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Inflationäre Nutzung des „Holy Grail“
Über-All im Kosmos der Heilige Gral

In der Artus-Sage ist der Heilige Gral ein Gefäß, das in der unzugänglichen Gralsburg bewacht wird. Wer aus ihm trinkt, so heißt es, lebe in ewiger Jugend und Glückseligkeit.

Von Dirk Lorenzen |
Auch der berühmte Orion-Nebel ist womöglich Heimat des Heiligen Grals (Hubble/Spitzer/NASA/ESA)
Auch der berühmte Orion-Nebel ist womöglich Heimat des Heiligen Grals (Hubble/Spitzer/NASA/ESA) (Hubble/Spitzer/NASA/ESA)
Offenbar sehnen sich etliche im „All-Tag“ unzufriedene Astronominnen und Astronomen nach dem Glückstrunk. Jedenfalls haben sie in den letzten Jahren vielfach den Heiligen Gral im Kosmos ausgemacht – vor allem im englischsprachigen Raum wird die Metapher vom „Holy Grail“ inflationär verwendet.
Der Kosmologe George Smoot hatte vor Jahrzehnten an seiner Bürotür an der Universität Berkeley ein Schild angebracht, das ein Bild der Schwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigte. Darunter stand „Heimat des Heiligen Grals“.
Befand der sich anfangs in größter Ferne, so kam er uns rapide näher. Hinweise auf noch immer existierende Sterne der ersten Generation in unserer Milchstraße sind der Heilige Gral der Stellarastronomie.

Gral auch nicht mehr das, was er nie war

Die Wiederentdeckung eines fast siebzig Jahre lang vermissten Asteroiden Hermes geriet umgehend zum Heiligen Gral der Erforschung erdnaher Objekte.
Für ein James-Webb-Team ist der Heilige Gral allen Ernstes der Nachweis von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen im Orion-Nebel. Pardon, aber der Heilige Gral ist auch nicht mehr das, was er nie war.
Inzwischen variieren einige Fachleute und suchen auch schon mal kosmische „Rosetta-Steine“ – benannt nach dem Stein von Rosetta, mit dessen Hilfe sich die Hieroglyphen entschlüsseln ließen. Und sicher findet bald ein ganz Eifriger im Universum den Rosetta-Stein der Heiligen Grale.