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Kriminelle Geschäfte
Deutschland bislang Ruheort für italienische Mafia

Rund 600 Mitglieder und Unterstützer der italienischen Mafia leben nach Angaben des Bundeskriminalamtes in Deutschland, die meisten gehören zur kalabrischen 'Ndrangheta. Konkrete Straftaten sind oft schwer nachweisbar und eine Mitgliedschaft hierzulande bislang nicht Strafbar - mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft.

Von Isabel Fannrich-Lautenschläger | 25.10.2017
    Eine Frau hält ein Modell einer Waffe (Silhouette).
    Die Mafia in Deutschland hat ihre Strategie in den vergangenen zehn Jahren verändert. (dpa)
    Selten bekommt die Mafia in Deutschland so viel öffentliche Aufmerksamkeit. Im Juni haben mehr als 300 Polizeibeamte in Baden-Württemberg in einem Großeinsatz 15 Männer festgenommen. Sie beschlagnahmten rund 300 Kilo Cannabis, Drogen im zweistelligen Kilo-Bereich, teure Autos sowie Vermögenswerte von bis zu einer halben Million Euro und Schusswaffen. Die Männer stammen aus dem Umfeld der sizilianischen Mafia-Gruppierung Cosa Nostra, erzählt Thomas Hechinger, der zuständige Chefermittler.
    "Es waren durchgängig italienische Staatsangehörige, die im Raum Schwarzwald-Baar-Kreis/Rottweil wohnhaft sind und dort auch entsprechend etabliert sind, eigene Gaststätten, Restaurants führen. Wir haben durch die Ermittlungen eindeutige Bezüge in den Bereich der Cosa Nostra in Richtung Palermo. Dort hat auch eine polizeiliche Zusammenarbeit stattgefunden mit der Guardia di Finanza."
    Aufgrund der deutschen Ermittlungen wurden in Italien Immobilien im Wert von sechs Millionen Euro beschlagnahmt und sieben Tatverdächtige verhaftet.
    Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb hatte sich über Jahre hinweg eine hierarchische kriminelle Organisation etabliert, deren Führung mit den Mafiabossen der Cosa Nostra in Palermo in Verbindung stand. Die beiden Köpfe der Gruppierung führten ein unauffälliges Leben und betrieben mehrere Gaststätten. Sie handelten mit Kleidung, Lebensmitteln und kauften Gold an, erzählt der Leiter der Kriminalinspektion 4 der Kriminalpolizeidirektion Rottweil.
    Firmenähnliche Struktur für die illegalen Geschäfte
    Für ihre Geschäfte mit Rauschgift und Waffen hatten sie eine firmenähnliche Struktur aufgebaut, der überwiegend Italiener angehörten. Sie selbst konnten im Hintergrund die Fäden ziehen, ohne in den Fokus der Ermittlungsbehörden zu geraten. Chef-Ermittler Hechinger:
    "Auffällig war wieder einmal, dass die maßgeblichen Personen aus einer legalen Fassade heraus agierten und aktiv waren. So war eine Hauptfigur in unserem Verfahren ein Pizzeria-Betreiber, der gut bekannt war bei den Leuten hier und nach außen hin schon eher als Ehrenmann galt. Im Übrigen auch im Bereich Palermo als solcher angesehen wurde."
    Der Fall zeigt, dass die Mafia in Deutschland ihre Strategie in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Wolfgang Rahm ist beim LKA Baden-Württemberg für italienische organisierte Kriminalität, kurz IOK, zuständig. Er erzählt, dass die Mafia hierzulande Gewalt und öffentliche Aufmerksamkeit mittlerweile vermeidet und zunehmend im Verborgenen agiert.
    "Die traditionelle Mafia hat ihr Geld verdient mit Raubüberfällen, mit Erpressungen. Es waren Straftaten, die ein sehr hohes Entdeckungsrisiko innegehabt haben und relativ wenig Gewinn. Heute haben wir es mit einer unternehmerisch tätigen Mafia zu tun. Und das in allen Bereichen, wo sie glaubt, dass sie Geld waschen kann und auch Gelder auf legalem Weg erwirtschaften kann. Ich mache ein Beispiel: Es kommt ein junger Italiener, der beginnt hier zu arbeiten als Kellner. Er kann sich bewähren, weil er eine gute Arbeit abliefert. Er übernimmt das Lokal, er kann später in das Lokal investieren und kann auch hier dann hinter dieser Fassade illegale Tätigkeiten vornehmen."
