ist im Sinne von einer global handelnden Nation für mich nicht akzeptabel. Die Frage ist, inwieweit das für die Basis, für seine Wählerschaft gut ankommt, wir bauen nicht mehr Schulen in Kabul, wir bauen die in Detroit. Das kommt gut an! Aber das erlöst die Nation und auch den Präsidenten erst recht nicht von der Verpflichtung, global zu denken und zu handeln und sich verantwortlich die Welt anzugucken, und ich glaube, das ist das, was fehlt.
    Büüsker: Herr Janes, Sie zweifeln ein bisschen an dem Erfolg von Donald Trump. Aber was passiert denn, oder anders gefragt, was bedeutet es denn für das liberale Amerika, wenn Trump mit dieser Politik der Abschottung doch Erfolg haben sollte?
    Janes: Ich weiß es nicht genau. Wie gesagt, das habe ich vorhin gemeint. Eine protektionistische Haltung, die er zum Teil auch angesprochen hat heute Abend, ist nicht kompatibel mit republikanischen Traditionen, die Jahrzehnte zurückliegen. Insofern glaube ich nicht, dass ein Konsens hergestellt werden konnte heute Abend in dem Kongress. Er hatte ja zwei Publikums heute Abend: Die Leute, die vor dem Fernsehen saßen, quer durch die Welt, quer durch Amerika, und die Abgeordneten, die in dem Raum saßen. All die unter einen Deckmantel zu bekommen, sei es innen oder sei es außen, ist mit so einer Rede überhaupt nicht denkbar. Er hat sich ja nicht so sehr auf die Außenpolitik konzentriert heute Abend. Er hat ja mehr innenpolitisch gedacht und gesprochen. Insofern: Die Konsensherstellung für Präsident Trump ist unmittelbar jetzt mal das Problem, dem er über die nächsten vier Jahre gegenübersteht, und er hat bei weitem nicht eine konsensfähige republikanische Partei und erst recht nicht eine demokratische Partei. Insofern sind zwei Parteien gegenüber ihm stehend, die in sich gespalten sind, und von daher gesehen ist einen Konsens herzustellen in Amerika momentan sehr schwer für irgendeinen Präsidenten, aber erst recht für Präsident Trump.
    Büüsker: Zu diesem Urteil kommt Jackson Janes, Politikwissenschaftler der Johns Hopkins Universität. Das Gespräch haben wir wegen der Zeitverschiebung am frühen Morgen aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    (*) Anm. d. Red.: Im live und auf Deutsch geführten Interview sprach Janes an dieser Stelle von "20 Milliarden", tatsächlich belaufen sich die Schulden aber auf rund 20 Billionen Dollar.