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Korruptions-Ermittlungen gegen Netanjahu
In Israel bleibt die Empörung aus

Trotz ständig neuer Korruptions- und Bestechungsvorwürfe scheint der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu politisch gefestigter denn je. Öffentliche Empörung über sein Vorgehen scheint auszubleiben. Ein Grund ist die Schwäche der Opposition.

24.01.2017
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
    Die Liste der Vorwürfe gegen Israels Regierungschef Netanjahu ist lang. (pa/dpa/Sputnik/Guneev)
    Zigarren und Champagner Rosé im Wert mehrere hunderttausend Schekel als Geschenk an den Regierungschef. Aussicht auf wirtschaftliche Erleichterungen für einen Verleger im Gegenzug für gute Presse. Private Gartenmöbel auf Staatskosten. Wahlkampfspenden aus dem Ausland. Die Liste der Vorwürfe gegen Regierungschef Netanjahu ist sehr lang.
    Die israelische Öffentlichkeit bleibt dagegen sehr stumm. Doron Navot vom politischen Institut der Universität Haifa spricht von einer vollständig neuen Situation:
    "Die Öffentlichkeit ist so schwach, dass nicht einmal etwas passieren würde, wenn der Generalstaatsanwalt entscheidet, die Ermittlungen einzustellen. Ich sehe aktuell keine Kraft, die sagen würde, wir als Öffentlichkeit, wir als Politiker gestatten nicht, dass jemand, der sich so verhält, Ministerpräsident bleibt."
    Strafrechtliche Ermittlungen werden als persönliche Angriffe dargestellt
    Ministerpräsident Netanjahu wirkt trotz täglicher Enthüllungen sogar gefestigt. Von seiner Fraktion lässt er sich feiern. Die strafrechtlichen Ermittlungen der Polizei verdreht er zu Angriffen der Presse gegen seine Person:
    "Das israelische Volk schenkt diesem Angriff keinen Glauben. Das israelische Volk ist klug. Überall, wo ich hingehe, sehe ich, dass viele Bürger das Spiel durchschaut haben und nicht in die Falle gehen."
    Der Ministerpräsident ist stark. Ein Grund dafür ist die Schwäche der Opposition. Navot sagt, die Opposition in Israel sei keine Alternative. Sie habe stattdessen über Jahre versucht Netanjahu zu kopieren. Bestes Beispiel der frühere Fernsehansager Yair Lapid:
    "Der Regierungschef hat ein Recht auf Unschuldsvermutung, wie jeder andere Bürger auch. Solange seine Schuld nicht bewiesen ist, ist er unschuldig. Wir müssen das in Erinnerung behalten und ehren."
    "Dann benutze halt nicht das Wort Schmiergeld, rede nicht von Strafrecht und Schmiergeld, aber sprich einfach darüber, dass ein Politiker jeden Monat Zigarren von einem Milliardär erhält. Frage, was ist das für ein Verhältnis zwischen einem Verleger und einem Regierungschef – ist das richtig. Sollen wir das akzeptieren. Sind wir alle Machiavellisten. In was für einer Republik leben wir."
    Kein Gegenwind aus der eigenen Partei
    Bei Netanjahus Vorgänger Olmert seien es zum Zeitpunkt des Rücktritts noch weniger Vorwürfe gewesen, fasst Navot zusammen. Damals waren es Menschen in der eigenen Partei, in der Regierung, die Olmert zum Rücktritt zwangen. Die Gefahr besteht für Netanjahu derzeit nicht
    "Die ist eine inszenierte Kampagne, in der die Journalisten nicht als Journalisten, sondern als Ermittler, Richter und Henker auftreten. Aber meine Freunde, in einer Demokratie wird die Regierung in der Wahlkabine bestimmt und nicht mit einer Kampagne, die Druck auf den Generalstaatsanwalt ausübt. (Applaus)"
    In diesem Strudel hoffen kritische Israelis auf den Staat und seine Institutionen. Es kommt auf Generalstaatsanwalt Mandelblit an. Er muss in den kommenden Wochen entscheiden, ob die strafrechtlichen Ermittlungen zu einer Anklage führen. Wenn nicht, würde Netanjahu seine ohnehin starke Position weiter ausbauen, so der Politikwissenschaftler Navot.