    Schutzgelderpressung auch in Deutschland
    Das war vor zehn Jahren anders. Damals wurde die Mafia in Deutschland durch zwei Fälle besonders sichtbar. Bei der Fehde zweier Clans vor einem Lokal in Duisburg wurden im August 2007 sechs Menschen ermordet. Wenige Monate später versuchten drei Männer, von italienischen Wirten in Berlin Schutzgeld zu erpressen.
    "Jemand hat angefangen, verschiedene Restaurants zu besuchen und dort einen Brief abgegeben. Und dort in dem Brief stand, dass wir unsere Heiligen schützen, pflegen und etwas Geld geben für die Heiligen. In diesem Brief stand auch, dass wir sollten kein Wort an die Polizei geben - und das hat wirklich Angst gebracht bei italienischen Restaurantbesitzern."
    Für Gastronomen wie Pino Bianco war das ein Schock. Der Süditaliener hatte in den 70er-Jahren in seinem Heimatort Scanzano eine Pizzeria geführt. Schutzgeld habe er nie zahlen müssen, aber der örtliche Mafia-Boss trank dort seinen Espresso, ohne zu bezahlen.
    Der Süditaliener ging 1982 nach Berlin und eröffnete nach der Wende in Schöneberg die Trattoria Muntagnola. Dass Mafiosi in der Hauptstadt erst ein Restaurant und ein Auto anzünden und dann Schutzgeld verlangen, war für die mehr als 40 betroffenen Gastronomen in Berlin-Mitte, Schöneberg und Charlottenburg ein Rückfall in alte Zeiten:
    "Wir Italiener, ich kann mich erinnern, damals hatten wir verschiedene Versammlungen. Und die Gastronomen, die diesen Brief bekommen haben, der Satz, den jeder gesagt hat, war: Wir sind extra aus Italien weggegangen, um so etwas nicht zu erleben. Und wollen wir auch nicht hier in Berlin erleben."
    Der Polizist steht vor dem Eingang eines Pizza-Restaurants namens "Da Bruno" nahe des Tatorts.
    Das Duisburger Restaurant "Da Bruno" war 2007 Schauplatz eines Mafia-Verbrechens. (Roland Weihrauch / dpa)
    Die drei Täter, die in Verbindung zur neapolitanischen Camorra standen, konnten schnell ausfindig gemacht und verhaftet werden. Kurz nach den Duisburger Morden hatte Pino Bianco gemeinsam mit anderen Gastwirten und der italienischen Parlamentsabgeordneten Laura Garavini in Berlin den Verein "Mafia? Nein, Danke!" gegründet und Kontakte zum Landeskriminalamt geknüpft.
    Heute hat die klassische Form von Schutzgelderpressung neue Formen angenommen, erzählt Sandro Mattioli, Vorsitzender des Vereins, der über die Mafia aufklären und die Politik mobilisieren will. So nötigt die Mafia Gastwirte dazu, überteuerte Pizzakartons, Tomaten oder Weine zu kaufen und hat für diese Produkte eine Lieferstruktur aufgebaut. Ihr Hauptinteresse liege aber darin, illegal erwirtschaftetes Geld durch legale Investitionen zu waschen.
    "Wir haben die klassischen Mafia-Geschäfte in Deutschland: Kokainhandel, Waffenhandel, Abfall, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. Wir haben aber auch legale Geschäfte: Investitionen in Immobilien, Investitionen in Flächen, in Unternehmen, Gastronomie, Hotellerie natürlich."
    Geldflüsse sind unbekannt
    Wie viel Geld die Mafia jährlich in Deutschland wäscht und wie viel davon nach Italien fließt, ist unbekannt. Als dürftig erscheint aber auch das Wissen über die Mafia selbst, über die Gruppierungen der kalabrischen Ndrangheta, der sizilianischen Cosa Nostra und der neapolitanischen Camorra, die sich irgendwann nach Ankunft der italienischen Gastarbeiter ab Mitte der 50er-Jahre insbesondere im süddeutschen Raum gebildet haben.
    Arndt Sinn, Professor für Deutsches und Europäisches Strafrecht an der Universität Osnabrück, erklärt, warum es in Deutschland an Daten über die Mafia mangelt, und warum mehr Aufklärung nötig ist.
