Der Bundestag hat die Krankenhausreform mit der Mehrheit der Ampel-Koalition verabschiedet. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von der größten Gesundheitsreform seit 20 Jahren. Zwei Jahre lang hatte die Koalition um das Projekt gerungen. Erst vor wenigen Tagen hatten sich Lauterbach und die Gesundheitsexperten der drei Ampelfraktionen über letzte Änderungen an dem Gesetz verständigt.
Die Koalition setzt künftig auf mehr Spezialisierung in den Kliniken. Dadurch soll die Versorgung der Patienten verbessert werden. Krankenhäuser sollen durch ein neues Finanzierungssystem wirtschaftlich entlastet werden, in kleineren Häusern auf dem Land werden verstärkt Fachärzte ambulant praktizieren.
Die gesamte Umsetzung wird vermutlich zehn Jahre dauern und mit einem Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro finanziert. Im Bundesrat ist die Neuregelung nicht zustimmungspflichtig, er könnte aber den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein, Kerstin von der Decken (CDU), hat schon angekündigt, sich dafür einzusetzen.
Was steht im Gesetzentwurf?
Kernstück ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten behandeln zu müssen, um rentabel zu sein. Bislang finanzieren sich Krankenhäuser über Fallpauschalen, das heißt, sie bekommen pro Behandlung einen pauschalen Euro-Betrag.
Die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte die Fallpauschalen im Jahr 2003 eingeführt. Dieses Finanzierungsmodell löste die Vergütung nach der Liegezeit ab. Kernziel der Reform war, die Liegezeiten zu reduzieren und damit Kosten zu sparen.
Die Fallpauschalen sollen nun auf 40 Prozent abgesenkt werden. Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dazu zählt beispielsweise das Personal, eine Notaufnahme oder notwendige Medizintechnik.
Krankenhäuser auf dem Land sollen erhalten bleiben, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Bestehende Kliniken können demnach in eine „sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung“ umgewidmet werden und sollen als Brücke zwischen stationärer und ambulanter Versorgung dienen.
Außerdem soll es künftig möglich werden, dass kleinere Kliniken auf dem Land auch ambulante Facharztbehandlungen anbieten, wenn es in einer Region keinen entsprechenden Spezialisten für das medizinische Fachgebiet gibt.
Das Gesetz sieht zudem vor, dass Krankenhäuser mit Abteilungen für Innere Medizin und einer Chirurgie in maximal 30 Minuten mit dem Auto erreicht werden müssen. Bei anderen Krankenhäusern darf die Fahrzeit zehn Minuten länger dauern.
Was bedeutet die Krankenhausreform für die Patientinnen und Patienten?
Ein Kernstück der Reform ist eine stärkere medizinische Spezialisierung. Vor allem die kleineren Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen.
Patientinnen und Patienten werden künftig also bisweilen längere Wege bis zum nächsten zuständigen Krankenhaus in Kauf nehmen müssen - sollen dafür aber eine bessere Behandlung bekommen. Welches Krankenhaus künftig welche Leistungen anbieten darf, entscheiden die Länder.
Wie soll die Krankenhausreform finanziert werden?
Für die Reform soll ein Transformationsfonds mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro über zehn Jahre aufgebaut werden, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern. Der Bund will seinen Teil vor allem aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen finanzieren. In diesem werden die Mittel gesammelt, die die Krankenkassen für die Versorgung der Patienten brauchen.
Daran gibt es allerdings Kritik. Der GKV-Spitzenverband, der die gesetzlichen Krankenkassen vertritt, fürchtet, dass auf diese Weise letztlich der Beitragszahler zur Kasse gebeten wird.
„Der notwendige Auf- und Umbau der stationären Versorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und liegt deshalb klar in der Finanzierungsverantwortung des Staates“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands. Keinesfalls dürfe die Krankenhausreform nur durch steigende GKV-Beitragsmittel finanziert werden.
Die privaten Krankenkassen haben vorsichtshalber ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, dass eine Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds aus Beiträgen der Privaten Krankenversicherung (PKV) gegen das Verfassungsrecht verstoßen würde. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte zugesagt, zur Finanzierung auch die privaten Kassen hinzuzuziehen. Auch der GKV-Spitzenverband hält den Transformationsfonds - wie im Gesetzentwurf vorgelegt - für verfassungswidrig.
Werden Kliniken trotz der Reform schließen?
Ja. Rund ein Drittel der Krankenhäuser hat mit roten Zahlen zu kämpfen. Für die aktuell 1719 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genug Personal, viele Kliniken seien von Insolvenz bedroht, sagt Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Mit seiner Reform will er das erwartete Kliniksterben begrenzen: "Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig."
Was sagen Kritiker des Gesetzentwurfs?
Mehrere Bundesländer drohen mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat. Sie sind skeptisch, ob die Reform das befürchtete Kliniksterben im ländlichen Raum abwenden kann. Zudem fürchten sie die hohen Kosten der Reform.
Nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) wird die Reform ihre Ziele verfehlen. Ihr Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß sagt voraus, dass es in den kommenden Jahren trotz Reform zu massiven Problemen bei der Patientenversorgung kommen wird. Das Gesetz stehe „für eine fortgesetzte kalte Marktbereinigung mit wegbrechenden Krankenhausstandorten, den Einstieg in die Rationierung und Wartelistenmedizin, einen gigantischen Bürokratieaufwuchs und planwirtschaftliche Strukturen mit maximaler Zentralisierung“, so Gaß.
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