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Korruption
Lösungsansätze für ein weltweites Problem

Wenn Polizei oder Justiz korrupt sind, gibt es keine alternativen Ansprechpartner: Der Experte Leslie Holmes erklärt in seinem Buch über Korruption prägnant und übersichtlich, wie schwer dieses verbreitete Problem wiegen kann. Verharmlosung tritt er konsequent entgegen. Und er präsentiert Lösungsansätze.

Von Benjamin Dierks | 24.04.2017
    Manager mit Geldscheinen
    "Man kann Korruption kontrollieren, aber niemals vollständig ausrotten." (imago / Schöning)
    Eine der Stärken dieses Buchs liegt in seiner Kürze. Das mag etwas wohlfeil klingen, aber der Autor Leslie Holmes führt seine Leser erfreulich schnörkellos in sein Thema ein. "Korruption - Was sie anrichtet und wie wir sie bekämpfen können", lautet der Titel des Bandes. Im englischen Original erschien das Buch vor zwei Jahren bei Oxford University Press in der Reihe "Very short introductions", also sehr knappe Einführungen. Die ist dazu gedacht, dass Experten ohne große Umwege einen fundierten Einblick in das jeweilige Thema gewähren. Das sei im Fall von Korruption nötig, weil sie heute weltweit noch häufiger diskutiert werde als Armut, Arbeitslosigkeit, Klima und Terrorismus, schreibt Holmes.
    "Ob in Entwicklungsländern, den Schwellenländern oder in Industriestaaten, immer mehr Bürgern werden die ernsten negativen Effekte von Korruption bewusst, und sie verlangen, dass die Regierungen etwas dagegen unternehmen. Regierungen, welche solche Forderungen außer Acht lassen, gehen ein beträchtliches Risiko ein."
    Kurzum, man sollte wissen, worum es dabei geht. Holmes hat sein Buch einfach strukturiert, von der Begriffsklärung über die Problembeschreibung hin zum Versuch, Korruption zu messen und zu erklären. Dem folgt schließlich die Frage, wie sie sich bekämpfen lässt.
    Korruption im öffentlichen Sektor ist gravierender
    Holmes legt dar, dass die Definition von Korruption bis heute umstritten ist - und wie das den Kampf gegen sie beeinflusst: Eine zentrale Frage ist, ob ein öffentlicher Bediensteter im Spiel sein muss, wenn Macht zur eigenen Bereicherung missbraucht wird. Oder ob Korruption auch im privaten Sektor ohne Beteiligung öffentlicher Stellen stattfindet. Leslie Holmes plädiert für eine engere Definition.
    "Es gibt gute Gründe für eine Abgrenzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Wenn ich mit den Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens unzufrieden bin, kann ich in den meisten Fällen als Kunde zu einem anderen Unternehmen wechseln; wenn ich zu den Gerichten oder zur Polizei kein Vertrauen habe, kann ich mich wegen der Vollziehung der Gesetze nicht woanders hinwenden."
    Der Autor ist emeritierter Politikprofessor an der Universität von Melbourne und hat sich besonders mit der Demokratisierung in Staaten des ehemaligen Ostblocks sowie - unter anderem dort - mit den unterschiedlichen Ausformungen von Korruption auseinandergesetzt.
    Die schwerwiegenden Folgen von Korruption
    Woran er keinen Zweifel lässt, sind deren verheerende Folgen. Die reichen von destabilisierten Gesellschaften über Umweltschäden bis hin zu Tausenden Toten wegen korruptionsbedingter Baumängel. Holmes räumt auch mit dem Gegenargument auf, dass ein wenig Schmiergeld in der Wirtschaft nicht weiter schlimm sei und sogar Wachstum beschleunigen könne.
    "Als sich zeigte, dass sich ein westliches Unternehmen nach dem anderen des Fehlverhaltens schuldig machte, einschließlich von Bestechung und Schmiergeldern, um sich Aufträge aus dem Ausland zu sichern, brach das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Unternehmenssektor ein."
    Holmes bereitet die Informationen so auf, dass sich leicht ein aktueller Bezug herstellen lässt. US-Präsident Donald Trump etwa hat als eine seiner ersten Amtshandlungen ein Anti-Korruptionsgesetz gekippt, dass die Zahlungen von US-Ölkonzernen an ausländische Regierungen transparent machen sollte. Holmes hat sein Buch vor der US-Präsidentschaftswahl geschrieben. Er äußert darin bereits Vermutung, dass in der Korruptionsabwehr eigentlich vorbildliche Länder wie die USA irgendwann Rückschritte machen könnten, wenn sie Nachteile für die eigenen Unternehmen befürchten. Trump versprach denn auch, dass nun massenweise neue Jobs geschaffen werden könnten. Dieses Versprechen lässt sich mithilfe des Buchs aber trefflich infrage stellen.
    Die möglichen Lösungen
    Darüber hinaus hat es demnach vor allem langfristig schwere Folgen, wenn eine Gesellschaft Korruption begünstigt oder in Kauf nimmt. Die öffentliche Moral und ethische Bildung spielten bei der Bekämpfung von Korruption eine bedeutende Rolle.
    "Man kann Korruption kontrollieren, aber niemals vollständig ausrotten."
    Diese Warnung schiebt Leslie Holmes vorweg, wenn er sich daran macht, Lösungen gegen Korruption zu beschreiben. Denn dazu sei das Problem zu komplex. Anschaulich beschreibt Holmes, dass weder mit drakonischeren Strafen noch mit Anreizen wie höheren Gehältern für Beamte oder Belohnungen für Whistleblower allein dem Problem beizukommen sei. Er schildert erfolgreiche nationale wie internationale Strategien, macht sich aber auch die Mühe, ihnen etwaige Rückschläge oder unbeabsichtigte Nebeneffekte gegenüberzustellen.
    "Eine wachsende Zahl von Staaten zeigt jedoch bereits den erforderlichen politischen Willen, zum Beispiel indem sie korrupte Beamte bestrafen, unabhängig davon, wie hochrangig diese sind oder waren."
    Es mag der Kürze des Textes geschuldet sein, dass Holmes' Argumentation hier und da etwas unterkomplex erscheint. An einer Stelle vermutet er zum Beispiel, dass ein Staat "wahrscheinlich" weniger korrupt sei, wenn die Menschen ihm vertrauten. Anderswo sagt er der - so wörtlich – "im Wesentlichen amoralischen neoliberalen Ideologie" nach, Korruption zu begünstigen. Auch mutmaßt er, dass die Berichterstattung über Korruption in der Bevölkerung zu Enttäuschung und Verzweiflung führen könne. Ist es aber nicht eher die berichtete Korruption selbst, die die Menschen enttäuscht? Das sind Ungenauigkeiten, die der Autor sich hätte sparen können, weil sie die sonst akkurate Schilderung des Problems trüben.
    Leslie Holmes tritt mit seinem Buch sicher nicht an, um der Fachdebatte über Korruption neue Impulse zu liefern. Aber er zieht anschaulich Bilanz und ermöglicht es jedem Leser, auf gehobenem Niveau mitzureden.
    Leslie Holmes: "Korruption. Was sie anrichtet und wie wir sie bekämpfen können",
    Reclam 2017, 185 Seiten, 14,95 Euro