    "Nach dem 11. September ist natürlich ein großer Teil der Ressourcen in die Verfolgung, Prävention und Aufklärung von Terrorismus geflossen. Das ist auch richtig so. Aber wir dürfen auf dem anderen Auge nicht blind werden. Organisierte Kriminalität agiert im Verborgenen. Die gesellschaftlichen Schäden sind eher mittelfristig und langfristig, weil durch die Erträge, die erwirtschaftet werden und die Refinanzierung weiterer krimineller Aktionen und die Geldwäsche unsere Gesellschaft immer weiter unterminiert wird, immer weiter durch kriminelle Machenschaften ausgehöhlt wird. Und das wird dann langfristig zu gesamtgesellschaftlichen Problemen führen."
    Laut einem Bericht des Bundeskriminalamtes leben mehr als 560 Mitglieder der IOK in Deutschland. Auf einer Tagung von "Mafia? Nein, Danke!" im August, betonte BKA-Vizepräsident Peter Henzler, wie wichtig seiner Behörde das Vorgehen gegen die italienische, russische und Rocker-Mafia sei. Nach dem Verhindern islamistischer Anschläge und dem Bekämpfen von Cybercrime zähle es zu den Top drei.
    "Natürlich gibt es Mafia in Deutschland mit den einzelnen Gruppierungen, wobei Ndrangheta die stärkste ist mit etwa 300 Personen, die wir kennen. Die Bräuche der Mafia werden auch hier in Deutschland begangen. Und es werden neue Taufen durchgeführt. Und in der Zwischenzeit entstehen in Deutschland Mafia-Angehörige, die die italienischen Kollegen gar nicht kennen. Sondern da kommt der Nachwuchs. Und wir vermitteln das den italienischen Kollegen."
    Immer mit Genehmigung der Bosse in Italien
    Die vom BKA genannte Zahl bezeichnet Sandro Mattioli nicht nur deshalb als dramatisch, weil sie viermal so hoch ist wie vor zehn Jahren. Er selbst geht von einer vierstelligen Zahl italienischer Mafiosi aus. Diese handeln – ähnlich wie in einem globalisierten Konzern – teilweise im Auftrag, immer aber mit Genehmigung der Bosse in Italien, sagt der Journalist:
    "Es gibt zum einen die klassischen Ortsvereine, Locale genannt, die sich im Grunde gar nicht von Italien unterscheiden. Aber wir haben auch mafiöse Dienstleister, die ein bestimmtes Profil sich zugelegt haben, die sehr unauffällig agieren. Und wir haben die klassischen kleinen Kriminellen, die sich mit kleineren Delikten, Einbrüchen und so weiter über Wasser halten. Die sind aber eher wenig stark repräsentiert, weil sie von der Mafia in Italien für Deutschland nicht gewünscht sind, weil sie große Risiken mit sich bringen."
    Für David Ellero, bei Europol für italienische organisierte Kriminalität zuständig, spielt die genaue Anzahl von Mafiosi, die in einem Land leben, nicht die Hauptrolle.
    Sandro Mattioli
    Der deutsch-italienische Journalist Sandro Mattioli. (picture alliance/dpa/Foto: Uwe Zucchi)
    "Es ist viel wichtiger, zu wissen, wie viele Menschen der Mafia helfen und ihren Rücken stärken. In Italien zum Beispiel sprechen die Journalisten gerne davon, dass die sogenannte Grauzone die Mafia stark macht. Dort gibt es die Mafia-Mitglieder, die Öffentlichkeit und eine Art Zwischenbereich mit Juristen, Notaren, Bankern, Investoren und Geschäftsleuten. Diese sind zwar keine Mafia-Mitglieder, aber über sie gelingt es der Mafia, enorme Reichtümer und sehr viel Geld anzuhäufen."
    Für die EU-Polizeibehörde mit Sitz in Den Haag steht der grenzüberschreitende illegale Handel mit Drogen, Waffen und gefälschten Produkten, aber auch mit Menschen im Mittelpunkt. Deutschland gilt für Europol gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden neben Spanien als Schwerpunktregion der IOK. Die drei Länder eignen sich wegen ihrer guten Verkehrsinfrastruktur mit großen Häfen, Flughäfen und einem dichten Straßennetz für den Transport und Handel mit illegaler Ware. Außerdem boomt die Wirtschaft und Investitionen sind willkommen - was die Mafia zu nutzen weiß.
