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Neuer US-Präsident
Trump als Hoffnung Israels

Die Vereinigten Staaten verstehen sich als Schutzmacht Israels und unterstützen das Land mit milliardenschwerer Militärhilfe. Die sicherte auch der scheidende US-Präsident Barack Obama zu. Trotzdem sind viele Israelis froh, dass seine Amtszeit zu Ende ist: Mit Donald Trump könnte das kritische Gegengewicht aus Washington wegfallen.

Von Sabine Adler | 20.01.2017
    Donald Trump in Washington am Tag vor seiner Inauguration als 45. Präsident der USA
    Donald Trump in Washington am Tag vor seiner Inauguration als 45. Präsident der USA (Brendan Smialowski / AFP)
    Hoch oben über den Dächern Jerusalems weht ein liberaler Geist. Hier im Propolis-Centre wollen die Aktivisten mit ihren Kunst- und Umwelt-Initiativen Juden und Palästinenser zusammenbringen - und sei es nur für den Augenblick einer Yoga-Stunde. Allerdings ist Akro-Yoga, wie es hier praktiziert wird, wahrlich nicht für jeden geeignet. Bei diesem Mix aus Akrobatik und Yoga müssen die Teilnehmer kräftig und biegsam sein, balancieren Männer und Frauen einander auf Händen und Füßen, Schultern oder Rücken unter Leitung von Oron Elior. Der schmale hoch aufgeschossene Tänzer, hat Präsident Barack Obama verehrt, auch aus ästhetischen Gründen, aber nicht nur:
    "Obama ist inspirierend. Ich mochte ihn einfach gern ansehen, wie er mit Menschen umging. Er kam mir immer vor wie der typische große Bruder, der Verantwortung übernimmt, sich kümmert. Donald Trump ist das komplette Gegenteil, der junge Bruder, der macht, was er will und sich selbst nicht kontrolliert."
    Der Maler Matan Israel hat das Begegnungszentrum gegründet, davor hat er in einem Nachbarschaftsprojekt Kunstwerke auf die Straßen verschiedener Viertel gebracht, immer entlang der grünen Linie, die Jerusalem teilt.
    Akro-Yoga im alternativen Propolis-Zentrum Jerusalem
    Akro-Yoga im alternativen Propolis-Zentrum Jerusalem (Deutschlandradio/Sabine Adler)
    Zu Akro-Yoga kommen arabische Frauen aus Ostjerusalem nicht, zu den Handwerkerkursen aber schon. Auf dem riesigen Dachgarten steht ein Bienenhaus inmitten von Kübeln und Pflanzen, alles Utensilien, um Dächer oder Balkone zu begrünen. Das Gegenprogramm zur Verrohung der gesellschaftlichen Debatte, die Israel bestimme seit Beginn der ersten Amtszeit von Benjamin Netanjahu, beklagt der Maler, der den Premier wie viele in Israel kurz Bibi nennt.
    "Das zeigt, dass du brutal sein kannst und keine Rücksicht auf die Konsequenzen nehmen musst. Das ist hier bei uns erfunden worden. Mir kommt es vor, als hätte Trump das von Bibi gelernt. Natürlich nicht wirklich, aber sie haben beide den gleichen Charakter."
    Hoffnung auf Trump bei israelischer Siedlungspolitik
    Ihren Balkon zu begrünen, kommt Sara Haetzni-Cohen derzeit nicht in den Sinn. Die 33-Jährige muss sich um ihre drei Kinder kümmern. Donald Trumps Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, habe sie schon von vielen republikanischen Präsidenten gehört. Sie hofft, dass sich der neue bei dem Konflikt mit den Palästinensern auf die Seite der jüdischen Siedler stellt.
    "Ich bin die Chefin eines Netzwerkes der zionistischen Bewegung. Wir rufen zu Aktionen auf. Die letzten Demos 2010 drehten sich nicht um Politik, sondern um soziale Probleme. Die Leute haben keine Lust mehr zu demonstrieren, aber sie mögen Facebook und Twitter."
    Alternatives Propolis-Zentrum in Jerusalem, das Lehrgänge zur Dachbegrünung anbietet
    Alternatives Propolis-Zentrum in Jerusalem, das Lehrgänge zur Dachbegrünung anbietet (Deutschlandradio/Sabine Adler)
    Deswegen kämpft sie quasi mit dem Handy. Gegen europäische Boykott-Aufrufe wegen der israelischen Siedlungspolitik, gegen die Europäische Union und die Vereinten Nationen. Mit der stetig zunehmenden Besiedlung des Westjordanlandes ist die Zwei-Staaten-Lösung, Israel und Palästina nebeneinander, kaum noch erreichbar, denn mittlerweile müssten 300.000 bis 450.000 Menschen zurück gesiedelt werden, was niemand für machbar hält. Shilo Adler, der Chef der Siedlerbewegung, will immer weiter Fakten schaffen.
    "Bis zum Jahr 2020 werden knapp eine Million Israeli in Judäa und Samaria sein. Das ist mein Ziel, das ist unsere Vision. Schon jetzt werden es jedes Jahr mehr, die Familien kommen auch aus Europa, zum Beispiel aus Frankreich."
    Für den arabisch-muslimischen Parlamentsabgeordneten Achmed Tibi ist die Zwei-Staaten-Lösung ein Strohhalm, an den er sich klammert. Wird mit Trump dieses Ziel aufgegeben, könnte eine dritte Intifada drohen, ein neuer bewaffneter Aufstand der Palästinenser gegen die Israelis.
    "Den palästinensischen Traum zu töten, wird zu Konfrontation führen. Wenn die Palästinenser in die Ecke gedrückt werden, wenn ihr Land konfisziert wird und die Knesset das legalisiert, dann ist das möglich."
    "Wir wissen alle, dass er meschugge, verrückt ist"
    Viermal haben die Israelis mehrheitlich Netanjahu und rechtsnationale Parteien gewählt, die meisten verbinden Hoffnungen mit Donald Trump, wenn auch mit Abstrichen, wie der 26-jährige Jonathan Shay.
    "Wir wissen alle, dass er meschugge, verrückt ist. Aber wir wissen, dass er pro Israel steht. Trump hat einfach erkannt, wer die wirklichen Feinde sind. Putin ist nicht die ultimative Bedrohung für die westliche Welt. Es gibt heute Kräfte, die sind nicht rational. Der extreme Islam zum Beispiel. Also wenn er fünf oder zehn Prozent verwirklichen würde von dem, was er gesagt hat, das wäre für uns ein Traum."