Montag, 29. April 2024

Archiv

Korruptionsverdacht
Verfahren gegen Sarkozy eröffnet

Nach 15 Stunden in Polizeigewahrsam und anschließender Vernehmung wird nun formell gegen Nicholas Sarkozy wegen des Verdachts auf Korruption vorgegangen. An der Basis seiner UMP-Partei wird eine Hetzjagd gegen den Ex-Präsidenten vermutet. Doch erste Parteigänger gehen auf Distanz.

Von Ursula Welter, Studio Paris | 02.07.2014
    Der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy kommt am 18. Juni 2014 an der Nationalversammlung in Paris an, um einen Preis in Empfang zu nehmen.
    Der frühere französische Präsident Sarkozy soll für eine Befragung durch die Polizei in Gewahrsam genommen worden sein. (dpa picture alliance / Lp/ Humberto De Oliveira)
    Der Ex-Präsident, sein Anwalt und ein Staatsanwalt stehen im Mittelpunkt des Justizverfahrens. Aus abgehörten Telefonaten soll sich ergeben haben, dass Sarkozy und sein Advokat bemüht waren, Informationen aus einem laufenden Verfahren zu erhalten. Womöglich ging es um direkten Einfluss auf die damals anstehende Entscheidung, ob die Tagebücher von Nicolas Sarkozy gerichtsverwertbar seien oder nicht.
    Der vermeintliche oder tatsächliche Informant saß am höchsten Strafgericht und könnte, so der Vorwurf, mit einem Posten in Monaco ermuntert worden sein.
    Es gilt die Unschuldsvermutung, aber nach 15 Stunden in Polizeigewahrsam und anschließender Vernehmung durch die Richter wird nun formell gegen Frankreichs Ex-Präsidenten wegen des Verdachts auf Korruption, illegale Einflussnahme und Verletzung von Berufsgeheimnissen vorgegangen.
    Viele waren sprachlos in den Reihen der konservativen Opposition nach dieser Nacht, andere sortierten sich rasch, so sein früherer Minister, Bruno Le Maire, der eine Botschaft der Freundschaft und der Unterstützung an Sarkozy schickte.
    Auch aufseiten der regierenden Sozialisten schlug die nächtliche Nachricht mit Wucht ein, der Premierminister atmete im Frühinterview ersteimal durch, um dann klarzustellen, es handele sich um schwerwiegende Vorwürfe, dennoch: "Es gelte 1. das Prinzip „Unabhängigkeit der Justiz", 2. "gleiches Recht für alle" und schließlich "die Unschuldsvermutung." Aber, so hakt der Moderator des Fernsehsenders nach, ein Richter, der den Sozialisten Hollande im Wahlkampf unterstützt hat, ist dieser wirklich ein Richter wie jeder andere, wenn er jetzt gegen Sarkozy vorgeht?"Die Justiz ist unabhängig!", lässt sich Manuel Vals, der Premier, nicht aus der Ruhe bringen.
    Kritik an abgehörten Telefonaten
    Die politischen Freunde des Ex-Präsidenten, dem nun vorgeworfen wird, ein Informationsnetz um sich aufgebaut zu haben, dass ihm womöglich noch zu Diensten war, als er längst die Wahlen verloren hatte, kritisierten den Weg, der zur Aufnahme der formellen Ermittlungen geführt hat. Dass Telefonate Sarkozys abgehört wurden, dass der Grund dafür eine Affäre war, die mit den nun gefundenen Anschuldigungen nichts oder nur am Rande zu tun hatte, diese Praxis sei fragwürdig.
    Der Anwalt von Thierry Herzog, des Anwalts von Nicolas Sarkozy gegen den nun ebenfalls ermittelt wird, will die Verwendung der Telefonmitschnitte nicht hinnehmen: "Die Anschuldigungen fußen nicht nur auf diesen Mitschnitten zwischen Klient und Anwalt, deren Legalität wir infrage stellen, sondern auch noch auf Telefonaten zwischen diesem Anwalt und dem Chef der Anwaltskammer." Das habe es weder in Frankreich noch sonst wo je gegeben, das sei untragbar und werde angefochten, sagte Paul Albert Iweins.
    An der Basis der konservativen Oppositionspartei UMP gab es Stimmen, die eine Hetzjagd gegen ihr Idol vermuten, immer dann, wenn Sarkozy über die Rückkehr in die Politik nachdenke, folge ein Ermittlungsverfahren – zuletzt in der Affäre Bettencourt, in der er schließlich von allen Vorwürfen frei gesprochen worden sei. Andere UMP-Größen räumten ein, dass die Vorwürfe schwerwiegend seien und machten ein deutliches Fragezeichen hinter das geplante, politische Comeback von Nicolas Sarkozy.