    "Wenn sie ein Krimineller sind und Geld mitbringt, funktioniert das auch. Bei Leuten, die von Italien nach Deutschland kommen, handelt es sich häufig um Strohmänner. Sie haben keine kriminellen Hintergrund, sind nicht im Bundeszentralregister aufgeführt. Vielleicht bei den italienischen Behörden, aber in Deutschland sind sie unverdächtig. Wenn sie also in Deutschland zwei, drei Restaurants eröffnen wollen, wird das hier als etwas Positives angesehen, ebenso in den Niederlanden und in Belgien."
    Deutschland bisher Ruhe- und Rückzugsort für die Mafia
    Bislang galt Deutschland als eine Art Ruhe- und Rückzugsort für die Mafia - hatte diese hier doch kaum etwas zu befürchten. Die Zugehörigkeit zur Ndrangheta, Camorra oder Cosa Nostra war – anders als in Italien – nicht strafbar. Um ein von der Mafia illegal erwirtschaftetes Vermögen einzuziehen, musste dem mutmaßlichen Täter das unsaubere Geschäft erst nachgewiesen werden.
    Seit diesem Jahr könnte es für italienische Mafiosi jedoch ungemütlicher werden. Deutschland hat gleich mehrere EU-Vorgaben rechtlich umgesetzt, um effizienter gegen kriminelle Vereinigungen und Geldwäsche vorzugehen. Viel zu spät, kritisieren Experten wie Arndt Sinn. Ob die Gesetzesreformen bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität helfen, müsse sich jetzt in der Praxis erweisen.
    "Sie zerschlagen die Struktur, also die Gruppierung. Das können Sie mit diesem neuen Gesetz zur kriminellen Vereinigung durchaus machen. Und die zweite Strategie ist, Sie nehmen ihnen das Geld weg. Und ein wichtiges Prinzip ist in diesem neuen Geldwäschegesetz auf der Grundlage der 4. EU-Geldwäscherichtlinie umgesetzt worden, nämlich eine Erweiterung des Prinzips: Know your customer. Wenn ich nicht weiß, mit wem ich Handel betreibe, von wem ich Geld annehme, dann ist immer die Gefahr groß, dass hier Geld gewaschen wird."
    Auch das "Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung" könnte die Schlupflöcher der Mafia verkleinern. Anders als in Italien sieht es zwar nicht vor, dass Tatverdächtige beweisen müssen, woher ihr Vermögen stammt. Nach Meinung von Arndt Sinn erleichtert es den Gerichten trotzdem das Einkassieren von Geldern und Besitztümern unklarer Herkunft. Sandro Mattioli von "Mafia? Nein, Danke!" zeigt sich skeptisch, dass das neue Gesetz hilft:
    "Es ist ein komplexes Geschehen, Vermögen einzuziehen. Das heißt, man muss die Staatsanwaltschaft an Bord haben, Polizisten an Bord haben, die Leute müssen auch ein Interesse haben, zu ermitteln. Es ist nicht so, dass jetzt auf einmal überall wild Geld beschlagnahmt wird. Da gehört ein politischer Wille dazu, da gehören ausgebildete Leute dazu, da muss man mehr Stellen schaffen, man muss auch das beschlagnahmte Vermögen verwalten. Auch da ist Deutschland sehr im Hintertreffen."
    Langwierige, komplizierte Ermittlungen
    Um den Gruppierungen organisierter Kriminalität auf die Schliche zu kommen, braucht es einen langen Atem. Insider berichten, dass hierfür ausreichendes, gut ausgebildetes Personal bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden fehlt. Teilweise werden die Ermittler für den Bereich islamischer Terrorismus abgezogen. In manchen Landeskriminalämtern gebe es nicht einmal mehr einen Strukturermittler.
    Es nütze jedoch nichts, ein paar Drogendealer auf der Straße festzunehmen, kritisiert auch Arndt Sinn. Nur durch Strukturermittlungen komme die Polizei an die Hintermänner heran. Die seien aber unbeliebt.
    "Weil Sie wenig Erfolge haben, weil das langwierig ist, weil das aufwendig ist. Aber Sie müssen am Jahresende als LKA-Präsident einen Bericht schreiben und da müssen Sie Ihre Ressourcen verteidigen. Und wenn Sie da drei Strukturermittler haben, die in dem Jahr nichts geschafft haben, nicht vorzeigbar einen Erfolg haben, dann kommen Sie in Begründungszwang. Nicht, weil die faul waren, sondern weil OK schwer aufzudecken ist. Das ist eben die Nadel im Heuhaufen, die man finden muss."
    Die Mafia hat wenig mit den Klischees des bekannten US-Spielfilms "Der Pate" von Francis Ford Coppola zu tun. Sie ist zu einer modernen, kriminellen Organisation mit neuen virtuellen Handelswegen und Bezahlsystemen geworden, die für die Ermittler schwerer nachvollziehbar sind. Kokain beispielsweise wird außer auf der Straße auch im Darkweb oder auf anderen Internetpattformen verkauft. Der Konsument bekommt es nach Hause geliefert und bezahlt in Bitcoin.
    Außerdem kommunizieren die Täter auf höchstem technischem Niveau, betont Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
    "Wenn die Täter zu 90 Prozent kryptiert, also verschlüsselt, kommunizieren, dann müssen wir in die Lage versetzt werden, auch eine solche Kommunikation zu überwachen. Da wird viel drüber diskutiert, berechtigterweise. Auf der anderen Seite wird aber die Seite viel zu wenig diskutiert, wer eigentlich diese Ermittlungen macht, welche Qualifikation wir dort benötigen und in welcher Anzahl wir solche Leute benötigen. Am Ende ist das auch eine Frage, die der Finanzminister des jeweiligen Bundeslandes zu bearbeiten hat."
    Kriminelle Geschäfte finden kaum noch im nationalen Kontext statt
    Fast 95 Prozent der Taten, die die italienisch organisierte Kriminalität 2016 in Deutschland beging, hatten einen internationalen Hintergrund, berichtet das BKA. Die kriminellen Geschäfte finden kaum noch im nationalen Kontext statt. Und die OK-Gruppierungen vernetzen sich zunehmend. David Ellero von Europol veranschaulicht das am Beispiel Drogengeschäft:
    "Wenn Sie bedenken, dass Sie das Kokain tonnenweise in Südamerika beispielsweise kaufen müssen. Sie können nicht einfach in den Supermarkt gehen und ein Kilo kaufen. Sie müssen drei, vier Tonnen kaufen. Nicht alle Clans haben die finanziellen Möglichkeiten, um eine so große Menge zu bezahlen. Was normalerweise passiert, ist, dass jede große Familie einen Teil bezahlt. Sie legen Geld zusammen, kaufen eine große Menge und teilen die Drogen auf, wenn sie in Italien ankommen. Manchmal tun das sogar Gruppen von unterschiedlichen Clans. Dann arbeitet die Camorra mit der Ndrangheta zusammen, um die Summe zusammen zu bekommen."
    Der Mafiaboss Toto Riina, hier bei seinem Prozess 1995.
    Der Mafiaboss Toto Riina, hier bei seinem Prozess 1995. (imago/stock&people)
    Die EU-Justizbehörde Eurojust versucht, die grenzüberschreitenden Aktivitäten durch gemeinsame Ermittlungsgruppen, sogenannte Joint Investigation Teams, auszuhebeln. In greifbare Nähe gerückt ist mittlerweile auch eine Europäische Staatsanwaltschaft.
    Auch Kriminalhauptkommissar Wolfgang Rahm hält es für unabdingbar, die teilweise veralteten Bekämpfungsstrategien der neuen Mafia anzupassen. Nur durch eine intensive internationale Zusammenarbeit – wie jüngst zwischen Rottweil und Palermo - seien Ermittlungen häufiger und erfolgreich möglich.
    "Die heutigen Mafiabosse, die leben mitten unter uns. Sie sind finanzstarke Saubermänner, die hauptsächlich um die Reinvestition des kriminellen Geldes bemüht sind und auch versuchen, Kontakte in alle Gesellschaftsschichten zu erschließen und auch zu Entscheidungsträgern. Und bedauerlicherweise gelingt ihnen das immer wieder. Es sind Kontakte zu Vertretern der Strafverfolgungsbehörden, es sind Vertreter der Medien, es sind schlichtweg in allen Ebenen, wo wir es oft nicht vermuten. Toto Riina hat mal gesagt: Ohne den Kontakt zur Politik in die Gesellschaft würde es die Mafia nicht geben. Und er hat sicherlich nicht unrecht."